Kabel Wie Innovationen beim Kabelspezialisten Lapp entstehen

Redakteur: Dipl.-Ing. (FH) Monika Zwettler

1959 hat Oskar Lapp mit der Ölflex eine Erfolgsgeschichte auf den Weg geschickt: Das innovative Produkt mit farbig markierten Adern ist noch heute eine der bekanntesten Marken des Stuttgarter Kabelspezialisten Lapp. konstruktionspraxis hat mit Michael Collet, Geschäftsführer Innovation der U.I. Lapp GmbH, über die aktuelle Innovationskultur im Unternehmen, über Innovationen, die unter der Dusche entstehen und über den Einfluss von Industrie 4.0 gesprochen.

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Der gelernte Industriekaufmann und Betriebswirt Michael Collet ist seit Oktober 2011 in der U.I. Lapp GmbH als Geschäftsführer Innovation tätig.
Der gelernte Industriekaufmann und Betriebswirt Michael Collet ist seit Oktober 2011 in der U.I. Lapp GmbH als Geschäftsführer Innovation tätig.
(Bild: Lapp)

Herr Collett, Sie sind Geschäftsführer Innovation bei der U. I. Lapp GmbH. Wie sieht denn die Innovationskultur bei Lapp aus?

Im Rahmen unser Strategie 2020 haben wir festgelegt: Wir wollen in 2020 10 % unseres Umsatzes mit neuen Produkten machen. Das mag zunächst relativ gering klingen; aber in dem konservativen Markt, in dem wir uns bewegen, sind die Produktlebenszyklen sehr lange. Aktuell liegen wir bei knapp 6 %, daher haben wir uns entschieden, den Innovationsprozess neu aufzusetzen im Rahmen eines Projektes, das sich TIM nennt.

TIM? Was verbirgt sich denn dahinter?

TIM steht für Technologie und Innovationsmanagement. Dahinter steht eigentlich ein State-Gate-Prozess, wie er von Herrn Robert G. Cooper entwickelt wurde. Der Prozess teilt das Innovationsmanagement in verschiedene sogenannte Gates, also Gatter oder Tore, auf, die passiert werden müssen. Es geht los beim Ideenmanagement und endet beim Post-Launch Review. Ziel ist ein schnelleres und verbessertes Ideenmanagement. Wir sind gerade in der Roll-out-Phase und ich denke, das Thema Innovationsmanagement bei Lapp ist damit gut aufgestellt.

Was bezeichnen Sie denn als „echte“ Innovation?

Da gilt es zunächst zu klassifizieren: Es gibt radikale und inkrementelle Innovationen. Und man muss zwischen neu für den Markt und neu für Lapp unterscheiden. Für uns als C-Teile-Lieferant ist Neu für den Markt schwieriger, daher messen wir unseren Innovationsgrad am Hauptkatalog, der die Neu-für-Lapp-Produkte enthält. Aber Neu-für-den-Markt machen wir auch, indem wir neue Materialien mit besonderen Zusatzfunktionen entwickeln.

Sieht das beim Robotikspezialist der Lapp-Gruppe Lapp Muller genauso aus?

„Neu für Lapp“ gibt es hier quasi täglich. Im Grunde fertigen wir Stückgut, im Rest der Lapp-Gruppe produzieren wir Meter- oder Massenware.

Verändern die besonderen Anforderungen an Verbindungstechnik für die Robotik den Innovationsprozess? Roboterkabel müssen ja unter anderem torsionsfähig und hochflexibel sein.

Ich glaube, es ist nicht allein ein Innovationsprozess, es ist auch die Erfahrung, das Ingenieurwissen, das dahinter steckt. Es ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Das beginnt schon bei der Auswahl der Materialien. Welches Material setze ich ein, damit die verschiedenen Beanspruchungen überhaupt gemeistert werden können? Welches Kupfer, welche Isolation? Dann ist die Konstruktion besonders wichtig: Wie baue ich ein Kabel auf? Und hier liegt viel Wissen verborgen. Zudem stellt sich die Frage nach der Produktionstechnik: Wie stelle ich das Kabel her? Für spezielle Kabel für die Robotik werden besondere Maschinen benötigt. Bei Lapp Muller steht Innovation also auf der Tagesordnung.

