3D-Druck-Verfahren vorgestellt Was kann Selektives Lasersintern (SLS)?

Von Christoph Erbe

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Vom Namen her sind die meisten Verfahren zur additiven Fertigung mit Metall und Kunststoff bekannt. Doch wie funktionieren sie? Was sind ihre Stärken, was ihre Schwächen? Was ist beim Bauteildesign zu beachten? Und für welche Anwendungen sind sie geeignet? 3D-Druck-Spezialist Materialise gibt einen Überblick. Teil 5: Selektives Lasersintern (SLS)

Blick in den Bauraum einer SLS-Anlage: der Laser hat bereist einen Teil der definierten Flächen gesintert.
Blick in den Bauraum einer SLS-Anlage: der Laser hat bereist einen Teil der definierten Flächen gesintert.
(Bild: Materialise)

Eines der ältesten, vielseitigsten und meistgenutzten Verfahren im 3D-Druck ist das Selektive Lasersintern (SLS), auch kurz Lasersintern genannt. Die Technologie wurde 1988 an der Universität Texas entwickelt und 1992 in Form eines ersten Druckers realisiert.

Beim Lasersintern wird Kunststoffpulver mit Hilfe einer Walze oder einer Rakel vollflächig auf einer Bauplattform verteilt und anschließend mit einem Hochleistungslaserstrahl selektiv durch Schmelzen verbunden. Hat der Laser die erste Schicht vollständig bearbeitet, senkt sich die Plattform ab und es wird eine neue Pulverschicht aufgebracht. Der Laser schmilzt nun die in dieser Schicht definierten Flächen. Diese Vorgehensweise wird immer und immer wieder wiederholt, wodurch nach und nach das Bauteil entsteht. Sind die Sintervorgänge abgeschlossen, wird das Bauteil aus dem Bauraum herausgenommen und das am und im Objekt verbliebene Pulver entfernt. Weitere Nachbearbeitungsschritte dienen der Oberflächenbehandlung oder der Reduzierung interner mechanischer Spannungen.

Eigenschaften und Anwendungsfelder

Zu den Vorteilen von SLS zählt, dass hier keine Stützstrukturen notwendig sind, da überhängende Strukturen im Pulverbett stabilisiert werden. Dadurch lassen sich beliebige dreidimensionale Geometrien erzeugen. Unter anderem können diese Hinterschneidungen aufweisen, die in konventioneller mechanischer oder gießtechnischer Fertigung nicht herstellbar sind. Ebenso sind mit dem Verfahren hochgradig komplexe Konstruktionen wie bewegliche Teile, Scharniere und Ketten in einem Stück realisierbar, was spätere Montageschritte einspart oder auch vollkommen neue Designlösungen oder sogar Anwendungen ermöglicht.

Eine weitere Stärke des Lasersinterns ist, dass im Bauraum mehrere voneinander unabhängige Bauteile gleichzeitig gedruckt werden können. Durch geschickte Anordnung (Nesting) der Teile lässt sich der vorhandene Bauplatz in jeder Maschine optimal ausnutzen, was die Fertigung zum Beispiel kleiner Serien oder verschiedener Prototypen-Varianten relativ schnell und kostengünstig macht.

In der Nachbearbeitung lässt sich das Bauteil auf besonders vielfältige Weise an verschiedene Anforderungen und Vorstellungen anpassen. Unter anderem kann das Druckobjekt mittels Dichtungsmittel eine höhere Luft- und Wasserdichtheit erhalten oder mittels Lösungsmittelbad eine außerordentlich glatte Oberfläche. Weiterhin lassen sich die Bauteile lackieren oder auch in einem Farbpigmentebad einfärben. Durch Tempern werden innere Spannungen abgebaut.

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Die beim SLS hauptsächlich eingesetzten Werkstoffe machen die Bauteile mechanisch belastbar, leicht und hitzestabil. Dadurch eignet sich die Technologie für zahlreiche Anwendungen. Unter anderem lassen sich mit dem Lasersintern sehr gut Prototypen fertigen, deren Eigenschaften mit denen von Spritzgussbauteilen vergleichbar sind. Bei Kleinserien kleiner Komponenten kann das Verfahren außerdem eine kostengünstige Alternative zu Spritzguss darstellen. Es wird bereits häufig zur seriellen Produktion eingesetzt. Weiterhin ist SLS ausgezeichnet für die personalisierte Fertigung und die wirtschaftliche Produktion einzigartiger, komplexer Designs in kleinen Stückzahlen geeignet. Neben Bauteilen mit beweglichen oder ineinandergreifenden Elementen sind unter anderem auch Leichtbaukonstruktionen mit komplexen Gitterstrukturen realisierbar.

Materialien

Die bei SLS mit Abstand am häufigsten verwendeten Materialien sind Polyamide (PA). Daraus gedruckte Bautteile haben eine hervorragende Langzeitstabilität, sind resistent gegenüber den meisten Chemikalien und weisen eine hohe mechanische und thermische Widerstandsfähigkeit auf. Sie können außerdem imprägniert und so noch widerständiger werden.

Unter den Polyamiden hervorzuheben ist beispielsweise PA 2210 FR. Das Material ist ein flammhemmender, Halogen-freier Werkstoff mit herausragender langfristiger Stabilität und hoher chemischer Widerstandsfähigkeit. Der Hochleistungskunststoff erfüllt die höchste Brennbarkeitsklasse nach Norm UL 94 und ist gemäß FAR 25.853 geprüft, sodass er sich sogar für elektrische und elektronische Bauteile sowie Luftfahrtanwendungen eignet.

