Kabel & Leitungen Leitungen gegen zu tiefe Schnitte beim Abmanteln schützen

Redakteur: Dipl.-Ing. (FH) Sandra Häuslein |

Die neuen Steuerleitungen Ölflex 408 P und 409 P der Lapp Gruppe weisen in ihrem Inneren eine Neuheit auf: eine zwickelfüllende Funktionsschicht. Frank Hörtnagl, Produktmanager bei Lapp, erläutert die Vorteile.

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Bei herkömmlichen Leitungen besteht die Zwickelfüllung aus dem gleichen Material wie der Außenmantel (li. oben). Bei den neuen Steuerleitungen von Lapp besteht die innere Zwickelfüllung aus einem anderen Matrial (r. unten).
Bei herkömmlichen Leitungen besteht die Zwickelfüllung aus dem gleichen Material wie der Außenmantel (li. oben). Bei den neuen Steuerleitungen von Lapp besteht die innere Zwickelfüllung aus einem anderen Matrial (r. unten).
(Bilder: Lapp)

Die Steuerleitungen Ölflex 408 P und 409 P haben eine so genannte zwickelfüllende Funktionsschicht. Worum handelt es sich genau?

Zwickelfüllend bedeutet: Die Räume zwischen den einzelnen Adern der äußeren Verseillage sind nahezu vollständig mit Außenmantelmaterial gefüllt, es gibt also keine Hohlräume, was die Rundheit der Leitung unterstützt und ihr eine höhere Stabilität verleiht. Das ist nicht neu. Neu hier ist, dass die innere Zwickelfüllung aus einem anderen Material besteht, als die äußere Mantelschicht. Üblicherweise würde man den Mantel samt Zwickelfüllung aus einem Material fertigen.

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Warum haben Sie sich für diesen aufwändigeren Aufbau entschieden?

Um zwei sich widersprechende Eigenschaften unter einen Hut zu bringen. Bei Leitungen für raue Umgebungsbedingungen, wie etwa in öligen Maschinen- und Anlagenbereichen, bei niedrigen Temperaturen oder unter gleißendem UV- oder Sonnenlicht und überall, wo hohe mechanische Abriebfestigkeit gefragt ist, ist Polyurethan als Kabelmantel das Material der Wahl. Speziell ausgewählte Mantelmischungen aus PUR sorgen für die nötige Robustheit und Langlebigkeit. PUR ist aber sehr kerbzäh, es lässt sich schwer schneiden. Zudem weist das Material sehr hohe Reißfestigkeitswerte auf. Was für die Robustheit also ein Vorteil ist, ist beim Abmanteln oft ein Nachteil.

Können Sie die Nachteile beschreiben, die sich beim Abmanteln ergeben?

Nach unserer Erfahrung sind Leitungen mit PUR-Mantel im Vergleich schwerer zu verarbeiten. Um den Mantel möglichst leicht abziehen zu können muss man so tief wie möglich in das zähe PUR-Material schneiden. Dabei besteht aber die Gefahr, dass man die Isolation der Adern verletzt. Will man das vermeiden und schneidet weniger tief, kann es passieren, dass sich die Mantelhülle anschließend überhaupt nicht ablösen lässt, beim Abziehen ausfranst oder völlig unkontrolliert abreißt. Dann muss aufwändig manuell nachgearbeitet werden, der Abmantelvorgang wiederholt oder sogar das beschädigte Leitungsstück komplett entsorgt werden.

Wie hilft hier nun die zwickelfüllende Funktionsschicht aus PVC?

Unser Trick ist, dass wir für die äußere Ummantelung PUR benutzen, die Zwischenräume zwischen den Adern aber mit Polyvinylchlorid füllen. Man kann somit die zähe PUR-Schicht sicherer einschneiden ohne der Isolation der Adern zu nahe zu kommen. Die mit dem PUR-Mantel fest verbundene Funktionsschicht aus PVC dient als Puffer zum Schutz der Adern. Durch ihr optimiertes Einreißverhalten kann nach Anritzen der äußeren, robusteren PUR-Mantelschicht der komplette Außenmantel durchtrennt werden. Der Anwender kann sein Werkzeug zum Abmanteln benutzen und muss sich keine Gedanken machen, dass er zu tief schneidet. Dann muss er nur noch das Leitungsende knicken und kann den Mantel samt Zwickelfüllung glatt abziehen. Ähnliche Vorteile ergeben sich auch für Leitungskonfektionäre bei der vollautomatisierten Bearbeitung auf Abmantelautomaten.

Wie funktioniert die Herstellung?

Bei reinen PUR-Kabeln wird der Mantelkunststoff unter hohem Druck „auf Pressung“ über den Aderseilverband extrudiert. Dabei werden die Zwischenräume, die sogenannten Zwickel, zwischen den Adern der äußeren Verseillage komplett mit Mantelmaterial ausgefüllt. Bei unserem neuen Verfahren verwenden wir eine spezielle Koextrusionstechnik, die den schützenden, abriebfesten und kerbzähen Polyurethan-Außenmantel mit der zwickelfüllenden Funktionschicht aus Spezial-PVC in einem Arbeitsgang verbindet. PUR und PVC besitzen sehr unterschiedliche Material- und Verarbeitungseigenschaften. Dafür mussten wir neue Extrusionsköpfe entwickeln, um die üblich hohen Extrusionsgeschwindigkeiten zu erreichen.

Was hat der Anwender davon?

Er hat mehrere Vorteile: Das Abmanteln ist einfacher, die Gefahr von Schäden an der Aderisolation ist geringer, weil er nicht so tief schneiden muss. Er hat weniger manuelle Nachbearbeitung, geringere Maschinenstillstandzeiten und weniger Materialausschuss. Unterm Strich erzielt er eine Zeit- und Kostenersparnis.

Wie lange hat die Entwicklung gedauert?

Die Entwicklung des ersten Prototyps hat etwa sechs Monate gedauert. Die Zertifizierung des zweischichtigen Designs in verschiedenen Tests war sehr zeitaufwändig. Unter anderem haben wir Flammtests ausgeführt sowie die Zugfestigkeit geprüft. Das ist erforderlich, da wir es mit zwei sehr unterschiedlichen Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften zu tun haben und man die Kompatibilität bzw. Verträglichkeit letztendlich nicht so einfach vorhersagen kann.

Worin unterscheiden sich die beiden Leitungstypen 408 P und 409 P?

Die graue Ölflex 408 P ist nach VDE zertifiziert und ein Allrounder für den europäischen Markt. Sie ist abriebfest und kerbzäh, erhöht ölbeständig, hydrolyse- und mikrobenbeständig und kälteflexibel bis –15 °C. Die Ölflex 409 P ist nach UL/cUL zertifiziert und eignet sich somit hervorragend für den nordamerikanischen Markt. Sie hat eine schwarze Mantelfarbe und bietet ähnliche Features, obendrein ist sie flammwidrig nach internationalen IEC, UL und CSA Flammtests.

Planen Sie weitere Leitungen mit einer zwickelfüllenden Funktionsschicht?

Auf jeden Fall. Diese neuartige Entwicklung bietet vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten für weitere Produkte der Lapp Gruppe.

Vielen Dank, Herr Hörtnagl

(sh)

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