Safety

Auf dem Weg zur sicheren Mensch-Roboter-Kollaboration

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Anwender wird zum Hersteller der Maschine

Normativ gesehen ist der Roboter eine unvollständige Maschine; erst durch das für die jeweilige Applikation notwendige Werkzeug, wie etwa Greifer, erhält das Robotersystem einen bestimmten Zweck und muss als vollständige Maschine betrachtet werden. Der Integrator oder Anwender wird damit zum Hersteller der Maschine und ist für die CE-Kennzeichnung inklusive sicherheitstechnischer Überprüfung verantwortlich. Am Anfang des CE-Prozesses steht die Risikobeurteilung. Zu den Inhalten zählen die Bestimmung der Grenzen der Maschine, die Ermittlung sämtlicher Gefahren innerhalb jeder Lebensphase der Maschine, die eigentliche Risikoeinschätzung und -beurteilung sowie die empfohlene Herangehensweise zur Reduzierung des Risikos. Zusätzlich zu den Gefahren, die vom Roboter ausgehen, müssen die Bewegungen des Menschen berücksichtigt werden. Diese sind jedoch nicht immer kalkulierbar in Hinsicht auf Geschwindigkeit, Reflexe oder plötzlichen Zutritt zusätzlicher Personen.

Auf Basis der Risikobeurteilung entsteht individuell das Sicherheitskonzept sowie die Systemintegration und letztlich die Validierung, in der die vorangegangenen Schritte reflektiert werden. Im Gegensatz zur Risikobeurteilung wird bei der Validierung jede Gefahrenstelle mit Schutzmaßnahmen betrachtet. Für die Validierung sind unterschiedliche Methoden anzuwenden, darunter optische Kontrollen, praktische Tests und Messungen. Insgesamt muss der Systemintegrator über 200 Punkte validieren.

Kollisionen abmildern

Kollisionen können auf verschiedene Arten abgemildert werden: Durch konstruktive Maßnahmen wie Abrunden der Kanten und Ecken, Polsterungen oder möglichst große Kontaktflächen, um die Kraft auf der Fläche zu verteilen. Oder durch technische Schutzmaßnahmen, z. B. die Reduzierung der Dynamik der Roboterbewegungen sowie Anpassungen der Roboterbahn, um Kollisionen mit besonders sensiblen Köperregionen zu vermeiden. Auch Schulungen der Mitarbeiter können helfen, das Verletzungsrisiko zu verringern.

Letztlich muss durch ein Messverfahren ermittelt werden, ob die möglichen Kollisionen sicherheitstechnisch unbedenklich sind. Im Anhang A der Technischen Spezifikation ISO/TS 15066 wird ein Körpermodell mit 29 spezifischen, in zwölf Körperregionen eingeteilte Körperbereiche aufgeführt. Das Körperzonenmodell macht zu jedem Körperteil (z. B. am Kopf, an der Hand, am Arm oder am Bein) eine Angabe zu den jeweiligen Belastungsgrenzwerten (Schmerzschwellenwerte) mit Blick auf Kraft und Druck. Bleibt die Anwendung während der Kollision zwischen Mensch und Roboter innerhalb dieser Grenzen, ist sie normenkonform.

Kollisionsmessgerät ermittelt Belastung bei Kollision

Für diese spezielle Messung hat Pilz ein Kollisionsmessgerät entwickelt. Das mit Federn und entsprechenden Sensoren ausgestattete Gerät misst die auf den menschlichen Körper einwirkenden Kräfte exakt und vergleicht sie mit den Grenzwerten. Das Messgerät wird dafür an den bei der Risikobeurteilung ermittelten Positionen installiert, zwischen Roboterarm und einem unnachgiebigen Untergrund. Per Mausklick wird die Messung gestartet, die gewonnen Daten anschließend verarbeitet sowie dokumentiert. Der höchste Wert wird für die Validierung herangezogen. Wenn die Grenzwerte der TS überschritten werden, muss die Dynamik des Roboters reduziert werden oder zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie z. B. Lichtgitter oder eine trennende Schutzeinrichtung installiert werden.

Den einen sicheren Roboter, der alle möglichen Anwendungsfälle mit Blick auf die Sicherheit abdeckt, gibt es (zumindest bislang) nicht. Die Anforderungen an die Sicherheitstechnik hängen daher stets von der jeweiligen Applikation ab. Erst in der Gesamtbetrachtung von Roboter, Werkzeug und Werkstück sowie dazugehörigen Maschinen wie etwa Fördertechnik entstehen sichere Roboter-Applikationen. (jv)

* Jochen Vetter, Manager Consulting Services, Pilz GmbH & Co. KG, Ostfildern

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