Weitere interessante Werkstoffe sind Mischungen aus Polyamiden und anderen Materialien. Hier lässt sich etwa Ultrasint PA6 MF herausgreifen, ein mineralgefülltes Polyamid, das sich durch hervorragende Werte für Zugfestigkeit, Steifigkeit, thermische Eigenschaften und Chemikalienbeständigkeit auszeichnet. Dadurch ist es ideal für die Fertigung funktionsfähiger Prototypen etwa in der Automobilindustrie, für die ein Material benötigt wird, dessen Eigenschaften denen von PA6 im Spritzguss ähneln.

Interessant ist außerdem PA-AF, eine Mischung aus Aluminium- und Polyamid-Pulver. Sie erzeugt metallische, nicht poröse Komponenten, die sich gut befräsen und anderweitig bearbeiten lassen und Temperaturen bis zu 130 °C standhalten. Zu den typischen Anwendungen zählen Teile für Windkanaltests in der Automobilindustrie, kleine Produktionsläufe, die Fertigung von Vorrichtungen sowie Modelle für Schulungs- und Demonstrationszwecke mit metallischem Erscheinungsbild. Auch mit Glaspartikeln gefüllte Polyamide-Pulver (PA-GF) sind beim Lasersintern gebräuchlich. Sie sind wärmebeständiger als reine Polyamide – bis zu 110 °C sind möglich – und finden normalerweise bei Funktionstests mit thermischen Lasten Verwendung.

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Ein anderes, beim SLS häufig genutztes Material ist Polypropylen (PP). 3D-gedrucktes PP ist ein durchscheinendes, grauweißes Material mit einer außergewöhnlich hohen Bruchdehnung (>500 %) und ähnlichen Eigenschaften wie Spritzguss-PP. Dank seiner Robustheit, Ermüdungsfestigkeit und seines geringen Gewichts eignet sich PP für Form-, Pass- und Funktionsprüfungen. Prototypen und Prüflinge aus 3D-gedrucktem PP haben den großen Vorteil, dass sie aus dem gleichen Material bestehen wie das Endbauteil. Ideale Anwendungsbereiche sind beispielsweise funktionelle Prototypen für Bauteile mit Schnapphaken oder Filmscharnieren sowie Verpackungen und Konsumgüter.

Designtips

Für Polyamid und Polypropylen empfiehlt sich eine Mindestwandstärke von 1 mm, für Filmscharniere sind jedoch auch schon 0,3 mm beziehungsweise 0,4 mm ausreichend. Mit einer hohen Wandstärke lässt sich eine feste, mit einer geringen Wandstärke eine flexible und dehnbare Oberfläche erreichen. Oberflächen mit geringer Wandstärke sind beispielsweise perfekt für die Konstruktion eines Bauteils geeignet, das gewisse Federungseigenschaften benötigt. Das Bauteil wird dadurch leicht und flexibel.

Um Verformungen und Verfärbungen beim Druckvorgang zu verhindern, sollten Bauteile möglichst ausgehöhlt werden. Dabei besteht die Option, auf eine Öffnung in der Oberfläche zu verzichten, wobei nicht gesintertes Pulver im Inneren verbleibt. Soll Restpulver im Hohlraum nach dem Druck problemlos entfernt werden, empfiehlt sich mindestens ein strategisch günstig platziertes Loch. Ist es notwendig, das Teil später zu verschließen, sollte die Abdeckung mit einem Durchmesser konstruiert werden, der einen Spalt von 0,5 mm zwischen Bauteil und Abdeckplatte lässt.

Es ist zu empfehlen, ebene Flächen an Bauteilen nicht zu groß zu konstruieren, etwa in Formaten wie A4, da mit der Größe auch die Gefahr einer Verformung beziehungsweise eines Verzugs des Modells zunimmt.

Ineinandergreifende oder bewegliche Bauteile sollten einen Mindestabstand von 0,5 bis 0,6 mm zueinander haben, um einwandfrei funktionieren zu können. Außerdem erleichtert Freiraum die Entfernung nicht gesinterten Pulvers nach dem Druck, sodass es generell sinnvoll ist, mit möglichst großem Abstand zwischen den Teilen zu planen. Mindestens 0,6 mm Abstand zwischen den einzelnen Bauteilen ist außerdem auch dann einzuplanen, wenn Bauteile nach dem Druck montiert werden sollen. Bei Bauteilen mit großen Oberflächen und Wandstärken ist sogar ein noch größerer Abstand erforderlich.

Löcher mit kleinem Durchmesser sind beim Sintern einer hohen Wärme ausgesetzt. Dadurch kann es sein, dass Restpulver in den Löchern schmilzt. Damit die Löcher frei bleiben, ist bei der Konstruktion ein Durchmesser von mindestens 1 mm einzuplanen. Ab einer gewissen Länge lassen sich außerdem innen liegende Kanäle nur noch schwer säubern. Bereits teilweise gesintertes Restpulver verstärkt das Problem zusätzlich. Für innen liegende Kanäle empfiehlt sich daher ein Durchmesser von mindestens 3 mm.

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Lesen Sie auch die Teile 1 bis 4 unserer Serie:

* Christoph Erbe, Team Lead Project Management, Materialise Manufacturing Deutschland

(ID:47023928)