Automatisierung Erntemaschine holt Spargel vollautomatisch aus der Erde
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Das niederländische Start-up AvL Motion hat einen vollautonomen, selektiv arbeitenden Ernteroboter für weißen Spargel vorgestellt. Das Hightech-Gefähr ist vollgepackt mit fein abgestimmter Sensor- und Steuerungstechnik.

Da freuen sich die Feinschmecker: Frühlingszeit ist Spargelzeit. Kaum ein anderes Saisongemüse genießt größere Beliebtheit unter Restaurantgästen und Supermarktkunden. Allein in Deutschland wurden 2019 etwa 122.000 Tonnen Spargel geerntet – die Bundesrepublik ist mit einer Anbaufläche von mehr als 22.000 Hektar größter Erzeuger in Europa.
Mangel an qualifizierten Erntehelfern
Bevor das Gemüse frisch auf den Tisch kommt, muss es in der Regel in mühsamer Handarbeit aus der Erde geholt werden. Im Frühjahr 2020 machte das Corona-Virus den Spargelbauern fast einen Strich durch die Rechnung: Nur mit besonderen Auflagen für die Erntehelfer durften die Stangen vom Feld geholt werden. Doch bereits in den vergangenen Jahren fiel es den Betrieben zunehmend schwerer, ausreichend Saisonarbeiter zu finden. Diese Situation nahm das niederländische Ingenieurbüro AvL Motion zum Anlass, in die Entwicklung einer maschinellen Lösung zur Ernte von weißem Spargel einzusteigen. Nun, etwa drei Jahre später, präsentierte das Start-up aus Noord-Brabant den weltweit ersten vollautonomen, selektiv arbeitenden Ernteroboter. Entstanden ist ein Hightech-Prototyp mit fein abgestimmter Sensor- und Steuerungstechnik, der bereits in der kommenden Saison zum Einsatz kommen kann.
Spargel ist ein sensibles Gewächs
Firmengründer Arno van Lankveld ist auf einem Spargelhof aufgewachsen und kennt daher die großen Herausforderungen bei der Spargelernte: „Eine Spargelpflanze bildet mehrere Sprossen aus, die in verschiedene Richtungen wachsen können. Das erschwert den Prozess.“ Üblicherweise werden nur Stangen abgeschnitten und gezogen, deren Köpfe die Erde durchbrochen haben – die übrigen Sprossen bleiben vorerst in den Dämmen, um unter der schwarz-weißen Wendefolie zu reifen.
Für die richtige Auswahl einer marktfertigen Spargelstange war bislang das menschliche Auge nötig. Erntemaschinen konnten entweder nur gleichzeitig alle Sprossen auf derselben Höhe abschneiden oder waren schlichtweg zu langsam. Dem begegnet AvL Motion jetzt mit einem Roboter, der bei konstanter Fahrt mit bis zu 3,6 km/h selbstständig Spargelköpfe erkennt, die Stangen gekürzt aus der Erde zieht und sie über ein Förderband abtransportiert. Lediglich eine Arbeitskraft erfordere der Vorgang; diese müsse das Gemüse auf einer Ladefläche in Kisten sortieren, die Maschine am Ende einer Reihe per Fernsteuerung wenden und die Folienabdeckung in den Abwickler der Maschine einlegen. „Bauern können ihren Mitarbeiterbedarf damit um 83 Prozent reduzieren“, schätzt van Lankveld.
Pioniergeist gefragt
Um einen solch komplexen Vorgang zu automatisieren, war neben dem Pioniergeist der sieben Mitarbeiter vor allem passende Technik gefragt. Als ein Ultraschallsensor in der Praxis Probleme verursachte, fand Elektroingenieur und Software-Entwickler Jordi Hutjens eine Alternativlösung über das Modell RU40U von Turck. AvL Motion verwendet nun zwei der Ultraschallsensoren mit IO-Link, um die Distanz zwischen Beet und dem pneumatisch regulierbaren Innenrahmen der Maschine zu messen. Trotz teilweise staubigem oder regennassem Untergrund ermöglicht der Sensor eine stabile Bestimmung der Höhe, die Anwender auf einem HMI vorgeben können. „Turck hat uns mit sehr guter Qualität und einer schnellen Lieferung überzeugt. Deswegen sind wir auch für andere Komponenten bei dem Hersteller geblieben“, sagt AvL-Geschäftsführer van Lankveld.
