Schrauben Das Leichtbau-Potenzial ultrahochfester Schrauben für den Fahrzeugbau
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Ultrahochfeste Schrauben erlauben eine Erhöhung der Klemmkraft oder eine Reduzierung des Schraubendurchmessers. In beiden Fällen kann Gewicht reduziert werden.

Die Tragfähigkeit einer Schraube und die maximale Vorspannkraft einer Schraubverbindung stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Festigkeit der Schraube. So kann durch eine höhere Festigkeit der Schraube eine höhere Vorspannkraft erzielt werden, ohne dass die Abmessung und somit Bauraum und Gewicht der Schraube vergrößert werden müssen. Andererseits kann eine höhere Schraubenfestigkeit genutzt werden, um unter Aufrechterhaltung der Vorspannkraft die Querschnittsabmessung zu reduzieren und so eine Gewichtsreduzierung der Schraube und eine Reduzierung des erforderlichen Bauraums zu erreichen.
Neben der Festigkeit einer Schraube, die in der Regel durch Auswahl geeigneter Werkstoffe und Wärmebehandlungsverfahren erreicht wird, sind das Verformungsvermögen der Schraube bzw. die Duktilität des Werkstoffs, sowie eine hohe Unempfindlichkeit gegenüber wasserstoffinduziertem Sprödbruch wesentliche Anforderungsmerkmale.
Schraubenentwicklung bei Kamax
Kamax hat ultrahochfeste Schrauben mit einer Zugfestigkeit von derzeit bis zu 1900 MPa entwickelt und als werkstoffliche Basis den Gefügezustand des unteren Bainits zugrunde gelegt. Der primäre Gedanke dabei war, für die angestrebte hohe Festigkeit die gute Duktilität und die geringe Empfindlichkeit gegenüber wasserstoffinduziertem Sprödbruch des unteren Bainits zu nutzen. Die Beschreibung des bainitischen Gefügezustandes und seiner Eigenschaften liegt schon seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts vor. Einen Bezug zu Schrauben mit bainitischem Gefüge aus dem Hause Kamax findet sich bereits im Jahr 1976. Diese Entwicklung wurde bei Kamax erneut in 2007 aufgenommen und mit den heute verfügbaren Schrauben der Kxtreme-Reihe zur Serienreife geführt.
In einer umfangreichen Untersuchung durch die FEV Group wurden die Einsatzpotenziale von ultrahochfesten Schrauben bei der Konstruktion von Verbrennungsmotoren abgeschätzt und die zu erwartenden Vorteile für den Anwender herausgearbeitet. Auch wenn die Transformation in der automobilen Antriebstechnik von der Verbrennungstechnologie hin zu elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in vollem Gange ist, werden Verbrennungsmotoren z.B. zur Sicherstellung großer Reichweiten, in Schwerlastfahrzeugen oder auch zum Beladen elektrischer Antriebe (Range Extender) zumindest für die Übergangszeit eingesetzt werden und müssen gleichzeitig bereits heute den gestiegenen Anforderungen hinsichtlich geringer Emisionswerte Rechnung tragen.
Auch im außermotorischen Bereich, z.B. im Fahrwerk, kann durch Reduzierung der Schraubenabmessung Gewichtseinsparung und Downsizing realisiert werden. Diese Komponenten sind den Umwelteinflüssen direkt ausgesetzt. Hier ist die für bestimmte Festigkeitsklassen geringe Wasserstoffsprödbruchempfindlichkeit der Kxtreme-Schrauben vorteilhaft. Sie ermöglicht in Kombination mit geeigneten Korrosionsschutzmaßnahmen die Validierung bestimmter Anwendungsfälle.
Erhöhung der Klemmkraft
Die ständig zunehmenden Anforderungen an Kraftfahrzeuge hinsichtlich der Emission von Schadstoffen zwingen zu einer Reduzierung der Fahrzeuggewichte durch Leichtbau sowie zu einer Erhöhung der Effizienz der verbrennungsmotorischen Antriebe. Dies zeigt sich beispielsweise in der stetig steigenden Leistungsdichte und damit einhergehend in steigenden Verbrennungsdrücken der Motoren. Durch diese Leistungsdichteerhöhung der Motoren steigen auch die mechanischen und thermischen Belastungen auf Hauptlagerdeckelschrauben und Zylinderkopfschrauben an. Je nach Belastungsanstieg müsste ohne den Einsatz von ultrahochfesten Schrauben die höhere Belastung durch eine Erhöhung der Schraubenabmessung aufgefangen werden.
