Additive Fertigung Digitales Ökosystem reduziert Iterationen und Fehlerquote
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Dies ist die Geschichte eines kleinen Unternehmens, das es früh wagte, auf die additive Fertigung zu setzen – und damit bis heute erfolgreich ist. Ein Schlüssel zum Erfolg war ein digitales Ökosystem, mit dem die Entwicklungszeit von 3D-gedruckten Teilen um 50 Prozent gesenkt wurde.

Im Jahr 2005 dachte kaum ein Unternehmen daran, 3D-Druck für die Massenproduktion einzusetzen. Lima Corporate war eine Ausnahme. Der in Italien ansässige Orthopädie-Entwickler, der gerade erst begonnen hatte, Rapid-Prototyping-Technologien zu nutzen, konnte dabei noch nicht einmal das für seine Implantate benötigte Titan-Material nutzen und verwarf die Hälfte seiner Druckaufträge. Dennoch war das Unternehmen entschlossen, eine industrialisierte additive Fertigung (AM) aufzubauen. „Es war eine riskante Entscheidung“, räumt Michele Pressacco, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung (F&E) bei Lima Corporate, ein. „Finanziell gesehen machte die Herstellung von Teilen mit 3D-Druck keinen Sinn. Aber wir blickten viele Jahre in die Zukunft, und die einzige Möglichkeit, unsere Vision zu verwirklichen, bestand darin, sie mit allen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, zu verfolgen. Das ist der Charakter unseres Unternehmens.“
Es war eine riskante Entscheidung.
3D-gedruckte Gitterstrukturen verbessern Osteointegration
Für Lima Corporate gab es einen wichtigen Grund für den Einstieg in die industrialisierte AM. Ein großer Trend in der Orthopädie um 2005 war die Verwendung von Gitterstrukturen bei Gelenkersatz. Diese Metallstrukturen verbesserten die Osteointegration – also die Verbindung zwischen der Oberfläche eines Implantats und dem lebenden Knochen. Bevor die Industrie mit der Entwicklung von Metallen auf Gitterbasis begann, war – und ist auch heute noch – der Goldstandard in der Endoprothetik die Befestigung von Gelenken mit Zement.
„Bei der zementierten Endoprothetik ist die Fixierung des Implantats am Knochen zum Zeitpunkt Null, also am Tag der Implantation, am stärksten“, erklärt Pressacco. „Im Laufe der Jahre nimmt die Qualität der Verankerung ab. Bei der zementfreien Arthroplastik mit gitterbasierten Metallen ist die Fixierung zum Zeitpunkt Null am schwächsten; das Einwachsen des Knochens verstärkt sich dann im Laufe der Zeit.“
Die Lösung: eine proprietäre 3D-Struktur
Lima Corporate war nicht das einzige Unternehmen, das den Wert von gitterbasierten Metallen erkannte. Ein Konkurrent ging sogar so weit, ein Unternehmen zu kaufen, das ein poröses Metall auf Tantalbasis entwickelt hatte, wobei das Tantal noch auf ein Polymermaterial aufgebracht werden musste, um zu einem festen Material kombiniert werden zu können. Darin sah Lima Corporate seine Chance. „Wir hatten die Idee, poröses und festes Titan in einem einzigen Schritt durch 3D-Druck zusammenzubringen, ohne dass eine Beschichtung erforderlich ist“, sagt Pressacco. Um dies zu erreichen, erfand das Unternehmen 2007 mit Trabecular Titanium (TT) eine proprietäre 3D-Struktur, die mithilfe der AM-Technologie Powder Bed Fusion mit den massiven Teilen einer Prothese kombiniert werden kann.
