Ohne Antriebstechnik kein Materialfluss. Im ersten Teil unserer Serie erklären Experten, warum die Performance des Antriebs in der Fördertechnik nicht immer entscheidend ist.
Motor, Frequenzumrichter und Getriebe: Das dezentrale Antriebssystem Sinamics G115D ist speziell für horizontale Fördertechnik konzipiert.
(Bild: Maxiphoto/Siemens)
Intralogistik gilt als eine der Pionierbranchen, wenn es um den Einsatz neuer Technologien geht. Nicht von ungefähr. Am Materialfluss sitzen unzählige Effizienzhebel. Das macht Amazon mit seiner Chaos-Lagerhaltung ebenso vor wie große Verteilzentren oder die Produktionslinien in der auf Just-in-Time getrimmten Automobilindustrie. Praktisch immer ist dabei die Fördertechnik wichtig, vor allem die horizontale. Sie bugsiert, vereinzelt, nimmt Kurven und Ecken, sortiert in verschiedene Richtungen, wechselt die Bahnen und verheiratet, was zusammengehen soll: Schweres, federleichtes, fragiles, großes oder komplexes.
Ohne Antriebstechnik funktioniert das nicht. Die Antriebstechnik leistet beispielsweise die akkurate und flexible Taktung, generiert Dynamik oder bewegt schlicht schiere Massen. Mal in der Elektronikfertigung, mal in der Lebensmittelherstellung oder in der variantenreichen Montage, praktisch immer aber ein Stück der Supply Chain entlang. Das macht nicht nur das Förderkonzept oft zu einer strategischen Sache, sondern auch die Antriebslösung zu deren Enabler. Da kommt es nicht nur auf die Performance an. Bei der Vielfalt der Applikationen greifen hier ganz unterschiedliche Überlegungen.
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Motor, Frequenzumrichter und Getriebe: Das dezentrale Antriebssystem Sinamics G115D ist speziell für horizontale Fördertechnik konzipiert.
(Bild: Maxiphoto/Siemens)
Intralogistik gilt als eine der Pionierbranchen, wenn es um den Einsatz neuer Technologien geht. Nicht von ungefähr. Am Materialfluss sitzen unzählige Effizienzhebel. Das macht Amazon mit seiner Chaos-Lagerhaltung ebenso vor wie große Verteilzentren oder die Produktionslinien in der auf Just-in-Time getrimmten Automobilindustrie. Praktisch immer ist dabei die Fördertechnik wichtig, vor allem die horizontale. Sie bugsiert, vereinzelt, nimmt Kurven und Ecken, sortiert in verschiedene Richtungen, wechselt die Bahnen und verheiratet, was zusammengehen soll: Schweres, federleichtes, fragiles, großes oder komplexes.
Ohne Antriebstechnik funktioniert das nicht. Die Antriebstechnik leistet beispielsweise die akkurate und flexible Taktung, generiert Dynamik oder bewegt schlicht schiere Massen. Mal in der Elektronikfertigung, mal in der Lebensmittelherstellung oder in der variantenreichen Montage, praktisch immer aber ein Stück der Supply Chain entlang. Das macht nicht nur das Förderkonzept oft zu einer strategischen Sache, sondern auch die Antriebslösung zu deren Enabler. Da kommt es nicht nur auf die Performance an. Bei der Vielfalt der Applikationen greifen hier ganz unterschiedliche Überlegungen.
„Vereinfacht formuliert unterscheiden wir die Anwendungsfelder der horizontalen Fördertechnik primär nach zu befördernden Gewichten und den geforderten dynamischen Eigenschaften“, erklärt Tim Oliver Ricke, Global Segment Manager Intralogistik bei Lenze. Sekundär lasse sich eine Kategorisierung nach Rollen, Ketten und Bandförderern sowie nach deren Anwendungsgebiet vornehmen.
