Technik kurz erklärt Die Entwicklung des Röntgens

Von Monika Zwettler Lesedauer: 7 min

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In unserer Serie „Technik kurz erklärt“ stellen wir regelmäßig Meisterwerke der Konstruktion und besondere Entwicklungen vor. Heute: das Röntgen.

Zum 100. Todestag von Conrad Wilhelm Röntgen werfen wir einen Blick auf seine Entdeckung: die Röntgenstrahlen.
Zum 100. Todestag von Conrad Wilhelm Röntgen werfen wir einen Blick auf seine Entdeckung: die Röntgenstrahlen.
(Bild: ThorstenSchmitt - stock.adobe.com)

Am 10. Februar 2023 jährt sich der Todestag von Wilhelm Conrad Röntgen zum 100. Mal. Wir nehmen das zum Anlass, seiner wegweisenden, von ihm als zufällig bezeichneten Entdeckung nachzugehen: den X- oder Röntgenstrahlen und ihrem Einsatz.

Über Wilhelm Conrad Röntgen

  • Wilhelm Conrad Röntgen wird am 27.03.1845 in Remscheid-Lennep als Sohn eines Tuchhändlers geboren.
  • Seine Familie zieht aus wirtschaftlichen Gründen in die Niederlande, wo Röntgen wohl einen schwierigen Schulstart hat. 1863 wird er nach einem Missverständnis ohne Abschluss von der Technischen Schule in Utrecht verwiesen.
  • Um seine Wissbegierde zu stillen, besucht er als Gasthörer Kurse in Physik Mathematik, Biologie und Sprachen.
  • 1865 besteht er die Aufnahmeprüfung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und schließt sein Studium 1868 als Maschinenbau-Ingenieur ab.
  • Während eines Aufbaustudiums der Physik lernt er August Kundt kennen, wird sein Assistent und promoviert schließlich 1869 an der Universität Zürich mit einer Studie über Gase.
  • Von 1870 bis 1872 arbeitet er in Würzburg als Assistent von Professor August Kundt, dem er 1872 an die neugegründete “Reichsuniversität Straßburg” folgt. Hier wird er 1874 nach seiner Habilitation Privatdozent.
  • Nach weiteren Stationen, unter anderem an der Landwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und der Universität Gießen, nimmt Röntgen 1888 die Berufung als Ordentlicher Professor für Physik und Leiter des Physikalischen Instituts der Julius-Maximilians-Universität Würzburg an, wo er am 08.11.1895 die später nach ihm benannten Strahlen entdeckt, doch dazu später mehr.
  • 1900 wird er als Ordentlicher Professor und Vorstand des Physikalischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität nach München berufen.
  • 1901 erhält Wilhelm Conrad Röntgen den ersten Nobelpreis für Physik der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Am 10. Dezember nimmt er das Diplom, das Preisgeld von 50.000 Kronen und eine Goldmedaille vom schwedischen Kronprinz entgegen.
  • 1920 wird er von seiner akademischen Lehrverpflichtung entbunden.
  • Wilhelm Conrad Röntgen stirbt am 10. Februar 1923 im Alter von 77 Jahren in München. Sein Grab befindet sich in Gießen.
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Wie Röntgen die Röntgenstrahlen entdeckt hat

Röntgen experimentierte in seiner Zeit als Ordentlicher Professor in Würzburg mit den bereits bekannten Kathodenstrahlröhre, unter anderem nach Hittorf, Crookes und Lenard, um Kathodenstrahlen und ihre Wirkung zu untersuchen. An einem späten Freitagabend im November 1895 – er war bereits alleine in seinem Labor – ist es einem Zufall zu verdanken, dass er seine Entdeckung macht: In einem abgedunkelten Raum beobachtet er mit einem Fluoreszenzschirm die Elektronenströme innerhalb einer Hittorfschen Röhre. Dann fällt sein Blick auf hell fluoreszierende Kristalle, die zufällig zwar in der Nähe der Kathodenstrahlröhre liegen, dennoch aber außerhalb der Reichweite von Elektronenstrahlen in Luft.

Er führt dieses Phänomen auf eine bis dahin unbekannte Art von Strahlen zurück, die er X-Strahlen nennt. Ihre spektakulärste Fähigkeit mag er vielleicht zufällig entdeckt haben, indem er seine Hand zwischen Röhre und Schirm hielt und dabei plötzlich seine eigenen Knochen sehen konnte.