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3D-Druck
Digitaler Zwilling verbessert Prothesenherstellung
3D-gedruckte Hüftpfanne revolutionierte die Endoprothetik-Branche
Das erste Teil, bei dem Lima Corporate im 3D-Druck TT einsetzte, war eine Hüftgelenkspfanne, die seit der Einführung im Jahr 2007 über 100.000 Mal gefertigt wurde. Eine Studie aus dem Jahr 2015 ergab, dass sich der durchschnittliche Harris Hip Score der Patienten mindestens fünf Jahre nach der Operation von 44,2 auf 95,9 auf einer 100-Punkte-Skala verbesserte. Der Erfolg der Hüftgelenkspfanne überzeugte Lima Corporate davon, dass sich mit TT auch andere Implantate in 3D drucken lassen. So ging das Unternehmen die zementfreie Knie-Totalendoprothese (TKA) an, wenngleich klar war, dass die Herausforderung schwieriger sein würde als bei der Hüftpfanne – die Implantation einer Hüftprothese ist unkomplizierter als die einer Knieprothese.
Ein Knieimplantat besteht aus drei Komponenten:
- Die Femurkomponente wird am unteren Oberschenkelknochen befestigt,
- eine Tibiaplatte verbindet sich mit dem oberen Schienbeinknochen und
- ein Polyethyleneinsatz befindet sich zwischen den beiden Komponenten.
Die Oberschenkelkomponente besteht aus massivem Metall, das durch Präzisionsbearbeitung hergestellt wird. Es ist die Tibiaplatte, bei der Lima Corporate erkannte, dass sie sich ideal für Trabecular Titanium eignen würde.
Um nach jeder Änderung einen Prototypen 3D-drucken zu können, mussten wir aus der CAD-Geometrie eine STL-Datei erstellen und diese in ein anderes Softwarepaket übertragen. Wenn es dann eine weitere Änderung gab, war es sehr schwierig, die facettierten STL-Dateien zu bearbeiten.
Um besser zu verstehen, wie die Gehbewegung Kräfte auf die Tibiaplatte überträgt, ging Lima Corporate eine Partnerschaft mit der Abteilung für Biomechanik des New Yorker Hospital for Special Surgery (HSS) ein. Im Rahmen einer Studie wurde die Knochendichte von Implantatpatienten in den USA und Italien untersucht. Im Rahmen dieser beiden Studien führte HSS Computerbelastungsanalysen zu den Kontaktpunktkonfigurationen durch, um zu einem Design zu gelangen, das zwei poröse TT-Zapfen, einen porösen anterioren Spike mit einer soliden Spitze und eine poröse Oberfläche unterhalb der Platte umfasst. „Es gab eine Vielzahl von Variablen. Das Designteam hat immer wieder Änderungen vorgenommen“, sagt Peter Sculco.
Dieser hohe Grad an Iteration brachte Bereiche ans Tageslicht, in denen der AM-Prozess von Lima Corporate verbessert werden musste. „Um nach jeder Änderung einen Prototypen 3D-drucken zu können, mussten wir aus der CAD-Geometrie eine STL-Datei erstellen und diese in ein anderes Softwarepaket übertragen. Wenn es dann eine weitere Änderung gab, war es sehr schwierig, die facettierten STL-Dateien zu bearbeiten,“ erklärt Pressacco. Die Arbeit mit einer digitalen Darstellung der TT-Gitterstruktur erschwerte die Konstruktion zusätzlich.
Digitale Diskontinuität durch Medienbruch in der PLM-Umgebung
Die Herausforderungen für Lima beschränkten sich nicht auf Zeitverzögerungen. So wurden beispielsweise STL-Dateien in einem gesonderten Tool bearbeitet, was zu einer, wie Riccardo Toninato, der AM-Manager bei Lima, es nennt, „digitalen Diskontinuität“ mit der PLM-Umgebung führte. Als langjährige Nutzer von NX- und Teamcenter-Software für die gesamte Entwicklung, mit Ausnahme der additiven Fertigung, war das Team einen integrierten, assoziativen digitalen Faden gewöhnt. Doch als der AM-Designprozess immer iterativer wurde, gab es Probleme mit der Versionskontrolle, dem Build-Handling und der Terminoptimierung für die Prototypenfertigung. Lima Corporate benötigte also eine neue Methode, um seine Tibiaplatte zu entwerfen.