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Wenn Störkonturen zu Stillstand der Fördertechnik führen
Florian Kley, Global Product Manager, Modular Conveyor Platform MCP bei Interroll: „Herkömmliche Fördersysteme, die ständig aktive Antriebe verwenden, erzeugen Staudruck." (Bild: Interroll)
Die eigentliche Herausforderung steckt dann meist im Detail eines oft anspruchsvollen intralogistischen Layouts mit einer Kombi aus verschiedensten Strecken und Stationen. Da realisieren erst die angetriebenen Förderelemente wie etwa Rollen, Ketten, Drehtische oder Eckumsetzer das Fördertechnik-Konzept, in dem nichts haken darf und alles reibungslos ineinandergreifen muss. Ein Stillstand im Materialfluss lässt die Supply Chain bekanntlich zusammenfallen wir eine Kette aus Dominosteinen. Ein Kernproblem.
„Herkömmliche Fördersysteme, die ständig aktive Antriebe verwenden, erzeugen Staudruck“, erklärt Florian Kley, Global Product Manager Modular Conveyor Platform MCP beim Materialfluss-Spezialisten Interroll. „Dieser Druck kann dazu führen, dass Produkte während des Transports auf der Förderstrecke kollidieren, was Beschädigungen bewirken kann.“ Um diesen Nachteil zu vermeiden, seien staudrucklose Fördersysteme entwickelt worden. Sie vereinzeln die Transportgüter im Materialfluss. „Hierzu wird die Förderstrecke in unterschiedliche Förderzonen eingeteilt, die separat angesteuert werden.“
Bei Interrolls Ansatz wird zum Beispiel jede Zone von einer Motorrolle angetrieben, der Roller Drive. Hier ist ein bürstenloser DC-Motor in die Förderrolle integriert. Ein Zonen-Sensor identifiziert das Fördergut. Die Förderlogik wiederum kommt entweder von der Interroll-Steuerung oder einer zentralen Steuereinheit.
Gerade Kleinteile geraten statistisch gesehen „eher mal auf Abwege“ als große Objekte, heißt es bei Faulhaber. Der Spezialist für Kleinstmotoren sieht ganz ähnlich in speziellen, gekapselten Förderbändern eine Lösung, damit sich im Förderband nichts verklemmt. Eine so kompakte Bauweise erfordert einen kompakten Antrieb. Mit kleinen, edelmetallkommutierten DC-Antrieben samt integrierten Speedcontrollern seien unterschiedliche Bandgeschwindigkeiten möglich, da sich die Drehzahl der Motoren stufenlos regeln lassen.
Intelligente, kompakte Elektroantriebe mit integrierter Regelelektronik erschließen laut Faulhaber der Fördertechnik überhaupt interessante Perspektiven. Mit ihnen ließen sich beispielsweise viele Automatisierungsaufgaben wesentlich eleganter, mit weniger Komponenten und ganz ohne Druckluft lösen. Der Rollenantrieb etwa wird direkt in den Zuführrollen eingebaut, Weichenantriebe lassen sich im Rahmen unterbringen. Dadurch wird der zur Verfügung stehende Platz besser ausgenutzt, da es am Band praktisch keine Störkonturen gibt. Die Bänder lassen sich so dichter nebeneinander, übereinander oder näher am Boden platzieren.
Buchtipp
Das Buch Praxishandbuch Antriebsauslegung hilft bei der Auswahl der wesentlichen Bestandteile elektrischer Antriebssysteme: Motor, Getriebe, Stellgerät, Netzversorgung sowie deren Zusatzkomponenten. Auch auf die Berechnung wird intensiv eingegangen.
Motoren mit Getriebe oder ohne für die Antriebstechnik?
Störkonturen entscheiden mitunter sogar die Gretchenfrage, Getriebemotor oder nicht? Ricke etwa berichtet von ersten Ansätzen, wegen ihrer Störkonturen gänzlich auf klassische Getriebemotoren zu verzichten und dafür die Anwendung in einigen Bereichen mit Trommelmotoren als integrierte Einheiten zu lösen.
Beschleunigungs- und Verzögerungswerte sowie die zu bewegenden Massen können von vorneherien einige Antriebslösungen ausschließen.
