Digital Engineering Ein Update für die Produktentwicklung

Von Stefanie Michel

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Die Zukunft der Konstruktion und des Engineerings liegen in der Cloud – so sieht das zumindest der Softwareanbieter Autodesk. Doch der wahre Grund dafür ist nicht die Kollaboration, sondern die Automatisierung in der Produktentwicklung. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Konstrukteure und Entwickler.

Autodesk bündelt seine Tools für den Produktentstehungsprozess in der Cloud, sodass nahtlos unterschiedliche Systeme genutzt werden können.
Autodesk bündelt seine Tools für den Produktentstehungsprozess in der Cloud, sodass nahtlos unterschiedliche Systeme genutzt werden können.
(Bild: peopleimages.com, alexlmx - stock.adobe.com; [M] VCG)

Auf der großen Leinwand tauchten wir ein in traumhafte Landschaften, erlebten fantastische Figuren und Massenszenen. Alles erschien real und dennoch aus einer anderen Welt. Was Eric Iverson, Head for Production Strategy bei den Amazon Studios, den Besuchern der Autodesk University 2022 in New Orleans zeigte, war eindrucksvoll.

Fantastische Welten – erstellt über die Cloud: Eric Iverson von den Amazon Studios zeigt, dass die Herausforderungen in der Filmindustrie denen der Fertigungsindustrie manchmal ähneln.
Fantastische Welten – erstellt über die Cloud: Eric Iverson von den Amazon Studios zeigt, dass die Herausforderungen in der Filmindustrie denen der Fertigungsindustrie manchmal ähneln.
(Bild: Stefanie Michel)

Er setzt auf cloudbasierte Autodesk-Software, weil auch Filmproduktionen immer komplexer werden: Man arbeitet mit mehr und mehr Tools, muss mehr Ausgabekanäle bedienen, unterschiedlichste Bedürfnisse erfüllen, unterschiedlichste Märkte erreichen und mit vielen Menschen am besten rund um die Uhr zusammenarbeiten. Darauf müssen sich Filmstudios einstellen und global vernetzt sein – vor allem seit Corona. Das Ergebnis solcher Zusammenarbeit demonstrierten schließlich Ausschnitte aus der neuen Amazon-Serie „Herr der Ringe“.

Cloud macht Daten verfügbar

Ein Film erzeugt Tausende Daten – wahrscheinlich noch viel mehr, als in einer Fertigung im gleichen Zeitraum anfallen. Und diese Daten müssen schnell und sicher gespeichert werden, aber gleichzeitig auch allen am Prozess beteiligten Personen zur Verfügung stehen. Dafür stellt Autodesk nun drei separate Industry Clouds bereit:

  • Autodesk Flow für Media und Entertainment (vereint „on-set-production“ mit post-production);
  • Autodesk Forma für Architektur und Bauwesen;
  • Autodesk Fusion für Konstruktion und Fertigungsindustrie.

Andrew Anagnost, CEO von Autodesk, stellt die drei Industry Clouds vor: Autodesk Flow, Autodesk Forma und Autodesk Fusion.
Andrew Anagnost, CEO von Autodesk, stellt die drei Industry Clouds vor: Autodesk Flow, Autodesk Forma und Autodesk Fusion.
(Bild: Stefanie Michel)

Diese Clouds sollen für alle Industrien die Daten im ganzen Unternehmen verfügbar machen. Denn eines ist sicher: Man muss Wege finden, um die relevanten Daten zur Verfügung zu stellen – ganz egal, wer mit wem zusammenarbeitet.

Jede der Industry Clouds wird ihr eigenes Modell erzeugen – sei es ein Building Information Model in der Architektur oder ein Product Information Model für die Fertigung – und passende Bibliotheken bereitstellen. Für die Fertigungsindustrie können das Bibliotheken zu Werkzeugen, Elektronik oder Standardkomponenten sein.

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Wir hatten verstanden, dass die Hauptprobleme der Kunden nicht in der funktionalen Leistung der einzelnen Aufgabenbereiche lagen.

Stephen Hooper, Vice President Design & Manufacturing Cloud Solutions bei Autodesk

„Industry Cloud“ bündelt Prozesse entlang des Produktlebenszyklus

Autodesk war mit seinen Softwaresystemen ein Vorreiter bei der Nutzung der Cloud. Man hat bereits vor Jahren Subscription-Modelle eingeführt und sich damit von den klassischen Softwarelizenzen verabschiedet. Mit Fusion 360 steht inzwischen ein leistungsfähiges, cloudbasiertes CAx-System für die Fertigungsindustrie zur Verfügung. Jetzt geht der Softwarehersteller einen Schritt weiter, indem man den Anwendern eine komplette „Industry Cloud“ bereitstellt, die den gesamten Projektlebenszyklus abdeckt. „Die Cloudstrategie für Autodesk Fusion begann etwa vor fünf Jahren", berichtet Stephen Hooper, Vice President Design & Manufacturing Cloud Solutions bei Autodesk. „Wir hatten verstanden, dass die Hauptprobleme der Kunden nicht in der funktionalen Leistung der einzelnen Aufgabenbereiche lagen. Vielmehr ging es um die Frage einer besseren Integration im gesamten Unternehmen."

