Steuerungstechnik Wenn sich IT und OT im Controller treffen
Flexible, intelligente Maschinen bedeuten Komplexität – und damit höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Steuerung. Lenze antwortet mit leistungsfähigeren CPU und einem intelligenten Konzept. Die neue Controller-Generation reizt die Grenzen des technisch Machbaren für diesen Formfaktor aus.
Anbieter zum Thema

Eine Entwicklung in der Automation kristallisiert sich deutlich heraus: mehr Achsen, mehr Sensoren, mehr Connectivity – mehr Daten. Industrie 4.0 setzt auf erweiterte Informationen. Die höhere Flexibilität von Maschinen wird mit komplexeren Anordnungen von Antrieben, Roboter-Armen und dem verstärkten Einsatz von Bild- und Videotechnik erkauft. Die Erfassung und Verarbeitung dieser Datenmassen einer smarten Produktion erfordern mehr Ressourcen, bis hin zu neuen Technologien wie Machine Learning oder Künstliche Intelligenz. Rechenkapazität und Speicherausstattung von üblichen Steuerungen halten mit dieser Entwicklung kaum noch Schritt. Manche Anwendungen benötigen zudem zwingend eine Windows-Umgebung.
Für die IT ist ein solches Szenario kein Problem: Die Cloud stellt quasi unendliche Ressourcen zur Datenspeicherung und -verarbeitung zur Verfügung, bei Bedarf auch virtuelle Umgebungen mit unterschiedlichen Betriebssystemen.
Doch auf dem Shopfloor gelten andere Gesetze. Beschränkte Netzwerkkapazitäten und Kostenaspekte setzen dem Cloud-Einsatz in kritischen Bereichen der Automation Grenzen.
Zwei unterschiedliche Lösungsansätze
Die Leistungsfähigkeit von Steuerungen steigt mit jeder neuen CPU-Generation. Der teils begrenzte Datenspeicher kann mit Hilfe von Erweiterungskarten deutlich ausgebaut werden. Und auch die Lese- und Schreibgeschwindigkeit dieser Speicherkarten hat sich verbessert. Solange allerdings die Steuerungs-Prozessoren auf die ARM- und Atom-Klasse beschränkt bleiben, bieten auch modernere SPSen trotz alledem nur begrenztes Potenzial zur Leistungssteigerung.
Mehr Leistungsvermögen verspricht dagegen PC-Technik, die zudem den Einsatz von Windows-basierten Applikationen ermöglicht. An diese können bestimmte Aufgaben zur schnelleren Verarbeitung ausgelagert werden, nur die Ergebnisse fließen wieder in die SPS-Steuerung ein. Diese Technik erfordert jedoch mehr Aufwand im Engineering. Zudem belegt sie mehr Raum im Schaltschrank und erfordert zusätzliche Verkabelungen.
Cabinet Controller als alternativer „Rechenknecht“
Mit dem Cabinet Controller c550 zeigt Lenze nun einen neuen Ansatz, um leistungshungrige Automationsaufgaben mit Hilfe von Steuerungstechnik zu lösen. Die Basis bildet der verwendete Intel-Prozessor Core i7-7600U mit zwei Kernen und 2,8-GHz-Taktung (siehe Kasten). Mit dieser CPU wird die Performance-Grenze für Steuerungen nach oben neu definiert. Ziel war es, eine Controller-Serie zu entwickeln, welche die mit Industrie 4.0 schnell ansteigenden Anforderungen für Steuerungsaufgaben und Motion-Anwendungen problemlos bewältigen kann. Damit erweitert Lenze sein Portfolio deutlich nach oben. OEMs müssen sich bei komplexen Aufgaben also keine Gedanken mehr darüber machen, ob die Steuerung genügend Rechenpower liefern kann. Der c550 bietet Rechenpower satt.
Der Controller tritt damit in Konkurrenz zu Lösungen, für die aufgrund der reinen Leistungsanforderungen bisher nur Industrie-PCs in Frage kamen. Stattdessen kann der Maschinenbauer nun auf den kleineren Formfaktor der SPS zurückgreifen und ebenso die Standard-Software-Bausteine der Fast-Toolbox von Lenze einsetzen, inklusive der dafür erstellten Module sowie selbst entwickelter Bausteine. Ebenso können bereits existierende Programme beziehungsweise Programm-Module nach IEC 61131-3 und Projekte auf Basis der Codesys-Programmierumgebung weiterverwendet werden.