Tim Oliver Ricke, Global Segment Manager Intralogistik bei Lenze
Ganz generell zählen die Beschleunigung, das zu befördernde Gewicht und die Reibwerte zu den maßgeblichen Faktoren bei der korrekten Antriebsauslegung. Ricke: „So können, wieder vereinfacht formuliert, die Beschleunigungs- und Verzögerungswerte sowie die zu bewegenden Massen bereits einige Antriebslösungen ausschließen, da diese gänzlich ungeeignet wären.“ Der Intralogistik-Experte von Lenze nennt konkrete Beispiele: Bei den dynamischen Beschleunigungsbändern in Postverteilzentren etwa sehe man vermehrt Antriebslösungen ohne Getriebe. Sie steuern direkt über einen Riemen bzw. Vorgelege das Band an, um bei reduzierter Bauform ein Maximum der Dynamik zu gewährleisten. Der E-Commerce wiederum verändere in manchen Bereichen die verwendeten Lösungen. „Diese sind nun für kleinere Gewichte ausgelegt und weisen deutlich kompaktere Bauformen auf.“
Getriebemotor punktet bei hohen Drehmomenten
Stephan Thoma, von ABM Greiffenberger: „Da der Bauraum häufig sehr begrenzt ist, werden kompakte Antriebssysteme gefordert." (Bild: ABM Greiffenberger Antriebstechnik)
Ob Getriebe oder nicht, das ist oft eine Frage von Gewicht und Wirtschaftlichkeit. „Werden höhere Drehmomente gefordert, um schwerere Lasten wie zum Beispiel in der Paletten-Fördertechnik zu verfahren, dann kommt man wirtschaftlich betrachtet nicht an einem Getriebe vorbei“, sagt Stephan Thoma, Teamleiter und Produktmanager Umrichter bei ABM Greiffenberger Antriebstechnik.
Ob Motoren mit Axial- oder Winkelgetriebe eingesetzt werden, hängt Martin Prescher, Siemens,zufolge ganz von den Ein- und Anbaubedingungen ab. (Bild: Siemens)
Das berichtet Martin Prescher, Business Development Intralogistik bei der Siemens AG ganz ähnlich: „In klassischen Förderanwendungen kann man generell feststellen, dass sich dort, wo Güter mit nennenswertem Gewicht horizontal gefördert werden sollen, drehmomentstarke, kostengünstige und effiziente Stirnrad-, Flach- und Kegelradgetriebemotoren in Verbindung mit einem dezentralen Umrichter am Markt etabliert haben.“ Ob Motoren mit Axial- oder Winkelgetriebe eingesetzt werden, hängt Prescher zufolge ganz von den Ein- und Anbaubedingungen ab, auch von den Effizienzanforderungen und dem geplanten Budget.
Noch kämen am häufigsten direkt am Netz angeschlossene Getriebemotoren mit konstanter Drehzahl zum Einsatz, berichtet Stefan Reitmeier, Leiter des Produktmanagements Transfersysteme bei Bosch Rexroth. „Sobald aber an definierten Stellen eine höhere Dynamik oder Flexibilität gefordert ist, greifen Anwender immer häufiger zu Servoantrieben mit rotatorischen Motoren und Linearmotoren.“ Sie steigerten den Durchsatz und ersetzten zudem in der variantenreichen Fertigung mechanisches Umrüsten durch Softwarebefehle. Solche Lösungen ermöglichen teils zusätzliche Funktionalitäten. Reitmeier: „Ganz praktisch reduziert beispielsweise der TS 2 Booster mit Linearmotor die Taktzeiten mit einer Beschleunigung von bis zu 30 m/s und positioniert Werkstückträger so präzise, dass er die Aufgaben einer Positionierachse übernimmt.“
Lesen Sie auch Teil 2 unserer Serie zur Horizontalen Fördertechnik. Darin steht die Auslegung der Antriebstechnik im Hinblick auf die Energieeffizienz im Mittelpunkt sowie die Frage nach den Vor- und Nachteilen zentraler und dezentraler Antriebslösungen. Dieser Artikel erscheint am 17. März 2022 auf konstruktionspraxis.de