Prozessautomation Mit Robotik kürzeren Prozess gemacht

Redakteur: Karin Pfeiffer

Zwei Handlanger am Boden, zwei Schweißer von oben: Bis sich vier Roboter ihren Arbeitsweg in einer Heftanlage effizient über 28 Achsen bahnen, ist es ein weiter Weg. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt ein Projekt von Arend Prozessautomation.

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Weil Schweißroboter Bauteile gleichmäßig arbeiten können, sorgt das für weniger Verschleiß und manuelle Nacharbeit.
Weil Schweißroboter Bauteile gleichmäßig arbeiten können, sorgt das für weniger Verschleiß und manuelle Nacharbeit.
(Bild: iStock)

Roboter sind darauf ausgelegt, Menschen das Leben zu erleichtern und ihnen Arbeit abzunehmen. Ihre Routineaufgaben erledigen sie typischerweise zuverlässiger, effizienter und präziser als es von Menschenhand möglich wäre. Doch bis Roboter tun, was sie tun sollen, ist es ein weiter Weg. Die Herausforderungen bei der Programmierung und Steuerung erinnern ein wenig an Erziehungsaufgaben: Um selbstständig und leistungsfähig zu werden, müssen Roboter ihre Freiräume und Grenzen kennenlernen, darüber hinaus Taktgefühl, eine gute Feinmotorik und auch eine gewisse Sozialkompetenz entwickeln, um in ihren jeweiligen Umgebungen nicht mit anderen zu kollidieren.

Und wie in überall in der Erziehung und Entwicklung von Fähigkeiten gibt es auch bei der Programmierung und Steuerung von Robotern kaum den einzig wahren Weg. Es handelt sich vielmehr um eine hochgradig individuelle Angelegenheit, die von vielen Faktoren und Einflüssen abhängt. Was das konkret bedeuten kann, zeigt ein reales Kundenprojekt der Arend Prozessautomation GmbH mit Hauptsitz in Wittlich, die seit mehr als 30 Jahren auf Prozessoptimierung im Bereich industrieller Produktion spezialisiert ist.

Vier Roboter sind dreimal schneller

Als die Abteilung Robotik am Standort Rheinbach mit der Vollautomatisierung einer Heftanlage zur Herstellung von Werkzeugen für den Straßenbau beauftragt wurde, ging es wie üblich um Effizienz. „Am Ende sollten vier Roboter dreimal schneller erledigen, was Menschen in etwa zwei Tagen und drei Schichten schaffen“, erklärt Stefan Retzlaff, Teamleiter Robotik, das Ziel der Automatisierung. Neben der höheren Geschwindigkeit war auch die bessere Prozessgenauigkeit ein ausschlaggebender Punkt, der in einem hochwertigeren Endprodukt resultieren sollte. „So gleichmäßig wie diese Roboter könnte ein Mensch die Bauteile gar nicht anbringen“, sagt Retzlaff und erläutert die Auswirkung auf die Qualität: „In der Folge bedeutet eine gleichmäßigere Platzierung auch einen gleichmäßigeren Verschleiß, was das Werkzeug insgesamt langlebiger macht und auch weniger manuelle Nacharbeit bedeutet.“

Was logisch klingt, stellte die Spezialisten bei Arend vor eine ganze Reihe an Herausforderungen: „Die Anlage war bereits fix und fertig konzipiert und beim Kunden aufgestellt. Das waren allein aus mechanischer Sicht ganz andere Voraussetzungen als bei einer Anlage, an deren Planung wir mitgewirkt haben.“

Tausende Kollisionspunkte auf 28 Achsen

Im Einzelnen bestand diese Anlage aus einem drehbaren Lager, in dem das zylinderförmige Werkstück von insgesamt vier Robotern vervollständigt werden sollte. Zwei Roboter waren dabei als Handlanger am Boden, die anderen zwei als Schweißer von oben vorgesehen. Ihren Arbeitsweg sollten sie sich über ein Konstrukt aus insgesamt 28 Achsen bahnen, zu ihrer Arbeitsausrüstung zählten jeweils ein Schweißgerät für die beiden Schweißroboter und je ein Laserscanner sowie zwei verschiedene Greifer für die Handlingroboter. Der Arbeitsplatz umfasste zudem zwei Greiferbahnhöfe. Darin sollten die Handlingroboter ihre Greifer selbstständig wechseln, um die anzuheftenden, aber verschiedenartigsten Bauteile aus 20 Schwerlast-Schubladen zu entnehmen. Gehirn und Herzstück der gesamten Anlage bildete die SPS.

