Maschinensicherheit Technologietag diskutiert funktionale Sicherheit

Redakteur: Jan Vollmuth

Deutsche Werkzeugmaschinen sind die sichersten der Welt – aber funktionale Sicherheit bei Werkzeugmaschinen lässt sich nicht unter einen normengerechten, globalen Hut bringen. Auf der METAV 2014 vom 11. bis 15 März in Düsseldorf ist diesem Thema ein hochkarätiger VDW-Technologietag gewidmet.

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(Bild: Monforts)

Die funktionale Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt von Werkzeugmaschinen, beispielsweise bei der Absicherung von Tätigkeiten bei geöffneten Schutztüren. Strittig unter Praktikern sind Risikobeurteilung und deren Reproduzierbarkeit, wie sie von der neuen Steuerungsnorm ISO 13849 gefordert werden. Denn die neuen wahrscheinlichkeitstheoretischen Berechnungen – in der Fachsprache probabilistische Methoden – stellen die bisherige Betriebsbewährtheit in Frage und führen zu Unterbewertungen.

Werkzeugmaschinenbauer sind schon aus Haftungsgründen (Produkthaftung wie persönliche Haftung) seit jeher um Einhaltung gängiger Sicherheitsvorschriften und Normen bemüht und stecken erhebliche Aufwände in das Erreichen normkonformer Sicherheitsstandards. Dabei könne das neue Regelwerk, so eine weit verbreitete Expertenmeinung, gar nicht in allen Bereichen erfolgreich angewendet werden, weil die geforderte rechnerische Ausfallsicherheit bewährter technischer Lösungen auf dem Papier nicht nachgewiesen werden kann.

Theorie und Praxis der Risikobeurteilung

Die Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis in der Risikobeurteilung bringt Professor Dominic Deutges von der Hochschule Niederrhein, Krefeld, und Technologieberater der A. Monforts Werkzeugmaschinen, Mönchengladbach, so auf den Punkt: „In der praktischen Anwendung der ISO 13849 zeigt sich in Teilbereichen, dass aktuelle und sicherheitsbewährte Schaltungen der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie den neuen Rechenregeln nicht genügen.

Gerade im Bereich der hydraulischen Spanntechnik zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Bewährtheit von vielen tausend Maschinen im Feld und der nach ISO 13849 berechneten Sicherheit. Wir haben schon seit Jahren ein sehr geringes Unfallgeschehen und Untersuchungen der deutschen Berufsgenossenschaft zeigen, dass das größte Problem heute die Manipulation von Sicherheitseinrichtungen ist.“

Kritisch sei aber auch die Risikobeurteilung mit dem so genannten „Risikographen“ der ISO 13849, da hier die geforderten Werte ohne Begründung aus dem Unfallgeschehen häufig höher liegen, als dies bisher der Fall war. Die ISO 13849 „hätte vor der Veröffentlichung an realen, aber schwierigen Schaltungen aus dem Werkzeugmaschinenbau geprüft werden sollen, was leider nicht erfolgt ist“.

vereinfachender Ansatz mit probabilistischen Methoden

Die ISO 13849 ist ein vereinfachender Ansatz, der die Sicherheit mit probabilistischen Methoden beschreiben möchte – im Gegensatz zum deterministischen Ansatz der Vorgängernorm EN 954. Dabei baut die Norm auf den Methoden der ISO 61508 auf und erfordert umfangreiche Ausfallsicherheitsberechnungen. Die hierbei generierten Berechnungsunterlagen umfassen beispielsweise schon bei einfachen Standard-Drehmaschinen etwa 200 Seiten, dazu kommt noch eine Risikobeurteilung nach ISO 12100 mit etwa 80 Seiten – ein immenser Aufwand, der sich „ohne die Unterstützung durch geeignete Tools nicht mehr praxisgerecht bewältigen lässt“, so Deutges.

Technologieberater Deutges: „Wir brauchen eine Risikobeurteilung, die das gesamte, von einer Maschine ausgehende Risiko über die Betriebsdauer bilanziert und zu absoluten Richtwerten ins Verhältnis setzt. Hiermit liegt dann automatisch ein Fokus auf manipulierten Betriebszuständen, die – so zeigen Studien der Berufsgenossenschaft – durchaus sehr verbreitet sind.“ Wesentlich sei auch ein alternatives Risikomodell, das die Sicherheit von Maschinen oder deren Sicherheitsfunktionen aus der Betriebsbewährtheit nachweist. Damit verbunden ist ein Fortbestand von bewährten Sicherheitsschaltungen, die in den vergangenen Jahren erfolgreich eingesetzt wurden.

Frage nach dem technisch Machbaren

Das neue Regelwerk, so Deutges, „wird für die Maschinenhersteller an den Stellen kritisch, an denen aktuelle sicherheitstechnische Lösungen den Berechnungskriterien nicht genügen. Oft stellt sich hier die Frage nach dem technisch Machbaren, nicht nur nach erhöhten Kosten“. Darüber hinaus haben Maschinenhersteller heute nach der neuen Maschinenrichtlinie die Verpflichtung, Maßnahmen gegen die Manipulation von Schutzeinrichtungen zu ergreifen.

Ein praxisgerechter Ansatz dazu sind funktional eingeschränkte Sonderbetriebsarten. Das aktuelle Problem dabei ist der bei vielen Maschinentypen hierzu noch fehlende normative Rahmen: „Die Hersteller operieren bei diesem Thema in einer Grauzone.“ Der VDW und seine Mitgliedsfirmen arbeiten seit Jahren an der Umsetzung der ISO 13849 und der Entwicklung alternativer Ansätze. Daran beteiligt sind überdurchschnittlich viele Hersteller, allerdings überfordert die derzeitige Häufung von internationalen Normungsvorhaben viele der mittelständischen Unternehmen.

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