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Sonderfall Gesamtheit von Maschinen
Um einen Sonderfall handelt es sich bei der Gesamtheit von Maschinen, denn neu und somit erstmalig werden Großmaschinenanlagen selektiv betrachtet. Betrifft die Veränderung bei einer Gesamtheit von Maschinen (z. B. eine komplexe Produktionsanlage oder ein integriertes Fertigungssystem) nur einen Teilbereich, so ist zu prüfen, inwieweit dies Auswirkungen auf die Gesamtheit (Anlage als Ganzes) hat. Ist diese Veränderung selbst sowie deren Auswirkungen auf die Gesamtheit als wesentlich zu beurteilen, liegt eine wesentliche Veränderung der Gesamtheit von Maschinen vor.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte, können Veränderungen an einer Maschine/Gesamtheit von Maschinen folgende Auswirkungen haben:
- Die Maschine ist auch nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen sicher. In diesem Fall liegt keine wesentliche Veränderung vor.
- Die Maschine ist nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher. Die neue Gefährdung oder das erhöhte Risiko können durch einfache Schutzeinrichtungen beseitigt oder zumindest hinreichend minimiert werden – dann liegt keine wesentliche Veränderung vor.
- Die Maschine ist nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher und eine ausreichende Risikominderung kann nicht durch einfache Schutzeinrichtungen erreicht werden – dann liegt eine wesentliche Veränderung vor.
Kein wesentliche Veränderung
Das Ergebnis „Keine wesentliche Veränderung“ bedeutet für die weitere Vorgehensweise, dass keine technischen Maßnahmen zu ergreifen sind. Selbstredend muss die Entscheidung „Keine wesentliche Veränderung“ nach dem neuen BMAS Papier dokumentiert werden, bzw. die Gefährdungsbeurteilung muss angepasst werden (siehe nachfolgenden Abschnitt „Dokumentation“). Das „Ur“-Baujahr der Maschine bleibt erhalten.
Als völlig eigenständig und somit unabhängig von der beschriebenen Betrachtungsweise zu betrachten ist der Austausch von Bauteilen der Maschine durch identische Bauteile oder Bauteile mit identischer Funktion und identischem Sicherheitsniveau sowie der Einbau von Schutzeinrichtungen, die zu enem höheren Sicherheitsniveau der Maschine führen und die darüber hinaus keine zusätzlichen Funktionen ermöglichen. Sie werden grundsätzlich als nicht wesentliche Veränderung angesehen.
Somit sind Verbesserungen, die ausschließlich das Ziel haben, die Arbeits- und die Maschinensicherheit zu erhöhen, grundsätzlich als positiv zu betrachten. Dieses Hersteller, Umbauer und Betreiber motivieren, den Arbeits,- und Maschinenschutz an Alt- und Gebrauchtmaschinen weiterzuentwickeln.
Wie eine neue Maschine
Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine „Wesentliche Veränderung“ der Maschine vorliegt, dann ist sie wie eine neue Maschine zu behandelt. Die Bestimmungen des ProdSG und der 9. ProdSV sind in Gänze anzuwenden. Das bedeutet, dass die Person, die für die wesentliche Veränderung verantwortlich ist, zum Hersteller wird und damit die Herstellerpflichten gemäß ProdSG und 9. ProdSV zu erfüllen hat. Danach hat der Hersteller sicherzustellen, dass die wesentlich veränderte Maschine den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen gemäß Anhang I der MRL entspricht. Er führt für die wesentlich veränderte Maschine das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren durch und erstellt insbesondere die vorgeschriebenen technischen Unterlagen, mit denen er die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens nachweisen kann.
Weiterhin stellt der Hersteller die Betriebsanleitung zur Verfügung und versieht erforderlichenfalls die wesentlich veränderte Maschine mit Warnhinweisen für die Restrisiken, die aufgrund des Standes der Technik mit technischen Schutzmaßnahmen nicht weiter minimiert werden können. Abschließend stellt der Hersteller die EG-Konformitätserklärung aus, fügt diese bei und bringt die CE-Kennzeichnung an der wesentlich veränderten Maschine mit neuem Baujahr an.
Dokumentationen nach BetrSichV
Grundsätzlich muss nach allen Änderungen an Maschinen – nicht nur nach wesentlichen Veränderungen – eine Gefährdungsbeurteilung entsprechend § 3 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) durchgeführt werden. Diese zählt zu den betrieblichen Arbeitsschutzpflichten des Verwenders einer Maschine bzw. Anlage als Arbeitsmittel.
Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung können Maßnahmen, insbesondere technische Maßnahmen, notwendig werden, um den Beschäftigten ein sicheres Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Es ist zu prüfen, ob eine Anpassung der Informationen zum sicheren Betrieb der Maschinen, wie z. B. Betriebsanweisung, erforderlich ist.
Ein gelungenes Beispiel aus der Praxis für die maßvolle und richtige Interpretation des neuen BMAS-Papiers wird mit der „uralten“ Profilierungsanlage dargestellt (Abbildung 9 und 10).
Der Arbeits- und Maschinenschutz wurden mit einem Lichtgitter eindeutig erheblich verbessert. Eine aktuelle CE-Neu-Bewertung wäre der Tod dieser Maschine gewesen. Deshalb sollte diese durchgeführte Maßnahme Vorbild für eine mit dem „gesunden Menschenverstand“ gewählte Vorgehensweise sein. (jv)
* Dipl-Ing. Alois Hüning, Hauptabteilung Sicherheit und Gesundheit, Leiter KPZ Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme, Berufsgenossenschaft Holz und Metall, Dortmund
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