Die Innovationen entstehen in der Robotik also getrieben durch Kundenanforderungen. Wie sieht es im Rest der Lapp-Gruppe aus?

Die Ideen kommen aus unterschiedlichen Kanälen: Wir haben die TIM-Communities, in die unter Umständen auch Kunden einbezogen werden können. Auch Kollegen aus der Produktion, vom Vertrieb und aus der Produktentwicklung sind beteiligt. Es sind sehr heterogene Gruppen, die dann zielgerichtet arbeiten. Und natürlich sind es Kundenanforderungen, die uns antreiben. Auch verschiedene Technikgremien dienen als Quellen. Darüber hinaus entstehen manche Ideen einfach so in Alltagssituationen, das kann unter der Dusche oder beim Spaziergang sein. Letztlich ist es wie ein großer Trichter. Deswegen ist das Innovationsmanagement auch enorm wichtig.

Die Mehrfachkabeleinführung mit Geleinsatz wurde auf der Hannover Messe 2014 als besondere Innovation vorgestellt. War das eine dieser Ideen, die unter der Dusche entstanden ist?

Ja, das ist tatsächlich eine dieser Innovationen. Der verantwortliche Ingenieur ist ein begeisterter Fahrradfahrer - ein Rennradler. Er hatte die Idee, das Gel aus den Fahrradsatteln zu verwenden.

Was ist das Besondere an dem Gel, wofür sorgt es?

Mehrfachkabeleinführungen gibt es ja schon länger. Die Frage aber war dann: Wie kann Lapp für die Anwender die Montage einfacher gestalten? Und dabei eine hohe Schutzart erreichen? Die Antwort liegt eben in dem elastischen Gel. Die Kabel werden durch eine hauchdünne Schicht gestochen. Diese liegt am Kabel an und sorgt für den IP-65-Schutz. Da keine einzelnen Einsätze herausgenommen werden müssen, um die Kabel zu installieren, fallen mehrere Arbeitsschritte weg, das sorgt für höhere Effizienz. Schließlich erlaubt das Material es auch, mehr Leitungen durch das System zu führen als das mit den herkömmlichen Methoden möglich ist. Die so erhöhte Packungsdichte sorgt für einen weiteren Effizienzschub, denn Gehäuse können in Zukunft kleiner ausfallen

Wie profitiert der Anwender?

Der Anwender spart Zeit bei der Installation und hat dennoch einen hohen Schutzgrad. Das Produkt wird sehr gut angenommen.

Sollen weitere Produkte folgen?

Ja, das war nur der Anfang. Da wird noch einiges kommen. Das war erste Evolutionsstufe. Und die zweite Evolution gibt es auf der Hannover Messe 2015. Es ist ein komplettes Programm geplant, mit dem Anwender flexibler und schneller sein werden.

Lapp ist Partner der Smart Factory des DFKI und arbeitet gemeinsam mit Fraunhofer am Projekt Produktionsarbeit der Zukunft. Ist Industrie 4.0 ein Innovationsschub für Lapp?

Das Thema 4.0 ist ja heute immer noch eine Interpretationsfrage. Meine Meinung dazu ist, dass etwas passieren muss. Ich finde es gut, dass man sich damit auseinander setzt, um auch die Innovationskraft und für Europa und Deutschland im Speziellen zu stärken und unsere Marktstellung behaupten zu können. Passive Komponenten, wie wir sie produzieren, kommen zum Beispiel bei der Datenübertragung zum Einsatz. Bereits vor 5 Jahren hatten wir das „sprechende Kabel“, auch könnten unsere Kabel melden, wenn Strom fließt. Zudem ist ein Farbwechsel der Kabel möglich, z.B. wenn sie warm werden. Aktuell fehlt aber noch eine saubere Definition von Industrie 4.0. (mz)

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