Auf Unkraut schlecht zu sprechen
Der Ernteprozess des AvL Compact S1560 läuft hoch-dynamisch. Ist die Maschine einmal positioniert und in Bewegung gesetzt, beginnt zunächst das Absuchen der Erdoberfläche. Wo genau ein Spargelkopf herausragt, erfährt die Hauptsteuerung von Lasersensoren, ergänzt durch ein weiteres optisches Verfahren. Einzelheiten bleiben wohlgehütetes Geheimnis der Erfinder; einzige Voraussetzung sei ein unkrautfreier Boden. Entlang eines Rundlaufs bewegt sich derweil im Inneren des Roboters eine variable Anzahl von Erntemodulen, derzeit sind es zwölf der etwa 25 Zentimeter hohen Kassetten. Sie sind an die Fahrgeschwindigkeit angepasst und beherrschen den gesamten Vorgang aus Stechen, Schneiden und Greifen.
Feinabstimmung zwischen Target und Erntemodul
Zur Feinabstimmung des Erntevorgangs benötigt die Steuerung nicht nur die Koordinaten der anvisierten Spargelstangen, sondern auch permanent Informationen über Position sowie Bewegung der Module. Dies beginnt mit der Abfrage, wie viele Kassetten sich momentan im Puffer befinden, dort also in Parkposition stehen und bei der Detektion einer Spargelsprosse in den Rundlauf geschickt werden können. AvL nutzt dafür die winzigen induktiven Sensoren BI3-M08K. Die genaue Identifikation der Erntemodule erfolgt über RFID – mit Hilfe des HF-Schreib-Lese-Kopfs TN-Q14, der jeweils den individuellen Code einer Kassette ausliest.
Synchronisierung erfordert vielschichtige Vorbereitung
Hinzu kommt eine Positionsbestimmung durch Drehgeber. „Der Encoder dreht im Pufferbereich mit. Darüber können wir sehen, dass sich eine Kassette zum Beispiel an Millimeter 20 oder 30 befindet“, erklärt AvL-Entwickler Hutjens. Wird dann der Rundlauf eines Erntemoduls gestartet, passiert dieses einen Uprox-Näherungsschalter vom Typ NI10U-M12, der in der SPS den Timer für einen Ernteprozess in Gang setzt. Eine solch vielschichtige Vorbereitung ist nötig, um bei voller Fahrt der Maschine die Bewegung der Kassetten zu synchronisieren.
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Sensor
Wie Sensoren funktionieren und wo sie eingesetzt werden
Da Spargelstangen nicht in Reih und Glied wachsen, können sich die Erntemodule zusätzlich zum Rundlauf auch nach links und rechts bewegen. Dies geschieht über Druckluft und daher stets wenige Zehntelsekunden verzögert. Damit sich die Kassetten dennoch präzise ausrichten, erhält die SPS Informationen über den Abstand zwischen Ausgangs- und Zielposition der Module, gemessen mit LE550-Lasersensoren von Turcks Optoelektronik-Partner Banner Engineering.
Wendemanöver per Joystick
Einfluss auf die Geschwindigkeit und die hydrostatische Lenkung der Erntemaschine haben Bediener über ein externes Steuermodul. Zwei Turck-Encoder messen die Radumdrehungen; das Erfassen der Radpositionen löst AvL über eine induktive Linearwegmessung. Der Positionsgeber des Sensors LI500-Q25 ist dafür mit dem Kolben des Lenkzylinders gekoppelt. So berechnet die Hauptsteuerung über nur einen Wert die Winkel beider Räder – und Bediener können die Maschine komfortabel per Joystick wenden. Anders als bei Wettbewerbsmodellen müssen Landwirte den AvL Compact S1560 dazu nicht an einen Traktor hängen.
Sowohl bei den LE550-Lasersensoren als auch bei den RU40U-Ultraschallsensoren haben sich die AvL-Ingenieure für IO-Link-Kommunikation entschieden. Die Schnittstelle liefert im Datenaustausch zusätzliche Informationen und vereinfacht zudem das Parametrieren der Sensoren. Über Turcks kompaktes I/O-Modul TBEN-S2-4IOL werden die IO-Link-Signale im Schalt-kasten schnell an die SPS weitergeleitet. Die Kommu-nikation zur Steuerung läuft über Profinet.
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Farming 4.0
Der digitale Landwirt
Zukunft ohne Mitarbeiterkontrolle denkbar
AvL Motion teilt die Gefühlswelt vieler Gründer – ausgehend von einer zu lösenden Kundenanforderung, bis hin zum Erwartungsdruck, rechtzeitig ein funktionstüchtiges Endprodukt zu präsentieren. Rechtzeitig bedeutet für AvL: zur Spargelsaison. Nach Monaten des Tüftelns hat das Ingenieurbüro nun die erste Erntemaschine ausgeliefert, an den Betrieb Neessen B.V. in der Umgebung von Venlo.
In Zukunft komme der Roboter, so Firmenchef Arno van Lankveld, womöglich komplett ohne Mitarbeiterkontrolle aus. „Für den Moment geben wir erst einmal unsere Antwort darauf, was Spargelbauern akut benötigen“.
* Ronald Heijnemans ist Vertriebsspezialist bei Turck B.V. in den Niederlanden
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