Weil er außerdem entdeckte, dass die X-Strahlen Fotoplatten schwärzen, konnte er ihre Existenz auch beweisen: mit einer Aufnahme der Handknochen seiner Frau Anna. Erst nach weiteren Nachforschungen veröffentlicht er am 28. Dezember seine Entdeckung, die sich schnell zu einer Sensation entwickelt.

Läßt man durch eine Hittorf'sche Vacuumrohre, oder einen genügend evacuierten Lenard'schen, Crookes'schen oder ähnlichen Apparat die Entladungen eines grösseren Ruhmkorff's gehen und bedeckt die Röhre mit einem ziemlich eng anliegenden Mantel aus dünnem, schwarzem Carton, so sieht man in dem vollständig verdunkelten Zimmer einen in die Nähe des Apparates gebrachten, mit Bariumplatincyanur angestrichenen Papierschirm bei jeder Entladung hell auf leuchten, fluoresciren, gleichgultig ob die angestrichene oder die andere Seite des Schirmes dem Entladungsapparat zugewendet ist. Die Fluorescenz ist noch in 2 m Entfernung vom Apparat bemerkbar.

Wilhelm Conrad Röntgen im Sitzungsbericht der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würzburg, Jahrgang 1895

Live-Vorführung der Röntgentechnik

Am 23. Januar 1896 hält Röntgen auf Einladung der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft zu Würzburg seinen einzigen öffentlichen Vortrag zu diesem Thema. Während der Vorlesung fertigt er vor den Augen des Publikums eine Röntgenaufnahme der Hand des Anatomen Albert von Kölliker an. Dieser macht daraufhin den Vorschlag, die X-Strahlen in Röntgenstrahlen umzubenennen.

Röntgen war darauf bedacht, dass seine Entdeckung schnelle Verbreitung findet und verzichtete deswegen auf ein Patent.

Info

Dem Gedanken, die Krankheit des Menschen nicht zu kommerzialisieren, wird auch im deutschen Patentgesetz Rechnung getragen: Aus sozialethischen und gesundheitspolitischen Gründen werden keine Patente für chirurgische, therapeutische und diagnostische Verfahren erteilt.
Der behandelnde Arzt soll in der Wahl des medizinischen Verfahrens frei sein, damit er stets zum Wohle des Patienten handeln kann. Dieser Patentierungsausschluss gilt für nur Verfahren, nicht für Erzeugnisse. So ist ein neuartiges Röntgengerät patentierbar, ein spezielles Diagnoseverfahren mittels des Röntgengeräts jedoch nicht.

Was ist Röntgenstrahlung und wie entsteht sie?

  • Das Spektrum der Röntgenstrahlung beginnt unterhalb der extremen UV-Strahlung bei einer Wellenlänge um 10 nm und reicht bis weniger als 250 pm hinab. Sie liegt im elektromagnetischen Spektrum im Energiebereich oberhalb des ultravioletten Lichts.
  • Röntgenstrahlung entsteht durch hochenergetische Elektronenprozesse, wenn Elektronen hoher kinetischer Energie schlagartig abgebremst werden oder ihre Bewegungsrichtung ändern.
  • Sie werden meist in Röntgenröhren erzeugt: Da die Röntgenstrahlung in diesen Röhren durch die Abbremsung von schnellen Elektronen an der Anode gebildet wird, nennt man die gewonnene Röntgenstrahlung auch Bremsstrahlung.
    Eine Röntgenröhre besteht in ihrer Grundform aus einer Kathode und einer Anode in einem evakuierten Glaskörper. Durch eine angelegte Hochspannung werden Elektronen von der Kathode zur Anode hin beschleunigt. Beim Auftreffen der Elektronen auf die Anode bzw. die Glaswand entstehen die von Röntgen entdeckten X-Strahlen.
  • Röntgenstrahlung und damit auch die einzelnen Röntgenquanten haben eine erheblich größere Energie als sichtbares Licht. Sie können Stoffe ionisieren und Zellen schädigen.
  • Röntgenstrahlung hat ein hohes Durchdringungsvermögen und wird durch verschiedene Stoffe unterschiedlich absorbiert.
  • Röntgenstrahlung schwärzt Filme und Fotoplatten.
  • Röntgenstrahlung kann gebeugt werden und interferieren.

Was ist der Unterschied zwischen Röntgen- und Gammastrahlung?

Röntgenlinien entstehen auch in den Hüllen von Atomen bei der spontanen Umwandlungen, also dem Zerfall, von Atomkernen vieler natürlich vorkommender oder künstlich erzeugter radioaktiver Nuklide.

