Sensorik Sensorsystem nutzt akustischen Fingerprint für Predictive Maintenance

Redakteur: Jan Vollmuth

Ein Körperschallsensor ist das Herzstück eines neuen Systems für Predictive Maintenance. Bernhard Schultz, Produktmanager bei der Indtact GmbH beschreibt im Interview mit konstruktionspraxis Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile des Systems.

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Im Sensorsystem von Indtact kommen etwa die Körperschallsensoren IMPact XS tum Einsatz, mit denen sich ein akustischer Fingerprint von Maschinen erstellen lässt. Dies ist die Basis für eine Predictive-Maintenance-Analyse.
Im Sensorsystem von Indtact kommen etwa die Körperschallsensoren IMPact XS tum Einsatz, mit denen sich ein akustischer Fingerprint von Maschinen erstellen lässt. Dies ist die Basis für eine Predictive-Maintenance-Analyse.
(Bild: indact)

konstruktionspraxis: Indact ist bislang als reiner Sensoranbieter bekannt. Nun bietet das Unternehmen ein komplettes Sensorsystem an. Was steckt dahinter?

Bernhard Schultz (M. Sc.) ist Produktmanager bei der Indtact GmbH.
Bernhard Schultz (M. Sc.) ist Produktmanager bei der Indtact GmbH.
(Bild: Indtact)

B. Schultz: Indtact bietet neben seinen Hochleistungs-Körperschallsensoren auch die Integration von Hard- und Software im Systemverbund, also komplette Sensorsystem-Lösungen an. Ein „off-the-shelf“-Produkt ist Smart Predict. Das Sensorsystem integriert mehrere Sensoren in einem kleinen blauen Kasten. Sein Herzstück sind unsere Hochleistungskörperschallsensoren wie der Impact XS. Das System ist in seiner ersten Version auf dem Markt erhältlich. Mit einem PC verbunden kann man den Smart Predict entweder direkt zur Messung mit unserer IMS Software verwenden oder in eine von uns kundenspezifisch angepasste Anwendung integrieren.

konstruktionspraxis: Welche Informationen stellt das System bereit?

Die Messanwendung wird von einer einfach bedienbaren Software abgedeckt, die anwendungsspezifische Informationen über z.B. den Zustand einer Maschine bereitstellt. So lassen sich zunächst Schwingungsdaten einer Maschine sammeln, speichern und auswerten. Informationen über Trends verschiedener Zustands-Messwerte können künftig auch über ein Display angezeigt werden. Ein typisches Beispiel ist das Monitoring von Werkzeugverschleiß bei großen Fräsmaschinen. Schwingungsinformationen lassen hier etwa Rückschlüsse auf den Verschleiß des Werkzeugs zu. Gleiches gilt für Lager, Führungen, also gängige Maschinenelemente, aber auch ganze Aggregate, wie Kompressoren oder Motoren.

konstruktionspraxis: Wie aufwendig ist die Inbetriebnahme des Systems?

B. Schultz: Das kommt darauf an, ob sich der Kunde für die Integration in seine werksinterne IT-Infrastruktur entscheidet oder ob ihm Indtact das Gesamtsystem liefert, das mittels Plug & Play rasch einsetzbar ist. Mit einer Analyseeinheit (Embedded PC), die sich etwa in einem Schaltschrank der Maschine befinden kann, kann der Kunde direkt nach der Installation der Hardware erste Daten aufzeichnen. Die Installation der Sensorik ist natürlich abhängig von der Anlagengröße und -komplexität.

konstruktionspraxis: Wird das System bereits praktisch eingesetzt?

B. Schultz: Eine Anwendung des Smart Predicts in seiner ersten Version ist das Prozess-Recording an signifikanten Punkten einer Produktionsstraße für Elektromotoren. Hier werden Trends einiger Körperschall-Parameter aufgezeigt und damit der Verschleiß von Komponenten nachvollzogen. So wurde beispielsweise identifiziert, dass der Zahnriemen eines Linearantriebs zu schwach ausgelegt war. Dies zeigte sich anhand des über die Prozessdauer immer „lauter“ werdenden Körperschalls, der vom Lineartrieb emittiert wurde.

In einer anderen Anwendung überwachte Smart Predict Weichen im Schienenverkehr. Hier wurde das Stellsignal einer Weiche im Normalbetrieb erfasst. Beim Anschlag der Weiche in die Endposition entstehen hohe Schallspitzen. Hier konnten wir nachweisen, dass durch externe Sensorik auch ein solcher Vorgang verifiziert werden kann. Durch die Installation von Smart Predict am Drehgestell eines Zuges lassen sich aber auch der Verschleiß am Fahrwerk oder an der Schiene erkennen. Schrägstellung und Hohllage können durch die Kombination der verschiedenen Sensoren innerhalb des Smart Predict Systems ermittelt werden.

