Frauen im Ingenieurberuf „Es ist nicht leicht gehört zu werden“
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Je höher das Management-Level desto weniger Frauen sind vertreten. Damit Ingenieurinnen ihren Karriereweg gehen können, ohne von einer gläsernen Decke gestoppt zu werden, hat der VDI mit dem „VDI-WoMentorING“ ein Mentoringprogramm von und für Ingenieurinnen ins Leben gerufen. Eine Mentee und eine Mentorin teilen im Interview ihre Erfahrungen.

Was hat Sie dazu bewegt bei dem VDI-WoMentorING mitzumachen?
Carolin Jansen: Ich bin im sechsten Berufsjahr nach Ende des Studiums. Mir war wichtig, neben meinen Kollegen noch einen zusätzlichen Austausch zu haben. Damit ich objektiv meine tägliche Arbeit hinterfragen kann. Zum Beispiel wie ich an bestimmte Problemstellungen herangehe. Das VDI-WoMentorING hat mich besonders angesprochen. Hier habe ich eine Ansprechpartnerin, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat, wie ich.
Burghilde Wieneke-Toutaoui: Bei mir ist das ähnlich. Nur, dass ich nicht am Anfang meiner Karriere stehe. Ich war mein Berufsleben lang begeistert von produktionstechnischen Lösungen und Professorin im Bereich der Ingenieurwissenschaften. Heute bin ich pensioniert. Und ich habe immer gerade bei jungen Frauen für den herausfordernden Ingenieurberuf geworben. Daher engagiere ich mich auch in mehreren Mentoringprogrammen. Als im VDI-WoMentorING ein Platz frei wurde, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Es hilft mir am Puls der Zeit zu bleiben. Ich habe Spaß daran, die Mentees bei ihrer Entscheidungsfindung zu begleiten und zu sehen, welche vielseitigen Aufgabengebiete sie haben. Und ich wollte sehen, wie sich die Situation für Ingenieurinnen geändert hat. Leider muss ich sagen, dass sich in den vergangenen 40 Jahren wenig getan hat.
Hilft es eine Gesprächspartnerin zu haben, um bestimmte Probleme zu verstehen und Lösungen zu finden?
Jansen: In den Austausch zu gehen ist immer wichtig, um nicht mit Scheuklappen durch die Gegend zu laufen. Dabei eine Ansprechpartnerin zu haben, die außerhalb meines täglichen Alltages auf meine Herausforderungen schaut und durch Ihre eigene Arbeit als Ingenieurin bereits Erfahrungen einbringen kann, ist toll. Wenn ich mit Kollegen über die Herausforderungen und Probleme im Berufsalltag spreche, habe ich eher das Gefühl, gewertet zu werden. Das habe ich bei dem Mentoring nicht. Hier bekomme ich Tipps und Einschätzungen wertungsfrei und objektiv. Komplett auf Augenhöhe. So kann ich selbstreflektiert zu einer Lösung kommen.
Wieneke-Toutaoui: Das funktioniert auch nur außerhalb der Firma und außerhalb der Hierarchie. Deshalb sind bei uns Mentee und Mentorin nicht aus dem gleichen Unternehmen. Das hat auch den Vorteil, das die Mentees andere Blickwinkel bekommen. Mentoren können im Laufe der Zeit betriebsblind werden. Aber Mentoren aus anderen Firmen, in denen Dinge anders laufen, können neue Impulse für neue Ideen geben.
Jansen: Auch die Firmengröße ist für die Herangehensweise interessant. In Konzernstrukturen laufen Dinge doch ganz anders als beispielsweise in mittelständischen Unternehmen. Für verschiedene Situationen haben Konzernstrukturen Vorteile und sind hilfreich. Genauso gibt es aber auch viele Vorteile von Strukturen eines kleineren Unternehmens.
Haben Sie ein Beispiel?
Jansen: Direkt nach meinem Studium habe ich in einem Konzern gearbeitet. Heute bin ich in einem mittelständischen Unternehmen tätig. Bei unseren Besprechungen sitzt in den meisten Fällen der Geschäftsführer mit am Tisch. Hier sind die Hierarchieebenen ganz andere als in einem Konzern, wo ich erst meinem Teamleiter über mein Vorhaben berichten und dieser sich dann wahrscheinlich das Ok seines Vorgesetzten einholen müsste. Bei uns sind die Entscheidungswege wesentlich kürzer. Man kann sich direkt an den Entscheider wenden, muss sich aber auch anders für die Aufgabe verantworten und Vorschläge und Ergebnisse anders präsentieren.
Mich in der Werkstattsituation zu behaupten und die praktischen Hintergründe zum Drehen, Fräsen, Schweißen, etc. zu erlernen, hat mir nachhaltig geholfen.
Was hilft Ihnen dabei solche Situationen zu meistern?
Jansen: Allgemein ist der gesamte Ausbildungs-, Studien- und Berufsweg das „Handwerkszeug“ um solche und andere Herausforderungen zu meistern. Beispielsweise habe ich vor meinem Studium eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin gemacht. Dafür war ich in einer Lehrwerkstatt bei Thyssenkrupp. Ich war unter den vielen Azubis neben einer weiteren Auszubildenden die einzige Frau. Mich dort in der Werkstattsituation zu behaupten und die praktischen Hintergründe zum Drehen, Fräsen, Schweißen, etc. zu erlernen, hat mir nachhaltig geholfen.
Wieneke-Toutaoui: Wichtig ist aus meiner Sicht immer, eine Situation analysieren zu können und sich Verbündete zu suchen. Das ist etwas, was sich im Studium weniger üben lässt; dabei helfen auch die Gespräche mit den Mentorinnen und die Workshops im VDI-WoMentorING.
