Materialforschung Forscher entwickeln künstlichen Elastomer-Regenwurm

Redakteur: Peter Königsreuther |

Forscher am INM haben untersucht, warum Regenwürmer immer sauber sind und auf ihrer Körperoberfläche Mikroben kaum eine Chance haben. Ein künstlicher Wurm aus weichem Elastomer mit Silikonölfüllung soll das jetzt auch können.

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Regenwürmer sind immer sauber, selbst wenn sie aus noch so feuchter, klebriger Erde kommen – das soll der künstliche Wurm auch können.
Regenwürmer sind immer sauber, selbst wenn sie aus noch so feuchter, klebriger Erde kommen – das soll der künstliche Wurm auch können.
(Bild: INM/Iris Maurer)

Regenwürmer sind immer sauber, selbst wenn sie aus noch so feuchter, klebriger Erde kommen, sagen die INM-Forscher. Das haben sie einer schmutzabweisenden, das Gleiten fördernden Schmierschicht zu verdanken, die sich auf ihrer Haut immer wieder selbst bildet. Die Forscher vom INM haben dieses System nun, wie es heißt, aus der Natur künstlich nachgebaut, indem sie ein Material mit einer Oberflächenstruktur entwickelten, die sich selbst und immer dann mit Schmiermittel versorgt, wenn auf sie Druck ausgeübt wird.

Weil das so geschmierte Material reibungsmindernd sei und wie beim Original auch das Aufwachsen von Mikroben verhindere, könnten sich die Wissenschaftler zahlreiche Anwendungen in der Industrie und Biomedizin vorstellen. Ihre Ergebnisse publizierten die Wissenschaftler vor Kurzem in der Fachzeitschrift Advanced Materials, heißt es weiter.

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Ein Kunststoffmaterial mit reversiblem Schmiereffekt

Das besagte Material wurde aus einem weichen Kunststoff entwickelt, in dessen Innerem sich Tröpfchen aus Silikonöl als Schmiermittel befinden, so die Forscher. „Wenn wir Druck auf das Material geben, verändern die Tröpfchen ihre Form und wandern an die Oberfläche. Das Silikonöl verteilt sich dann gleichmäßig auf der Oberfläche zu einer wasser- und schmutzabweisenden Gleitschicht“, erklärt Jiaxi Cui, Leiter der Forschungsgruppe Schaltbare Mikrofluidik. Lässt der Druck nach, bilden sich die Tröpfchen wieder zurück. Außerdem ließe sich die Gleitschicht auch entfernen und bilde sich immer wieder neu, wenn wieder Druck auf das Material einwirkt. „Es reagiert also dynamisch auf Druck – wie ein ‚atmendes‘ System“, merkt Cui an.

Raue Oberfläche hält Schmierung besser fest

Die Oberflächenstruktur des neuen Materials spiele ebenfalls eine wichtige Rolle: „Auch in diesem Punkt haben wir uns vom Regenwurm inspirieren lassen. Seine Hautoberfläche ist nicht glatt, sondern rau. Das haben wir bei unserem Material berücksichtigt und die Oberfläche dementsprechend gestaltet“, erläutert Cui. Besonders durch diese Rauigkeit könne sich ein gleichmäßiger Schmierfilm ausbilden und gut haften bleiben. Davon hänge ab, wie reibungsmindernd das neue Material wirke.

Die Oberflächenstruktur sei aber auch für die Langlebigkeit der Schmierwirkung von Bedeutung: „Wir haben den Gleitfilm auf unseren ‚Regenwurmstrukturen‘ mit einem Gleitfilm auf einer glatten Oberfläche verglichen und heraus gefunden, dass unsere Strukturen über 10.000 Reibungszyklen überstehen, während es bei Gleitfilmen auf glatten Strukturen nur 300 Reibungszyklen sind“, betont der Chemiker. Speziell diese Kombination aus rauer Oberfläche und Schmiermitteltröpfchen im Inneren sei das Besondere an dieser bionischen Wurmidee aus Polymeren und Silikonöl.

Reibungsminderung klappt erstmals in fester Umgebung

Zwar gibt es schon einige Strukturen, die die Reibung vermindern, heißt es weiter, darunter auch solche, die der Funktionsweise von Tierhäuten nachempfunden sind. Auch Systeme, die selbst Schmierstoffe freisetzen, seien von Forschern untersucht worden. Sie alle funktionieren laut Cui aber bisher nur in flüssiger Umgebung.

BUCHTIPP Mit bionischen Verfahren lassen sich Bauteile so gestalten, dass sie mit minimalem Aufwand ihre strukturmechanischen Funktionen erfüllen. Das Praxishandbuch „Bionik in der Strukturoptimierung“ ist ein Nachschlagewerk für ressourceneffizienten Leichtbau für Konstrukteure, Entwickler und Studierende.

„Wir stellen erstmals eine Anwendung vor, die die Reibung in fester Umgebung verringert und haben uns dafür vom Regenwurm inspirieren lassen, da er auch durch eine feste Umgebung, Erde, gleitet“, betont Cui. Die Forscher können sich zahlreiche Anwendungen in der Industrie oder Biomedizin vorstellen, nämlich immer dann, wenn ein Gerät reibungslos durch etwas Festes gleiten soll.

Hier geht's zur Original-Publikation.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserem Partnerportal Maschinenmarkt.de.

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