Additive Fertigung Verfügbare Kunststoffe für den 3D-Druck
Unterschiedliche Fertigungsverfahren erfordern unterschiedliche Rohstoffe. Konventionelle thermoplastische Werkstoffe können daher nicht einfach 1:1 als Filament-Rohstoff für den 3D-Druck eingesetzt werden.
Anbieter zum Thema

Wer thermoplastische Kunststoffe für den 3D-Druck im FFF-Verfahren (Fused Filament Fabrication) sucht, wird sehr schnell ernüchtert feststellen, dass das Angebot an unterschiedlichen Werkstoffen doch sehr übersichtlich ist. Etwas überspitzt formuliert: es besteht die Auswahl zwischen PLA (Polylactid) für einfache – und ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) für anspruchsvollere Bauteile. Andere Thermoplaste fallen bei den Filament-Lieferanten schon unter die Rubrik Spezial-Werkstoffe. Wer gar nach den Standardmaterialien der konventionellen Thermoplast-Verarbeitung wie Polypropylen (PP) oder Polystyrol (PS) sucht, wird häufig erst gar nicht fündig.
:quality(80):fill(efefef,0)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1475400/1475478/original.jpg)
Gründe für die begrenzte Auswahl
Warum ist es schwierig oder (noch) unmöglich, die aus dem Spritzguss bekannten Werkstoffe zu verwenden?
Faserverstärkte Kunststoffe: Verstärkungsfasern (Glas-/Kohlenstoff-Fasern) in Thermoplasten haben typischerweise eine mittlere Faserlänge von 300 – 500 µm. Dadurch kommt es beim Drucken mit den handelsüblichen Düsendurchmessern von 400 µm (teilweise auch < 200 µm) zu Förderstörungen.
Unpolare Werkstoffe: Zum punktgenauen Auftrag der Schmelze an der richtigen Position ist eine feste Verankerung des entstehenden Bauteils auf der Trägerplatte des Druckers zwingend erforderlich. Unpolare Werkstoffe wie PE oder PP zeigen allgemein nur eine geringe Oberflächenhaftung und sind daher schwer zu fixieren.
Teilkristalline Thermoplaste: Beim Abkühlen aus der Schmelze bilden sich Kristallite, die zu einer starken Schwindung führen. Diese kann im Gegensatz zu konventionellen Herstellprozessen beim 3D-Druck nicht kompensiert werden. Es treten Verzugserscheinungen auf, die im Extremfall zum Ablösen des Bauteils von der Trägerplatte und damit zum Druckabbruch führen.
Gezielte Additivierung: Zusatzstoffe wie beispielsweise Farbpigmente werden in der Kunststoffverarbeitung üblicherweise über Konzentrate in Granulatform (Masterbatches) zugemischt. Da Granulat im Filamentdruck nicht zugemischt werden kann, ist dieses Standard-Verfahren zur einfachen Materialanpassung nicht möglich.
Individuelle Materialeinstellungen (Compounds): Aufgrund der geringen benötigten Mengen – mit 25 kg Kunststoff kann ein handelsüblicher 3D-Drucker ein halbes Jahr lang ununterbrochen produzieren – ist die aufwendige Herstellung von Schmelzemischungen überproportional teuer.
Hochtemperaturbeständige Werkstoffe: Die Verarbeitung von Hochtemperatur-Thermoplasten erfordert die exakt definierte Temperierung des Bauraumes während des kompletten Druckvorgangs. Eine große Herausforderung, da höchst unterschiedliche Temperaturzonen (Druckerkopf, Bauraumwandung und beheizte Trägerplatte) auf sehr engem Raum berücksichtigt werden müssen.
Bruchempfindliche Werkstoffe: Filamente werden typischerweise auf Spulen gewickelt. Besonders spröde Materialien lassen sich nicht auf die engen Spulen-Radien wickeln oder können in der Materialzuführung des Druckers brechen.
Hinzu kommt, dass manche Drucksysteme nur mit den Rohwaren der jeweiligen Hersteller betrieben werden können. Werkstoffe von Drittanbietern werden durch Verwendung spezieller Kartuschen, Kennzeichnung mit RFID-Chips oder über den Entfall der Gewährleistung ausgeschlossen. Unter diesen Aspekten wird verständlich, warum Standard-Thermoplaste wie PE und PP am Markt für Filament-Drucker praktisch keine Rolle spielen: sie sind teilkristallin und zeigen sehr wenig Haftungsvermögen.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1423200/1423200/original.jpg)
Kosten
Wann sich der Einsatz von 3D-Druck lohnt
Hohe Qualitätsanforderungen
Neben der stark eingeschränkten Werkstoffauswahl spielen auch die hohen Qualitätsanforderungen an die zur Verfügung stehenden Kunststoffe eine große Rolle für den Seriendruck. Während kleinere Qualitätsschwankungen im Hobby-Bereich oder auch bei der Herstellung von Prototypen eher akzeptiert werden, wird dies in der Serienfertigung nicht mehr toleriert. Daher gelten für diese Filamente erheblich höhere Materialanforderungen als an die Rohwaren in konventionellen Verarbeitungsprozessen. Während ein 100-g-Bauteil im Spritzgieß-Prozess innerhalb von Sekunden fertiggestellt ist, benötigt selbst ein sehr schneller professioneller 3D-Filament-Drucker hierfür einige Stunden. Jeder Fehler im Filament, der während dieses Zeitraums auftritt, kann das Bauteil komplett unbrauchbar machen: Lufteinschlüsse, Schwankungen im Durchmesser, Verunreinigungen, ungleichmäßiger Schmelzefluss, Verschlaufungen auf der Spule, etc. Die Fehler sind unter Umständen erst nach mehreren Stunden Produktionszeit am halbfertigen Bauteil erkennbar. (qui)
* Dipl.-Ing. (FH) Frank Richter freiberuflicher Ingenieur, Eningen u. A.
(ID:43606109)