Das „Ohr“ des Sensorsystems ist immer der von Indtact entwickelte Körperschallsensor, der durch seine sehr große Bandbreite und Sensitivität punktet. Dieser macht es möglich, den unverwechselbaren „akustischen Fingerprint“ eines Vorganges zu erkennen. Schläge und Stöße, die auf das Fahrwerk wirken und durch die Struktur auf den Sensor übertragen werden, können zugeordnet werden. Dies funktioniert auch über größere Entfernungen. So muss das System nicht genau am Radlager sitzen, um dessen Verschleißzustand aufzuzeichnen. Ein System an einer strategisch geeigneten Stelle reicht aus, um mehrere Bauteile, Baugruppen oder Aggregate zu überwachen.

konstruktionspraxis: Kann das System andere Sensoren ergänzen oder gar ersetzen?

B. Schultz: Das kann es. Körperschall liefert – wenn entsprechend hoch aufgelöst – komplexe Informationen über Bauteil- und Prozess-Zustände. Dadurch ist es nicht mehr nötig, mehrere teure und aufwändige Sensorsysteme zu verwenden, die als Ergebnis schlicht 0 oder 1 liefern. Mit nur einem System kann überall dort, wo Körperschall (also überall dort, wo sich etwas bewegt) emittiert wird, gemessen werden. Über das Signal bekomme ich dann beispielsweise nicht nur die Antwort auf die Frage „ist mein Bauteil eingelegt?“ sondern darüber hinaus, ob es beschädigt oder wie stark es beschädigt ist. Bei der Inbetriebnahme neuer Maschinen lässt sich deren Körperschallsignatur mit dem „Fingerprint“ bekannter Maschinen vergleichen und damit Qualitätsgates am Ende der Linie passieren. Wenn ich den Fingerprint meiner Maschinen kenne und dem System beigebracht habe, Abweichungen anzuzeigen und diese in Zukunft sogar voneinander abzugrenzen, spare ich mir eine Menge Kosten für zusätzliches Testing zur Inbetriebnahme und habe weniger Ausfälle im Feld.

konstruktionspraxis: Lässt sich Smart Predict individuellen Anforderungen anpassen?

B. Schultz: Eine zweite Version – Smart Predict 2.0 – wird Ende Jahres Einzug in die Industrie finden. Das System wird aus drei Teilen bestehen: Erste Systemkomponente sind Sensoren mit unterschiedlichen Funktionen, vom Acoustic Emission Head (Körperschall) über Acceleration Heads bis hin zu Environment Heads, zum Messen von Umgebungsbedingungen. Über den zweiten Teil – einen Sensorhub – können alle Sensor Heads in einem Messverbund miteinander synchronisieren und die Daten bereits digitalisiert an einen Embedded PC gesendet werden, der die Rechenarbeit übernimmt. Hier kommen alle Messdaten zusammen und werden ausgewertet.

In Zukunft werden wir zudem Softwaremodule anbieten. So kann der Anwender z.B. zunächst ein Modul erwerben, mit dem er grundlegende Schwingungsparameter seiner Maschine aufzeichnet. Wenn mehr Informationen gewünscht sind, bieten wir ein Trendanalysemodul an, das z.B. den Werkzeugverschleiß überwacht und automatisch einen Tagesbericht an die verantwortliche Person sendet. Auch die Intelligenz der Software wird modular aufgebaut sein. So wird der Anwender mit nur wenigen Sensoren seine Maschine „akustisch“ überwachen können und verschiedene Aggregate aus dem Schwingungssignal herauslesen können. Auf diese Weise können Fehlersymptome einzelner Aggregate sukzessive „gelernt“ werden. Im ersten Schritt erfolgt dies über das sogenannte supervised learning, aber Indtact beschäftigt sich verstärkt mit Algorithmen, die unsupervised learning unterstützen. Dies bedeutet, dass das System Zusammenhänge erkennt und eine Auswahl von Fehlersymptomen vorschlägt, die es bereits kennt; es könnte aber auch Aggregate wiedererkennen, die es an zuvor an einer anderen Maschine gelernt hat.

Diesen vollen Umfang an Intelligenz wird es Ende des Jahres leider noch nicht geben. Indtact erfasst mit seinen Sensorsystemen im ersten Schritt grundlegende Daten und Zustandsinformationen über Maschinen. Die Verfügbarkeit solcher Langzeitdaten ist die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz. (jv)

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