Dazu muss zunächst ein Elektron aus einer solchen Atomschale entfernt werden. Dies erfolgt nur bei extrem hohen Temperaturen durch den Zusammenstoß von Atomen oder wenn das Atom von außen beschossen wird. Daher gehen unter Normalbedingungen von den Atomen keine Röntgenwellen aus. Diese im Atomkern entstehende elektromagnetische Strahlung wird als Gammastrahlung bezeichnet.

Die Energiebereiche der Gamma- und Röntgenstrahlung überschneiden sich in einem weiten Bereich. Beide Strahlungsarten sind elektromagnetische Strahlung und haben daher bei gleicher Energie die gleichen Wirkungen.

Wie es mit der Röntgentechnik weiterging

Kathoden- und Gasentladungsröhren, bei deren Betrieb Röntgenstrahlung entsteht, waren bereits seit etwa 1869 bekannt und standen schon in zahlreichen Laboratorien. Als Röntgen öffentlich macht, dass man sie zum Durchleuchten nutzen kann, beginnen weltweit umgehend weitere Experimente.

So explodierten die Produktionskapazitäten solcher Ionenröhren in den kommenden Jahren. Allein bis Frühjahr 1905 wurden von dem Unternehmen Emil Gundelach aus Gehlberg/Thüringen um die 40.000 Stück produziert, schreiben Experten. Auch das Unternehmen C. H. F. Müller mit Sitz in Hamburg, gegründet von dem auch aus Thüringen stammenden Glasbläser Carl Heinrich Florenz Müller – genannt Röntgenmüller, hat im selben Zeitraum 50.000 Röhren gebaut. Weitere Unternehmen, die sich zu der Zeit mit Röntgentechnik befassten, sind unter anderem Siemens & Halske, AEG und Hirschmann.

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Das Bewusstsein für Strahlenschäden steigt

Schon kurz nach der Entdeckung der Strahlen wurden sie in der Medizin eingesetzt. In den folgenden Jahren gelangen Forschern wie Henri Bequerel oder Marie und Pierre Curie bahnbrechende Erkenntnisse in der Strahlungsforschung; Leopold Freund und Georges Chicotot wurden Pioniere der medizinischen Radiologie und Strahlentherapie. Gleichzeitig stieg das Bewusstsein für die Kehrseite der Technologie – die für den Menschen oft zu hohe Strahlenbelastung.

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Im März 1896 wurde zum ersten Mal über Strahlenschäden berichtet. Die Belichtungszeiten waren anfangs extrem lang und lagen meist über einer Stunde und so wurden Nebenwirkungen wie lokaler Haarausfall und Hautrötung dokumentiert. 1904 verstirbt Clarence M. Dally, der Assistent von Thomas A. Edison, Erfinder des Fluoroskops, an den Folgen der Strahlenbelastung. Bei diesen Pionieren der ersten Stunde begannen die Symptome bei Rechtshändern meist an der linken Hand, mit deren Hilfe die Schärfentiefe des Fluoroskops eingestellt wurde. Es werden die ersten Anweisungen zum Strahlenschutz erstellt. William H. Rollins, ein Zahnarzt aus Boston, veröffentlicht ein Buch über Strahlenfolgen und „Strahlenschutz“.

Röntgentechnik noch immer im Fokus

Der Einsatz der Strahlen in der Diagnostik wird den Angaben des DPMA zufolge bis heute immer weiter perfektioniert. So war bereits die Röntgenröhre von Reinhold Burger 1901 ein wichtiger Schritt. Ein wichtiger Meilenstein war der Röntgencomputertomograph von Godfrey Hounsfield, der immer weiter optimiert wird, was an aktuellen Patenten wie DE02012202107B4 ablesbar ist. Auch das Röntgenmikroskop wird bis heute immer weiterentwickelt, wie beispielsweise die Patente DE102005056404B4 (2013) oder EP2956945B1 (2017) zeigen.
Röntgenstrahlen haben heute neben ihrem Einsatz in der Medizintechnik noch weitere Anwendungen, man nutzt sie beispielsweise auch, um chemische Analysen durchzuführen, verschiedene Schichten eines Gemäldes sichtbar zu machen, Gepäckstücke am Flughafen zu durchleuchten oder Bauteile zerstörungsfrei zu prüfen.

Quellen:

https://dpma.de/dpma/veroeffentlichungen/meilensteine/erfindungenmitgeschichten/roentgen-strahlen/index.html

https://www.roentgen2020.de/

https://roentgenmuseum.de/

http://wilhelmconradroentgen.de/de/start

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