Hannover Messe 2016 Vernetzung kann Stillstandszeiten um 50 % reduzieren
Fallen Maschinen aufgrund eines Fehlers aus, kommt dies Unternehmen teuer zu stehen – so auch im Presswerk. Mit dem Presswerk 4.0 des Fraunhofer IWU sollen Mitarbeiter Fehler schneller erkennen und beheben können, indem sie Daten in der Produktion gezielt vernetzen.
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Angeliefert auf riesigen Rollen werden Stahlbleche im Presswerk zunächst zugeschnitten. Anschließend durchlaufen sie mehrere Pressen und erhalten hier ihre gewünschte Form – beispielsweise die einer Autotür. Entdeckt ein Mitarbeiter jedoch ein Riss im Bauteil, muss er es schnell aussortieren, denn jeder weitere Prozessschritt kostet Geld.
Knifflig wird es vor allem, wenn der Fehler kein Ausreißer ist, sondern alle aus der Presse laufenden Bauteile den Defekt aufweisen. Dann heißt es: die Pressen anhalten und die Ursache suchen. Liegt es am Werkstoff oder der Beölung? Ist ein Werkzeug fehlerhaft? Fährt die Presse nicht ordnungsgemäß? Die zahlreichen Parameter und Fehlerszenarien zu überprüfen, kostet Zeit, in der die Maschinen stillstehen.
Die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz haben sich der Industrie 4.0 im Maschinenbau gewidmet – unter anderem in Form des Presswerks der Zukunft.
„Wir führen die verschiedenen Daten in einem internen Analyse- und Feedbacksystem, der ‚Linked Factory‘, zusammen und schaffen daraus neue Informationen, die wir den Mitarbeitern dann beispielsweise auf mobilen Geräten bereitstellen“, sagt Sören Scheffler, Wissenschaftler am IWU. „Auf der Grundlage dieser Daten können wir die Fehlerquellen schneller eingrenzen und dem Mitarbeiter gezielt Lösungsvorschläge bereitstellen.“ Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie und Wissenschaft arbeitet das Fraunhofer IWU daran, die fehlerbedingten Stillstandszeiten um 50 % zu reduzieren.
Software errechnet Fehlerquelle mithilfe von Sensordaten
Doch nicht nur in Bezug auf Stillstandszeiten soll das Presswerk 4.0 weiterhelfen. Auch bei kurzfristigen Planänderungen sollen Werksbetreiber schneller auf Marktanforderungen und Kundenwünsche reagieren können.
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Zunächst setzen die Forscher auf Daten, die bereits erhoben werden, etwa durch Sensoren oder Kamerasysteme. Oftmals gelangen diese nicht an die Stelle, an der sie gebraucht werden. Künftig sammelt eine Software die Daten zentral, verknüpft sie zu Informationen und generiert auf diese Weise neues Wissen. Im Fall der fehlerhaften Autotür kombiniert das Programm Sensordaten von Werkzeugen mit Informationen zur Beölung und Daten zum Ausgangsmaterial und überprüft, welche Werte außerhalb der jeweils vorher festgelegten Toleranzwerte liegen. Auf dieser Grundlage schlägt die Software dem Mitarbeiter dann Szenarien vor, mit denen er das gemeldete Problem zielgerichteter lösen soll.
System soll in Zukunft Fehler frühzeitig erkennen
Die Forscher wollen das System langfristig so weit fortentwickeln, dass es bereits eine Warnung ausgibt, bevor es zu Fehlern kommt. Hierzu müssten weitere Datenquellen in Form von Sensoren installiert werden: „Wir könnten beispielsweise den Werkstoff überprüfen, bevor er in die Produktion geht. Ist das einzelne Blech in Ordnung? Falls nicht, können die Mitarbeiter es bereits aussortieren, ehe es umgeformt wird und weitere Teile daran montiert werden. Auf diese Weise lassen sich Ressourcen sparen“, sagt Scheffler.
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Industrie 4.0
Eine einzelne Maschine kann nicht Industrie 4.0
Die Forscher am IWU denken schon ein Stück weiter: Mit einer Kombination aus Prozesssensorik und aktiven Komponenten kann das Prozessfenster des Umformvorgangs verbessert werden. „Wenn ich der Presse zum Beispiel diese neu erfassten Informationen über die Beschaffenheit des Ausgangsmaterials mitgebe, können geeignete Kompensationsmaßnahmen ergriffen und Störeinflüsse automatisiert ausgeglichen werden, etwa durch aktive Komponenten wie intelligente Führungsschuhe oder adaptive Lager. Das heißt, der Anwender kann Ausgangsmaterial verarbeiten, das eigentlich im Ausschusscontainer gelandet wäre“, so Scheffler.
Presswerk 4.0 auf der Hannover Messe 2016
Auf der Hannover Messe vom 25. bis 29. April stellen die Forscher das Presswerk 4.0 unter dem Leitthema „Industrie 4.0 sichtbar machen“ vor. Die Besucher können ein Miniatur-Presswerk sehen, das als Projektionsfläche dient: Halten sie einen Tablet-Computer vor das Modell, werden auf dem Bildschirm virtuelle Informationen über dem realen Modell eingeblendet. „Auf diese Weise legen wir Informationsströme offen, die sonst verborgen bleiben – man könnte auch sagen: Wir machen Industrie 4.0 sichtbar“, sagt Scheffler. Die Besucher können sich so auf einen virtuellen Rundgang durch verschiedene Beispielszenarien begeben und beobachten, wie Anwender Energie, Material und Zeit mit Industrie 4.0-Technologien einsparen können. (kj)
Hannover Messe 2016: Halle 2, Stand C16/C22
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