Intelligente Materialsysteme Wenn smarte Folien zur Mensch-Maschine-Schnittstelle werden
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Mit leichten Silikonfolien verleiht ein Forschungsteam an der Universität des Saarlandes Oberflächen neuartige Fähigkeiten. So entstehen haptische Displays oder mitdenkende Arbeitshandschuhe.

Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) der Universität des Saarlandes forscht Professor Stefan Seelecke und sein Team an smarten Silikonfolien. Wie die Forschenden mitteilen, funktioniert dieses intelligente Materialsystem mit elektrischem Strom. „Die Ober- und Unterseite der Silikon-Folien sind mit einer leitfähigen, hochdehnbaren Elektrodenschicht bedruckt. Wenn wir an dieses sogenannte dielektrische Elastomer eine elektrische Spannung anlegen, ziehen sich die Elektroden an und stauchen die Folie, die zur Seite ausweicht und dabei ihre Fläche vergrößert“, erklärt Paul Motzki, der in Seeleckes Team forscht. Damit ändert sich auch die elektrische Kapazität der Folie.
Virtuelle Tastaturen
Die intelligenten Silikonfolien können auf Touchscreens aus dem Nichts heraus Tasten oder Schieberegler spürbar werden lassen: Bei Bedarf drückt die Folie das Display blitzschnell dem Finger seines Nutzers entgegen, vermittelt ihm so den Eindruck von Tasten, die bei der Eingabe oder Seitennavigation helfen, um dann wieder zu verschwinden. Durch Klopfen oder Vibrieren an den Fingerspitzen könnten sie spürbar machen: Hier muss man drücken. Das Erlebnis eines leichten Widerstands wie bei echten Knöpfen und Schaltern würde signalisieren: Eingabe erfolgreich – nicht nur für Blinde und schlecht sehende Menschen wäre dies weit mehr als Spielerei. Laut Seelecke könnten Bedienoberflächen von Smartphones, Info-Monitoren oder Haushaltsgeräten nutzerfreundlicher werden.
Intelligenz und Sensorik im Arbeitshandschuh
Auch als High-Tech-Innenfutter in Kleidungsstücken eingearbeitet, werden die Folien zur Schnittstelle zwischen Mensch und Technik: Sie lassen als vollflächiger, dehnbarer und anschmiegsamer Sensor etwa in Arbeitshandschuhen das Computersystem wissen, wie der Industriemonteur Hand und Finger bewegt. Krümmt der Monteur den Finger, dehnt er die Folie wie eine zweite Haut mit, dadurch ändert sich die elektrische Kapazität. Jeder Stellung der Folie lässt sich ein exakter Messwert der elektrischen Kapazität zuordnen: Also beschreibt ein Messwert eine ganz bestimmte Stellung des Fingers und eine Abfolge dieser Messwerte einen Bewegungsablauf.
Die Folien sind mit etwa 50 Mikrometern sehr dünn, vergleichbar einer Frischhaltefolie. Sie stören also nicht. Eine Industrie 4.0-Umgebung könnte durch den Handschuh erkennen, was sein Träger machen will. Nach Angaben der Wissenschaftler könnte so der Monteur durch Bewegungen seiner Hand Prozesse steuern. Bei komplizierten Anlagen könnte das System ihn unterstützen, Fehler zu vermeiden und ihm spürbare Rückmeldung geben, etwa mit Klopfzeichen, Druck oder Vibration an Hand und Fingern.
Die Folie als Antrieb
Mithilfe der Messwerte und intelligenten Algorithmen lassen sich in einer Regelungseinheit Bewegungsabläufe vorausberechnen, programmieren und die Folie entsprechend ansteuern. Die Forscher setzen die Eigenschaften der Elastomere dabei als Antriebe ein – wie künstliche Muskeln. Wird das elektrische Feld verändert, lassen sie die Folie klopfen, stufenlos bestimmte Stellungen einnehmen und halten oder mit beliebiger Frequenz und Schwingung vibrieren. So können Handschuh und Display ihren Nutzern Zeichen geben.
Die Prototypen von Arbeitshandschuh und haptischem Display zeigt das Forschungsteam auf der diesjährigen Hannover Messe: Halle 2, Stand B28
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