PC und SPS offen kombiniert
Das Modell c750, das auf der gleichen Hardware basiert, lässt die Trennung zwischen SPS und Industrie-PC weiter verschwimmen. Denn dieser Controller deckt Anwendungsfälle ab, in denen Windows-Applikationen zwingend benötigt werden. Die Open System-Architektur, die Lenze mit diesem Modell ermöglicht, teilt die Rechenleistung auf zwei unabhängige Betriebssysteme auf. Das Real-Time-Linux ist für Steuerungsaufgaben zuständig, das offene Windows 10 IoT Enterprise steht für kundenspezifische Softwareanwendungen zur Verfügung.
Jedes dieser Systeme läuft auf einem physikalischen Prozessorkern, der sich in zwei virtuelle Kerne aufspaltet und damit zwei Aufgaben parallel bearbeiten kann. Möglich macht dies die in der CPU integrierte Virtualisierung auf Prozessorebene, die eine direkte Zuordnung der vorhandenen Ressourcen erlaubt – neben den Prozessorkernen auch Arbeitsspeicher und Schnittstellen. So sind beim Cabinet Controller c750 der Display-Port, ein Gigabit-LAN-Anschluss, der USB-3.0-Port und der CFast-SSD-Einschub dem Windows-System zugeordnet. EtherCAT-Master, ein zweites Gigabit-LAN und der USB-2.0-Port sind mit dem SPS-Teil verknüpft.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1481600/1481622/original.jpg)
Speicherprogrammierbare Steuerung
Was ist eine SPS? Definition, Grundlagen und Funktion
Von Machine Learning bis Datenaustausch mit der Cloud
Zu den häufigsten Windows-Applikationen zählen Datenbank-Anwendungen wie etwa Rezeptmanagement und Daten-Auswertungen, zum Teil mit Hilfe von Machine Learning. Ein Beispiel hierfür wäre Predictive Maintenance. Auf Windows angewiesen sind zumeist auch Bilderkennung für Barcode-Leser und 2D/3D-Scanner oder Vision-Applikationen, ebenso Teaching-Anwendungen zum einfachen Anlernen von Robotern.
In zunehmendem Maße wird auch der Datenaustausch mit der Cloud relevant. Die Datenvorverarbeitung, beispielsweise in Form von Mittelwerten über ein Messintervall, die Reduzierung der zu übertragenden Messpunkte oder das Herausfiltern von abweichenden Messwerten können dazu beitragen, das Datenvolumen, das in die Cloud übertragen wird, deutlich zu reduzieren. Dies verringert zum einen den Netzwerkverkehr im Shopfloor und auf externen Kommunikationswegen. Zum anderen hilft es, Kosten bei der Cloud-Anwendung zu sparen, da deren Abrechnung häufig auf dem übertragenen Datenvolumen basiert.
Dank unabhängiger Betriebssysteme bleibt Maschinensteuerung stabil
Im Mittelpunkt dieser Kombination von SPS und PC in einem Gerät steht die kompromisslose Stabilität der Maschinensteuerung. Die beiden Betriebssysteme sind voneinander völlig unabhängig: Sollte das Windows 10 IoT Enterprise auf dem PC-Teil abstürzen, läuft der Steuerungs-Teil völlig unbehelligt weiter – allerdings ohne die Berechnungen, die an den PC-Teil ausgelagert wurden.
Der Cabinet Controller c750 von Lenze ist also genauso zuverlässig wie die Kombination aus einer Steuerung und einem PC mit jeweils eigener Hardware. Gleiches gilt für die Sicherheit: Trotz der Integration in einem Gehäuse und der gemeinsamen CPU besitzen SPS- und Windows-Teil jeweils ein eigenes Netzwerk. Diese können zwar intern miteinander kommunizieren, lassen sich aber auch mit den üblichen Sicherheitsmaßnahmen gegeneinander abschotten, sodass Malware oder Angriffe auf dem Windows-PC nicht automatisch die SPS gefährden.