Frau Wieneke-Toutaoui, welche Erfahrungen haben Sie als junge Ingenieurin häufig machen müssen?
Wieneke-Toutaoui: Wenn man die einzige Frau am Tisch ist, ist es nicht leicht gehört zu werden. Ich habe das oft erlebt: Ich bringe meinen Vorschlag vor, aber keiner reagiert darauf. Zehn Minuten später schlägt ein Kollege genau das Gleiche vor und es wird aufgenommen und diskutiert. Zudem bin ich oft gefragt worden, warum ich als Frau Maschinenbau studiert habe. Insgesamt habe ich festgestellt, dass Humor, Schlagfertigkeit und klare Zielvorstellungen helfen können.
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Entgelttransparenz
Nur wenige Frauen fragen nach Verdienst ihrer männlichen Kollegen
Ist das heute immer noch so?
Wieneke-Toutaoui: Ich habe eine Mentee, die in einem Forschungsinstitut arbeitet. Ganz ähnlich, wie ich meine Laufbahn begonnen habe. Es ist immer noch nicht einfach, aber heute gibt es mehr Möglichkeiten, darüber zu offen zu sprechen. Und obwohl sich der Frauenanteil erhöht hat, sind die Entscheidungsträger immer noch Männer.
Inwieweit hilft da das VDI-WoMentorING?
Wieneke-Toutaoui: Zusätzlich zu dem direkten Austausch mit der Mentorin bieten wir regelmäßig Workshops an, die solche Themen aufgreifen. Vor Kurzem hat zum Beispiel ein Workshop über hierarchische Kommunikationsformen stattgefunden. Auch wenn wir diese Hierarchien nicht mögen müssen, sollten wir doch lernen, diese zu erkennen und zu nutzen.
Jansen: In diesem Workshop habe ich oft gedacht: Wow, das trifft es genau. Ich mache diese Dinge tagtäglich – beruflich wie auch privat. Mir ist bewusst geworden, dass ich als Frau anders kommuniziere und dass das oft in der hierarchischen Kommunikation nicht zum Erfolg führt. Dabei ist mir klar geworden, dass ich in diesem Punkt noch einiges zu lernen habe.
Ich glaube nicht, dass Männer und Frauen total anders agieren, wenn wir in Führungspositionen sind.
Bestimmt nicht nur die weibliche Geschlechterrolle, wie wir kommunizieren, sondern auch die Führungsrolle?
Wieneke-Toutaoui: Ich glaube nicht, dass Männer und Frauen total anders agieren, wenn wir in Führungspositionen sind. Ich war acht Jahre Vize-Präsidentin einer Hochschule und habe danach eine weitere Hochschule geleitet. Ich habe gelernt, dass einige Dinge wirklich übernommen werden müssen. Man muss sich seiner Funktion klar sein. Ich war diejenige, die schlussendlich entscheidet. Aber ich war in dieser Position schon frei zu gestalten. Etwa auf welcher Basis ich meine Entscheidungen treffe. Wie vielen Menschen ich zuhöre und wie ich ihnen zuhöre.
Wie kann man Ihrer Meinung nach das eigene Führungsverhalten weiterentwickeln?
Wieneke-Toutaoui: Es lohnt sich, entsprechende Seminare, vor allem solche mit praktischen Übungen und Feedback, zu besuchen. Und, ohne Scherz: Wenn die Person – egal ob Mutter oder Vater – Kinder hat und sich intensiv mit ihnen beschäftigt, hat das Einfluss auf das Führungsverhalten. Denn dabei lässt sich viel in Sachen Führung lernen. Was auch hilft, Führungsqualitäten zu entwickeln, ist das Ehrenamt. Man lernt Menschen zu motivieren. Denn hier muss ich die Menschen wirklich überzeugen. Während ich in der Industrie auf einen Vertrag und monetäre Anreize setzen kann.
Frau Jansen, was hat Sie im Mentoringprogramm besonders geprägt?
Jansen: Der Workshop zu Lebensvisionen. Ich hatte mich vorher noch nie mit diesem Thema beschäftigt. Es war ein Schlüsselmoment zu erkennen, dass ich eine Lebensvision haben möchte und dass ich diese auch erreichen kann und will. Außerdem kann ich im Rahmen des Mentoringprogramms aktiv ein Netzwerk aufbauen, Erfahrungen sammeln und austauschen.
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Wissensmanagement
Wie bleibt das Fachwissen in der Konstruktionsabteilung?
Was nehmen Sie konkret aus mit Netzwerk mit?
Jansen: Ich habe kürzlich eine andere Mentee auf der Automatica in München getroffen. Ich habe sie an ihrem Stand gesehen und beobachtet, dass sie voll in ihrem Element war. Sie hat voller Elan ihr Projekt vorgestellt. Das fand ich sehr beeindruckend und inspirierend.
Was tauschen Sie gemeinsam mit den anderen Mentees aus?
Jansen: Das sind schon sehr persönliche Dinge. Zum Beispiel kann ich mit den Frauen über meine Lebensentwürfe sprechen, die ich aufgrund des Workshops entwickelt habe. Die Mentees kennen daher Ideen, über die ich noch nicht einmal mit engen Freunden gesprochen habe. Es gibt da eine besondere Verbundenheit.
Wieneke-Toutaoui: Das kann zum Teil auch daran liegen, dass Ingenieurinnen aufgrund ihres Studiums eine bestimmte Art des Denkens und Problemlösens gelernt haben. Im Privaten denken und diskutieren nicht unbedingt alle so. Das kann schon mal zu Problemen führen. Da in unserem Programm aber Mentees und Mentorinnen Ingenieurinnen sind, erleichtert das den Austausch. Die Gespräche sind bei aller gegenseitigen Empathie sehr lösungsorientiert. (wüh)
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