Kunststoffoptimierung Elektronenstrahl-Vernetzung von Kunststoff-Bauteilen

Redakteur: Karl-Ullrich Höltkemeier

Die Energie beschleunigter Elektronen bringt Kunststoff-Moleküle dazu, sich untereinander zu verbinden, zu vernetzen, was im Effekt dazu führt, dass das Material optimiert wird. Das führende Unternehmen in Europa, das Bestrahlungsdienstleistungen anbietet, ist BGS Beta-Gamma-Service in Wiehl bei Köln. BGS ist an drei Standorten in Deutschland vertreten und betreibt derzeit eine Gamma-Anlage und sieben Elektronenbeschleuniger.

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Die Stücklisten moderner Kunststoffteile enthalten immer öfter die Position „Energie“. So ist die Rede von der Energie der Beta- und Gammastrahlung. Die Energie beschleunigter Elektronen bringt beispielsweise Kunststoff-Moleküle dazu, sich untereinander zu verbinden, zu „vernetzen“, was im Effekt dazu führt, dass das Material „optimiert“ wird. Dabei wirkt sich die Strahlenvernetzung positiv bei höheren Dauergebrauchstemperaturen, Verminderung des Kriechens (Kaltfluss), Verbesserung der Abriebfestigkeit und der Rückstelleigenschaften aus. Preiswerte Thermoplaste erhalten auf diese Weise die Gebrauchseigenschaften von Hochleistungskunststoffen. Seit Jahrzehnten bereits werden beispielsweise Polyethylen-Rohre mit Strahlen vernetzt, um ihre thermischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften zu verbessern.

Jochen Rausch, beim Bestrahlungsdienstleister BGS Beta-Gamma-Service verantwortlich für die Anwendungstechnik, erläutert: „Beta-Strahlung ist eine Teilchenstrahlung. Negativ geladene Teilchen (Elektronen) verlassen den Beschleuniger mit hoher Geschwindigkeit. Gamma-Strahlung hingegen ist elektromagnetische Strahlung. Wenn die Energie der Strahlung vom Material absorbiert wird, löst sie chemische Reaktionen aus. Ich erwähne ausdrücklich, dass die in der Industrie verwendeten Strahlen im Material keine Radioaktivität erzeugen.“

Rausch fügt hinzu: „Bestrahlung verbessert auch die Matrix-Faser-Anhaftung von Glasfaser verstärktem Material. Die Festigkeitswerte dieser Verbundwerkstoffe steigen enorm. Das erlaubt die Auslegung von Teilen mit weniger Material, was sich in geringerem Gewicht auszahlt. Ein unschätzbarer Vorteil beispielsweise im Fahrzeug- und Flugzeugbau.“

Sofort verfügbar

Das Angenehme für den Kunststoffverarbeiter: die Strahlenvernetzung erfolgt abgekoppelt von der Formgebung (dem Spritzgießen, Extrudieren oder Blasformen), quasi auf dem Weg zum Endabnehmer. Kunststoff verarbeitende Betriebe müssen nicht in Bestrahlungsanlagen investieren.

Joachim Gehring, Leiter der Anwendungstechnik bei BGS: „Strahlenvernetzung rechnet sich. Die Ausgangswerkstoffe sind preisgünstiger, nicht zuletzt auch wegen der größeren Abnahmemengen pro Verarbeiter. Selbst wenn man die zusätzlichen Kosten für Transport und die Strahlenvernetzung hinzu rechnet, ist das fertige Produkt in der Summe günstiger als das aus Hochleistungskunststoffen gefertigte. Unter Einbeziehung aller Randbedingungen ergeben sich sogar Kostenersparnisse gegenüber Duroplasten.“

Gestaltung der dritten Dimension

Ein neues Anwendungsgebiet ist die Herstellung von Formteilen aus PU-Schaum, die durch Nachvernetzen mit Elektronenstrahlen ausgehärtet werden. So werden die vorteilhaften Verarbeitungsmöglichkeiten des Weichschaumstoffes mit den mechanischen Eigenschaften von Hartschaumstoffen verknüpft und die Herstellung komplex geformter Hartschaum-Formteile wesentlich erleichtert.

Das neue Verfahren ist eine interessante Alternative zu herkömmlichen Verfahren, wie dem Spritzen, das aufgrund der hohen Werkzeugkosten nur bei ausreichend großen Serien sinnvoll ist, oder dem Fräsen aus Vollmaterial bei kleinen Stückzahlen.

Aus Weich mach’ Hart

Die Formgebung weicher Kunststoffschäume gestaltet sich hingegen relativ einfach. Wird entsprechend ausgerüsteter Weichschaumstoff nach seiner Formgebung bestrahlt, bekommen wir hartes Schaummaterial. Übrigens kann der Schaumstoffzustand zwischen weich über halbhart bis hart „justiert“ werden, je nach der Intensität der Elektronenbestrahlung.

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