Bisher hat sich auch Autodesk darauf fokussiert, Tools für bestimmte Aufgaben bereitzustellen, wie Inventor für das Erstellen von 3D-CAD-Modellen oder Power Mill für CAM. In jedem dieser Prozesse werden Daten erzeugt, die wiederum nur in dieser Anwendung gelesen und verwendet werden (können). Vielleicht werden tatsächlich auch Daten unterschiedlicher Systeme und Hersteller im Unternehmen versandt und gelesen, aber von Integration und Kollaboration ist man in vielen Unternehmen meist weit entfernt. Dieses Problem sollen die Industry Clouds beheben, wie Hooper erklärt. Dort sollen alle Informationen liegen: statt einer CAD- oder Simulationsdatei ist hier ein komplettes Cloud- modell vorhanden – und zwar immer mit den aktuellen Daten.

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Datenbasis des Produkts ist das Cloudmodell

So soll es eine einzige Instanz im Unternehmen geben, in der die „single source of truth“, also die Datenbasis für alle Produktinformationen, liegt: die Fertigungscloud. Hier liegt dann nicht nur die Geometrie des Produkts; auch die Fertigungsinformationen oder die Elektrokonstruktion findet man hier. Diese Informationen beziehungsweise dieses Cloudmodell ist offen und kann auch von anderen Partnern gelesen und verändert werden.

Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist laut Hooper, dass man auf Basis all der integrierten Produkte als Administrator Nutzern bestimmte Personas und nicht Aufgaben zuweisen kann. „Als Ingenieur kann ich im Grunde das Design entwerfen, ich kann an der Formgebung arbeiten, mich um die Technik und Elektronik kümmern und einen Prototyp mit den Fertigungsanweisungen erstellen. Und das mache ich in einer einzigen Umgebung, muss also keine unterschiedlichen Anwendungen verwenden und sie alle lernen“, erklärt Hooper. Im Hintergrund greifen natürlich alle Tools, die der Ingenieur einsetzt, auf die gemeinsame, cloudbasierte Datenplattform zurück. Doch vom konzeptionellen Entwurf bis hin zur Fertigung liefert die Industry Cloud eine durchgängige User Experience.

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Automatisierung ist der wahre Nutzen der Cloud

Und gerade diese gemeinsame Datenplattform eröffnet ein noch größeres Potenzial – und dabei geht es nicht nur um kollaborative Produktentwicklung. Viel wichtiger ist für Autodesk die Automatisierung von nicht wertschöpfender Arbeit. „Die wahre Stärke der Cloud ist nicht nur Kollaboration, über die jeder spricht. Die wahre Stärke ist die Möglichkeit, Prozesse im Sinne des Nutzers zu automatisieren“, betont Hooper. Das gilt vor allem für Routineaufgaben, die zeitaufwendig sind.

  • Ein Beispiel sind technische Zeichnungen für die Dokumentation: Anhand des 3D-Modells müssen hierfür orthogonale Ansichten erstellt und Abmessungen eingezeichnet werden. Das meiste davon wird durch Normen geregelt. Diese lassen sich in Regeln fassen, sodass solche Prozesse automatisiert im Hintergrund ablaufen, während der Ingenieur weiter gestalterisch arbeiten kann.
  • Auch die Erstellung von Konstruktionsvarianten lässt sich automatisieren, indem Parameter und Abhängigkeiten ein Mal definiert werden, um sie für ähnliche Bauteile wiederzuverwenden.
  • Eine automatisiert erstellte Zeichnung kann zudem genauso aussehen wie bisherige Zeichnungen, die von einem Konstrukteur erstellt wurden. Das schafft ein Machine-Learning-Algorithmus, der Tausende Dokumente und Zeichnungen des Konstrukteurs durchsucht. Hooper konkretisiert: „Wir können all diese Dokumente durchforsten und uns ansehen, wie die Maßtoleranzen, die Bezeichnungen und Umrandungen aussehen und wie der allgemeine Stil des Unternehmens ist: Bevorzugen sie isometrische Maße? Wie definieren sie ihre geometrischen Toleranzen? Und wie sehen ihre Stücklisten aus?“

Hooper sieht in der Konstruktionsautomatisierung den wichtigsten Trend für die nächsten fünf bis zehn Jahre.

Inventor ist offen zur „Fusion-Welt“

Heute hat Inventor gerade in der Industrie die deutlich größere Verbreitung als das cloudbasierte CAD-System Fusion 360. Doch auch Inventor-Nutzer können ihre Daten in die Cloud bringen. So enthält die aktuelle Inventor-Version eine Symbolleiste für Fusion, um beispielsweise Inventor-Datensätze mit Fusion zu verbinden – etwa für eine Analyse zum Generative Design.

Werden die Daten über die Fusion-Cloud ausgetauscht, übernimmt Fusion 360 Änderungen, die in Inventor gemacht wurden, automatisch. Das ist auch das Ziel von Autodesk, wie Hooper betont: Fusion soll das Datenmanagement-Tool sein, das Inventor-Daten in der Cloud verwalten kann – während Vault als klassisches Produktdatenmanagement (PDM) weiterhin die Daten innerhalb des Unternehmens verwaltet. Doch auch Vault kann bereits mit der Cloud verknüpft werden, was zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten sinnvoll sein kann.

So wird deutlich, dass viele Funktionen aus Inventor sich über Fusion teilen lassen, sodass der Datenaustausch einfach wird. Dennoch werden Inventor und Vault weiterentwickelt. Im Zentrum der Entwicklungen steht jedoch stets, allen Beteiligten die Daten zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen – „from the topfloor to the shopfloor“. Dazu gehört sowohl die Durchlässigkeit der eigenen Software als auch die Offenheit, über APIs andere Software (zum Beispiel SAP) anzubinden.

Dieser Beitrag ist zunächst auf dem Portal unseres Schwestermagazins MM Maschinenmarkt erschienen.

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