Zudem ergeben sich interessante wirtschaftliche Vorteile. Denn bestimmte Baugruppen müssen nicht doppelt ausgeführt werden. Die Verkabelung wird einfacher, und auch bei der Programmierung und der Wartung des Systems ist für den OEM weniger Aufwand nötig, da sich der Entwickler nur mit einem System verbinden muss, anstatt parallel auf zwei Geräten zu agieren. Vom kompakten Formfaktor profitiert die Dimensionierung des Schaltschrankes. Hier ist meist wenig Platz, und im Unterbau von Maschinen oder Antrieben ist eine Veränderung der Außenmaße, um einen zusätzlichen PC unterzubringen, oft ohnehin nicht möglich. Auch für den Anlagenbetreiber wird durch die Integration von SPS und PC vieles einfacher: Eine gemeinsame Geräteüberwachung, einfachere Status-Übergabe und ein integratives Power-Down-Handling sind hier unter anderem zu nennen.
IT trifft OT: Wenn Grenzen verschwimmen
Spätestens mit der großen Verbreitung von OPC UA als Standard in vielen Automatisierungslösungen und -komponenten wurde auf breiter Front die durchgängige Vernetzung vom Field-Level bis zur Cloud möglich. Wie skizziert kann der Cabinet Controller c750 die so gesammelten Daten Cloud-gerecht vorverarbeiten. Für den letzten Schritt, die Integration der Maschinen einer Smart Factory nicht nur in überlagernde Systeme wie SCADA, MES und ERP, sondern bis hin zur Cloud, hat Lenze die Lösung X4 Remote entwickelt. Diese besteht aus Cloud-Gateways und einem Cloud-basierenden Angebot von Webservices. Angebunden werden können sowohl Lenze-Controller als auch SPSen anderer Hersteller.
Die gesammelten Maschinendaten werden protokolliert und in Datenclustern gespeichert. Auswertungen lassen sich in selbst konfigurierten Dash-Boards visualisieren, diese sind auf Wunsch per Web auch auf mobilen Geräten abrufbar. Über die Cloud-Solution lassen sich Live-Überwachung und Alarme einrichten und weitere Services erstellen, beispielsweise Fernwartung und Maschinendiagnose. Moderne Schnittstellen eröffnen weiter Möglichkeiten, etwa Business-Intelligence-Applikationen. Mit Hilfe von fortschrittlicher Verschlüsselungstechnik sowie einem ausgefeilten Benutzer- und Gerätemanagement, das eine eindeutige Authentifizierung und Autorisierung beinhaltet, wird die Sicherheit der Daten in der Cloud gewährleistet.
Damit unterstützt Lenze die Geschäftsmodelle des OEM, zu denen auch die Optimierung von Wartung und Instandhaltung oder den Informationsaustausch mit Lieferanten und Abnehmern zählen.
Controller schieben Leistungsgrenze für SPSen nach oben
Der Wunsch der Anwender nach modularen Maschinen und Anlagen mit höherer Flexibilität bedeutet in der Praxis höhere Anforderungen an die Software. Damit stoßen Projekte immer öfter an die Grenze dessen, was bisherige Steuerungen zu leisten vermögen. Mit dem Controller c550 bietet Lenze für solche Projekte eine leistungsfähige Lösung. Manche Automations-Applikationen benötigen auch zwingend eine Windows-Umgebung. Der c750 schafft hier eine Alternative zu einem zusätzlichen PC, indem er dessen Funktion gemeinsam mit der Steuerung in einem kompakten Formfaktor vereint. Die beiden Controller schieben die Leistungsgrenze für SPSen deutlich nach oben – und damit auch die Schwelle für den Wechsel auf PC-Technik. So ermöglicht Lenze seinen Partnern, die PLC-basierenden Module und Bausteine auch in komplexeren Projekten weiterzuverwenden sowie Aufwand und Platzbedarf im Schaltschrank zu begrenzen.
SPS 2019: Halle 1, Stand 360
* Martin Kluge, Leiter Produktmanagement Automation Systems bei Lenze
(ID:46181668)