Reduzierung der Schraubenabmessung
Eine Reduzierung des Schraubenquerschnitts im Gewinde oder im Schaft kann durch eine Erhöhung der Festigkeit des Schraubenwerkstoffs kompensiert werden. Im Folgenden werden zwei konkrete Anwendungsfälle von Verschraubungen in der automobilen Praxis und die möglichen Vorteile der Verwendung von ultrahochfesten Schrauben aufgezeigt.
Beispiel 1: Zylinderkopfschraube
Wie sich an einer Zylinderkopfverschraubung am Beispiel eines 1-Liter- und 3-Zylinder-Ottomotors mit Grauguss-Kurbelgehäuse zeigen lässt, ergeben sich bei Verwendung von ultrahochfesten Schrauben mehrere direkte und indirekte Vorteile.
Als unmittelbarer direkter Vorteil ergibt sich eine Gewichtseinsparung durch eine Reduzierung des Schraubendurchmessers. Die heute für diesen Schraubfall üblicherweise eingesetzte Schraube M10 × 1,25 der Festigkeitsklasse 10.9 kann unter Aufrechterhaltung derselben Klemmkraft durch eine ultrahochfeste Schraube 15.8U der Abmessung M9 × 1,25 ersetzt werden. Unter der konservativen Annahme, dass die Kopfauflagefläche zur Aufnahme der Flächenpressung konstant gehalten wird, und unter der Annahme eines auf den Durchmesser bezogenen konstanten Einschraubverhältnisses reduziert sich das Gewicht der Schrauben um 14 g. Bei 8 erforderlichen Schrauben pro Motor ergibt dies ein reduziertes Schraubengewicht von 112 g pro Motor. Rechnet man im Zylinderkopf die sich aus dem kleineren Bohrungsdurchmesser ergebende Gewichtszunahme von 23 g und die Gewichtseinsparung im Zylinderblock von 32 g hinzu, ergibt sich ein Gesamteinsparpotenzial von 121 g pro Motor allein durch die Verwendung der ultrahochfesten Schrauben.
Neben der Gewichtseinsparung ergibt sich auch der indirekte Vorteil einer besseren Kühlung des Zylinderkurbelgehäuses. Die Reduzierung des Schraubendurchmessers ermöglicht eine Reduzierung der Abmessung der Schraubendurchführung im Zylinderkurbelgehäuse, woraus zusätzlicher Bauraum entsteht, der für eine größere Querschnittsfläche der Kühlkanäle genutzt werden kann (Bild 3). Dadurch reduzieren sich die Druckverluste des Wasserkühlkreislaufs, was zu einem geringeren Energiebedarf der Wasserpumpe führt. Ein weiterer indirekter Vorteil aus dem gewonnenen Bauraum ergibt sich in der Möglichkeit, konstruktiv die Kerbspannungen in den Kühl-kanalecken und dadurch die Rissanfälligkeit der Zylinderkurbelgehäuse zu reduzieren. Durch den geringeren Raumbedarf der ultrahochfesten Schraube kann der gewonnene Bauraum für eine weichere, weniger rissanfällige Gestaltung der Kühlkanal-ecken genutzt werden.
Beispiel 2: Schwungradverschraubung
Der Durchmesser des Schwungrades wird hauptsächlich durch die Abmessung der Schraube bestimmt. Die heute üblicherweise eingesetzte Schraube der Abmessung M11 × 1,0 der Festigkeitsklasse 10.9 lässt sich unter Beibehaltung derselben Klemmkraft durch eine ultrahochfeste Schraube M10 × 1,25 der Festigkeitsklasse 15.8U ersetzen. Aufgrund der kurzen Länge der Schwungradbefestigungsschrauben ergibt sich hier nur eine geringe Gewichtsreduktion von 96 g (für die Schrauben 30 g und das Schwungrad 66 g).
Der weitaus interessantere indirekte Vorteil ergibt sich aus dem signifikant geringeren Reibmoment der Schwungraddichtung. Die durch den Einsatz der ultrahochfesten Schrauben ermöglichte Durchmesserreduktion des Schwungrades führt zu einer geringeren Laufgeschwindigkeit, und wie Bild 2 zu entnehmen ist, reduziert sich das Reibmoment mit geringerer Laufgeschwindigkeit und abnehmendem Durchmesser der Dichtungslauffläche deutlich.
Dieses Beispiel zeigt, dass durch den Einsatz ultrahochfester Schrauben, neben der in diesem Fall relativ geringen Gewichtsreduzierung, insbesondere der indirekte Vorteil der innermotorischen Reibungsreduzierung zu einer Erhöhung der Effizienz des Motors genutzt werden kann.
* Dipl.-Ing. Horst Dieterle, Director Product & Process Development and Innovation Hub, Kamax Automotive GmbH
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