Automatische Aktualisierung von Designänderungen
Das Unternehmen evaluierte NX AM, wie Teamcenter Teil des Xcelerator-Portfolios, im Jahr 2018 und wurde schnell zum Betatester. Der Einsatz von NX AM brachte unmittelbare Vorteile für die Entwicklung der Tibiaplatte.
- Das Team von Pressacco nutzte die Vorteile der NX-Konstruktionsoptimierung, um das Design weiter zu verbessern.
- Nachdem das Team die ideale Platzierung der Stifte und des anterioren Spikes bestimmt hatte, musste es noch wissen, wie dick die Platte sein sollte, um den in den Gehstudien ermittelten Belastungen standzuhalten.
- Die Software berechnete automatisch das optimale TT-Volumen, um die erforderliche Festigkeit und Stabilität zu gewährleisten.
Designänderungen wie diese wurden viel einfacher: Die Konstrukteure mussten sich nicht mehr mit der Bearbeitung von STL-Dateien abmühen. „Wir können die meisten Merkmale der Tibiaplatte parametrisch bearbeiten, da sie mathematisch mit der Geometrie verknüpft sind“, erklärt Toninato. „Und diese Änderungen sind in unserer gesamten PLM-Umgebung assoziativ.“
Weniger Aufwand für die Konstruktion der Gitterstrukturen
NX AM vereinfachte auch die Arbeit mit der Gitterstruktur von Lima Corporate. Dank einer neuen Funktion ist es möglich, eine Grundstruktur zu entwerfen, die alle Besonderheiten der proprietären Gitterstruktur widerspiegelt, sodass die Rechenzeit für die Konstruktion der TT-Strukturen verkürzt werden konnten.
Und weil die Geometrie fast vollständig parametrisch war, wurden Designänderungen automatisch aktualisiert. „In unserem alten Prozess war die Änderung von STL-Dateien nicht in unseren Arbeitsablauf eingebunden, was das Risiko menschlicher Fehler erhöhte“, sagt Hassan Naeem, leitender Ingenieur für additive Fertigung. „Jetzt, wo wir alles in einem einzigen digitalen Datenstrom haben und das Gitter mit einem Klick erstellen können, sind unsere Prozesse viel effizienter.“
Jetzt, wo wir alles in einem einzigen digitalen Datenstrom haben und das Gitter mit einem Klick erstellen können, sind unsere Prozesse viel effizienter.
Workflow in der Additiven Fertigung hat sich bewährt
Diese gesteigerte Effizienz ist besonders wertvoll, weil Lima Corporate nicht nur eine Tibiaplatte entwickelt, sondern zehn Standardgrößen herstellt, wobei jede Größe eine Anpassung der Eigenschaften der Tibiaplatte erfordert. Das Unternehmen hat großes Vertrauen in den neuen AM-Arbeitsablauf. „Wir haben durch die Zusammenarbeit mit Siemens bei der Verbesserung unserer Prozesse mehrere Fortschritte erzielt“, berichtet Toninato. „Wir konnten die Zeit für die AM-Modellierung und Auftragsvorbereitung um 50 Prozent reduzieren. Mit Hilfe der Topologieoptimierung können wir mit weniger Experimenten einen optimalen Entwurf finden. Und da wir den gesamten Prozess in das Siemens-Software-Ökosystem integrieren konnten, reduzieren wir Fehler und erhöhen die Zuverlässigkeit.“
Mit Hilfe der Topologieoptimierung können wir mit weniger Experimenten einen optimalen Entwurf finden.
Lima Corporate ist weiterhin bestrebt, die Grenzen der AM-Technologie zu erweitern. Naeem arbeitet mit Siemens zusammen, um den Workflow für die Druckvorbereitung in NX einzubetten und die Vorhersagbarkeit erfolgreicher Druckvorgänge zu verbessern.
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