Interview Steckverbinder für Industrie 4.0
Industrie 4.0 ist in aller Munde. Die deutschen Hersteller bejubelten gerade erst auf der Hannover Messe ihre Innovationen. Wir wollten wissen, wie es eigentlich in der Praxis aussieht. Bernd Horrmeyer, Fachreferent für Standardisierung bei Phoenix Contact gab uns eine Einschätzung aus Sicht des Blomberger Unternehmens.
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Herr Horrmeyer, welchen Einfluss wird das Thema „Industrie 4.0“ auf die Verbindungstechnik und auf die Datenraten haben?
Horrmeyer: Industrie 4.0 ist die Beschreibung vieler Anforderungen und Potentiale, die vielfach seit Jahren bestehen, aber jetzt erst ermöglicht werden – etwa durch neue Technologien, schnelle Netzwerke und kostengünstige Rechenleistung. Basis für das Gesamtkonzept Industrie 4.0 wird eine offene Netzwerkstruktur sein, die mit ihrer Flexibilität und Transparenz, mit leichter Änder- und Erweiterbarkeit sowie mit der Einbindung von Betriebsmitteln mit hohen Datenraten erst die Möglichkeit zur Selbstorganisation schafft.
Außerdem muss diese offene Netzwerkstruktur zur Verbesserung der Monitoring- und Diagnose-Funktionen beitragen. Man wird ein Netzwerk nicht mehr nur für die Teilnehmer auslegen, die bei der Installation bekannt sind. Zukunftssicherheit, Erweiterbarkeit, Modularisierung, höhere Datenraten – drauf wird es ankommen.
Wie sieht die Fabrik der Zukunft denn überhaupt aus? Von welchen neuen Applikationen sprechen wir mittelfristig?
Horrmeyer: Die industrielle Kommunikation stellt sich anhand der Automatisierungspyramide als hierarchische Lösung dar – von den Geräten im Feld bis hinauf zum ERP-System. Alle Teilnehmer mit ihren Kommunikationsbeziehungen werden bei der Konstruktion geplant. Anschlüsse auf Vorrat und große Bandbreiten-Reserven gibt es hier nicht. Mit den Kerngedanken von Industrie 4.0 – Produkt-Virtualisierung, Individualisierung einzelner Produkte, Begleitung des Produktes über den Lebenszyklus, Modularisierung der Produktionsanlagen – lässt sich dieses hierarchische und starre System nicht in Einklang bringen. Gefragt ist ein System, das allen Beteiligten – hierarchielos und umfassend – alle verfügbaren Informationen allen bereitstellt.
Kommen wir auf den Punkt: Welche Steckverbinder-Typen können diese Ansprüche am besten erfüllen?
Horrmeyer: Die Modularisierung erhöht die Anzahl der Kommunikationsteilnehmer im Feld – sei es nun ein Sensor oder eine Steuerung. Hierfür sind umweltgeschützte Steckverbinder notwendig, die wir heute schon als RJ45 und M12 kennen. Zur Energieversorgung der Teilnehmer etablieren sich M12-Steckverbinder in speziellen Power-Codierungen. Ein durchgehendes robustes Konzept und ein geringer Bauraum punkten hier in der Praxis.
Stehen die Steckverbinder-Hersteller heute vor großen technischen Herausforderungen – ober haben sie die Steckverbinder für die künftigen Applikation bereits im Anbebot?
Horrmeyer: Neue Anforderungen der Anwender sind eine Quelle der stetigen Inspiration für die Hersteller von Steckverbindern. Miniaturisierung, einfache Konfektionierung im Feld, Umweltaspekte und nicht zuletzt der Kostendruck erfordern Innovationen, die unabhängig vom Trend Industrie 4.0 die Branche bewegen. Um diese Herausforderungen zu meistern werden große Anstrengungen in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten unternommen, die beispielsweise der Entwicklung neuer Materialien und Fertigungsverfahren dienen.
Welche wirtschaftlichen Perspektiven ergeben sich für die Steckverbinder-Hersteller durch Industrie 4.0? Werden künftig mehr Steckverbinder benötigt?
Horrmeyer: Ja – wir rechnen hier mit zunehmenden Stückzahlen. Die Konzepte von Industrie 4.0 beruhen auf mehr Sensorik, intelligenten Geräten, Steuerungen und Datenverarbeitung. Das bedingt mehr Steckverbinder und Verbindungstechnik – übrigens nicht nur für die Kommunikation. Eine wirtschaftliche Chance liegt auch in der sukzessiven Nutzung von Industrie 4.0 durch die Steckverbinder-Hersteller selbst: eine flexible, transparente und effektiver organisierte Fertigung bietet auch das Potenzial für Kosteneinsparungen bei erhöhtem Kundennutzen. So kann eine Win-Win-Situation entstehen.
Wo beteiligt sich Phoenix Contact an Industrie 4.0? Was haben Sie bereits unternommen?
Horrmeyer: Neben der Umsetzung im eigenen Unternehmen engagiert sich Phoenix Contact in Forschung und Verbänden. So arbeiten wir im Forschungs-Cluster „it’s owl“ intensiv mit Hochschulen und Industriepartnern an mehreren Projekten zur flexiblen Produktionstechnik und Produktionsplanung. Darüber hinaus ist die Koordination der Aktivitäten zu Industrie 4.0 ein wesentlicher Baustein, weshalb wir in der Plattform Industrie 4.0 – getragen von den Verbänden BitKom, VDMA und ZVEI – an einer Standardisierungs-Roadmap mitarbeiten. Insgesamt kommt es darauf an, das Thema umfassend zu betrachten und zu gestalten – dann wird sich der Erfolg schon einstellen.
Herr Horrmeyer, vielen Dank für dieses Gespräch.
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