KI im Weltraum Erstmals assistiert künstliche Intelligenz auf der ISS

Redakteur: Katharina Juschkat |

Weltpremiere auf der ISS: Erstmals haben Astronauten mit einer künstlichen Intelligenz in Weltraum zusammengearbeitet. Die schwebende 3d-gedruckte Kunststoffkugel Cimon, entwickelt vom DLR, assistierte Alexander Gerst und demonstrierte die Mensch-Maschine-Interaktion im All.

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Die Künstliche Intelligenz Cimon agierte 90 Minuten lang erfolgreich mit dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst auf der ISS.
Die Künstliche Intelligenz Cimon agierte 90 Minuten lang erfolgreich mit dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst auf der ISS.
(Bild: ESA)

Für gewöhnlich verrichten die Astronauten die ganze Arbeit auf der Internationalen Raumstation ISS. Eine Weltpremiere fand am 15. November statt: Erstmals assistierte eine künstliche Intelligenz dem Astronauten Alexander Gerst – die fünf Kilogramm schwere, schwebende Kunststoffkugel namens Cimon ist der erste mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Astronauten-Assistent im Weltraum, der jetzt 90 Minuten lang mit dem deutschen ESA-Astronauten zusammenarbeitete.

Kommunikation mit der Künstlichen Intelligenz

Nachdem Alexander Gerst seinen künstlichen Helfer aus seiner Box im Columbus-Modul der ISS geholt hatte, weckte er ihn mit den Worten „Wach auf, Cimon!“ und Cimon erwiderte: „Was kann ich für Dich tun?“ Nach diesem ersten Small Talk ließ Alexander Gerst Cimon frei schweben – zunächst noch ferngesteuert vom Boden. Damit wurde das so genannte „Guidance, Navigation and Control“-System in Betrieb genommen, mithilfe dessen der kleine Roboter selbstständig navigieren kann.

Cimon war damit in der Lage, das Gesicht von Alexander Gerst zu suchen und Augenkontakt aufzunehmen. Als Demonstration zeigte Cimon auf seinem Gesicht – einem Display in der Mitte der Kugel – die Anleitung für ein Schüler-Experiment zur Kristallbildung und spielte einen Musiktitel ab. Mit seinen integrierten Kameras konnte er ein Video und ein Foto von Alexander Gerst aufnehmen. Während des Experiments konnte die Projektverantwortliche von Biotesc, Gwendolyne Pascua, direkt mit Alexander Gerst sprechen: „Die Sprachverbindung hat einwandfrei funktioniert und ich bin sehr erleichtert, dass die Zusammenarbeit mit Cimon und Alex so gut geklappt hat.“

Einzigartiges Assistenzsystem für extreme Bedingungen

Große Freude herrschte bei dem Cimon-Team im Biotesc-Zentrum am 15. November, als ihr Roboter den ersten erfolgreichen Einsatz mi Alexander Gerst absolviert hat.
Große Freude herrschte bei dem Cimon-Team im Biotesc-Zentrum am 15. November, als ihr Roboter den ersten erfolgreichen Einsatz mi Alexander Gerst absolviert hat.
(Bild: Go, CIMON, Go! / Go, CIMON, Go! / CC BY 3.0 / BY 3.0)

Dr. Christian Karrasch, Cimon-Projektleiter im DLR, ist begeistert: „Es ist ein unglaubliches Gefühl und eine wahnsinnige Freude, zu erleben, dass Cimon wirklich sieht, hört, versteht und spricht. Dieser erste echte Einsatz im All bedeutet für uns ein Stück Raumfahrtgeschichte und stellt den Beginn für einen hoffentlich langen Einsatz auf der ISS dar.“ Das System Cimon ist in dieser Form weltweit einzigartig und speziell für den Einsatz auf der Internationalen Raumstation konzipiert. Durch Cimon wurde ein Grundstein für soziale Assistenzsysteme gelegt, die unter extremen Bedingungen zum Einsatz kommen sollen.

Zur Datenübertragung nutzte Cimon das Wlan auf der Internationalen Raumstation und stellte über Satellitenverbindung per Bodenstationen eine Internetverbindung zur IBM Cloud her. Was dann in Cimons Gehirn abläuft, erklärt Matthias Biniok, IBM-Projektleiter, so: „Wird Cimon eine Frage gestellt oder mit ihm gesprochen, wandelt die Watson KI dieses Audiosignal zunächst in Text um, der von der KI verstanden beziehungsweise interpretiert wird. Dabei kann IBM Watson die Inhalte nicht nur in ihrem Kontext verstehen, sondern ebenso die damit verbundene Intention. Das Resultat ist eine passgenaue Antwort, die wiederum in Sprache umgewandelt und wieder an die ISS zurückgeschickt wird. So ist ein natürlicher, dynamischer Sprach-Dialog möglich.“

KI könnte auch Stress reduzieren

Der interaktive, mobile und mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattete Astronauten-Assistent ist Teil der aktuellen Horizons-Mission des deutshcen ESA-Astronauten Alexander Gerst.
Der interaktive, mobile und mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattete Astronauten-Assistent ist Teil der aktuellen Horizons-Mission des deutshcen ESA-Astronauten Alexander Gerst.
(Bild: ESA)

Die Datenverbindung zur Erde läuft via Satellit zur NASA und zum Columbus Kontrollzentrum beim DLR in Oberpfaffenhofen. Von dort aus geht das Signal zu der Cimon Bodenstation in Biotesc, dem Schweizer User Support und Operations Center, das per Internet mit der IBM Cloud in Frankfurt verbunden ist. Die reine Signallaufzeit über die Satelliten beträgt 0,4 Sekunden in eine Richtung. Zur Datensicherheit sind Firewalls und VPN Tunnel aktiv.

Cimon hat auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Berater sind Dr. Judith-Irina Buchheim und Prof. Alexander Choukèr von der Klinik für Anästhesiologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Judith Buchheim erklärt: „Cimon könnte als KI-Partner und Begleiter Astronauten bei ihrem hohen Pensum an Experimenten, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten unterstützen und dadurch deren Stressexposition reduzieren.“

Ergänzendes zum Thema
Cimon hilft Astronauten bei Stressbewältigung

Studien der Wissenschaftler am Klinikum der LMU zeigen, dass ein Aufenthalt in Schwerelosigkeit die Funktion des Immunsystems der Astronauten signifikant beeinträchtigen kann. Stress ist dabei ein wesentlicher Einflussfaktor. So fanden die Forscher heraus, dass anstrengende Aufgaben, die man mit einem Kollegen erledigt, bei guter Zusammenarbeit meist als weniger anstrengend empfunden wurden. „Cimon könnte als Partner und Begleiter Astronauten bei ihrem hohen Pensum an Experimenten, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten unterstützen und dadurch deren Stressexposition reduzieren“, erklärt Dr. Judith-Irina Buchheim von der LMU. Denkbare Anwendungsmöglichkeiten auf der Erde sind laut Buchheim die Unterstützung von Ingenieuren, Forschern und Ärzten, das KI-basierte Erfragen von Symptomen oder das Begleiten von älteren, alleinlebenden Personen im Alltag.

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