Von der Gesamtsteuerung über die Überwachung bis hin zur Programmierung der einzelnen Roboter hatten die insgesamt fünf Projektmitarbeiter mehrere Knackpunkte und unzählige Kollisionspunkte zu berücksichtigen. Einige Kniffe, etwa punktgenaues, synchrones und damit weniger Verzug verursachendes Schweißen, ließen sich laut Stefan Retzlaff mithilfe etablierter Technologie-Pakete des Roboterherstellers lösen. „An anderen Stellen allerdings mussten wir darüber hinaus eine komplett eigenständige Programmier-Logik entwickeln.“

Eine solche Logik bestimmte dann auch den finalen Arbeitsablauf, nach dem ein Handlingroboter nun ein Bauteil aus einer Schublade entnimmt, es zum Werkstück bringt und in der richtigen Position festhält – bis die beiden Schweißroboter es von oben herab im Lichtbogen-Schweißverfahren angeheftet haben. Dieser Ablauf wiederholt sich im fliegenden Wechsel mit dem zweiten Positionierungsroboter und je nach Endprodukt bis zu 200 Mal. „Jede Roboterbewegung musste dabei in Abhängigkeit zu den drei anderen Robotern, den aktuell ausgefahrenen Schubladen und den gemeinsam genutzten Achsen betrachtet werden. Es gibt dabei hunderte, wenn nicht tausende mögliche Kombinationen, bei denen die Roboter miteinander kollidieren könnten“, führt der Teamleiter aus und gibt einen weiteren großen Knackpunkt zu bedenken: „Die Endprodukte entstehen in 20 verschiedenen Ausführungen. Die Unterschiede in Form, Gewicht und Größe sind bei Werkstücken wie auch Bauteilen teils enorm.“

Buchtipp

Das Buch Industrieroboter ist ein Handbuch für KMU mit Tipps und Tricks zum Thema Robotereinsatz. Es werden die wichtigsten Grundlagen der Robotertechnik vermittelt und Methoden erläutert, wie bewertet werden kann, ob sich ein Produkt oder Prozess durch Robotereinsatz automatisieren lässt.

Diese Problematik galt es, über sogenannte Rezepte zu regeln. Rezepte sind kleine Programme, die aus verschiedenen Excel-Tabellen heraus generiert werden und den Heftprozess in den verschiedenen Konstellationen vorsehen. Auch die geometrischen Orte, an denen die Bauteile von den Robotern angebracht werden, und die jeweilige Verdrehung um die Achsen werden mit diesen Rezepten bestimmt. „Durch geschickte Rezeptgenerierung und Ablaufoptimierung ist es uns sogar gelungen, die geforderte Taktzeit um 30 bis 40 Prozent zu unterbieten“, erzählt Retzlaff. Neben den rund 180.000 Zeilen Programmcode, die allein für die vier Roboter geschrieben wurden, waren noch eine Vielzahl anderer Faktoren für die Steuerung und Programmierung der gesamten Anlage relevant: „Das fängt an bei der Verarbeitung der Laserscanner-Daten und hört auf bei der Kommunikation mit dem Firmennetzwerk.“

Bis das Zusammenspiel aller Komponenten reibungslos funktionierte, sollte ein gutes Dreivierteljahr vergehen – eine relativ kurze Zeitspanne angesichts der komplexen Aufgabenstellung. Möglich gemacht hat dies ein Digital Twin. An dieser virtuellen Kopie der Anlage konnten Programmierarbeiten direkt vom Schreibtisch aus vorgenommen und getestet werden. Das sparte eine Menge Zeit und machte den Aufwand besser planbar.

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