Industrie 4.0 Sichere Kommunikation in Industrie-4.0-Anlagen

Autor / Redakteur: Dipl.-Ing. Anja Moldehn* / Jan Vollmuth

Produzierende Unternehmen stehen vor der Herausforderung, komplexe Fertigungsprozesse optimal zu planen und umzusetzen. Die Produktion soll unterbrechungsfrei sowie ohne Ausschuss erfolgen. In Kombination mit hoher Flexibilität stellt dies die Wettbewerbsfähigkeit der hergestellten Produkte sicher. Dies erfordert intelligente sowie sichere Kommunikationsstrukturen.

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(Bild: Phoenix Contact)

Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 zeigt Lösungen auf, wie den steigenden Ansprüchen hinsichtlich Flexibilität, Individualisierung und Effizienz in produzierenden Unternehmen begegnet werden kann. So bleibt die Fertigung durch den Einsatz digitaler, vernetzter Systemlösungen langfristig konkurrenzfähig.

Sechs Handlungsfelder der zukunftsgerichteten Produktion

Auch Phoenix Contact greift die zum Teil abstrakten Vorteile von Industrie 4.0 auf und überführt sie in praxisorientierte Anforderungen an eine zukunftsgerichtete Produktion. Insgesamt hat das Unternehmen sechs Handlungsfelder definiert, die auf eine hohe Flexibilität, Leistungsfähigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit abzielen. Dazu zählt die durchgängige Digitalisierung, sichere Kommunikation, selbständige Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen, einfache Installier- und Bedienbarkeit sowie Ressourceneffizienz.

Die Grundlage für das Zukunftsprojekt legen die beiden zuerst genannten Handlungsfelder. Denn nur wenn alle relevanten Informationen in digitaler Form zur Verfügung stehen und sämtliche an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen vernetzt sind, lässt sich der Ansatz von Industrie 4.0 konsequent realisieren. Aus den digitalen Daten wird die zu jedem Zeitpunkt optimale Wertschöpfung abgeleitet. Die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen führt zu dynamischen, sich selbst organisierenden Wertschöpfungs-Netzwerken. Diese können dann nach unterschiedlichen Kriterien verbessert werden, zum Beispiel in Bezug auf die Kosten, Verfügbarkeit oder den Ressourcenverbrauch.

Zuverlässiger Schutz vor elektrischen Störungen und unerlaubten Zugriffen

Die intelligenten mechatronischen Systeme tauschen ihre Daten standort- und unternehmensübergreifend über öffentliche oder private Netzwerk-Infrastrukturen aus. Diese Kommunikation auf Basis von Ethernet und Internet sorgt für die hohe Verfügbarkeit der Produktion. Gleichzeitig bildet sie die Grundlage für flexible, sich selbst optimierende Fertigungsprozesse. Daher muss die Datenübertragung in jedem Fall zuverlässig vor elektrischen Störungen und unautorisierten Fremdzugriffen geschützt werden.

Um die Handlungsfelder des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 bereits heute so weit wie möglich umzusetzen, greift Phoenix Contact auf die umfassenden Erfahrungen aus der hohen Fertigungstiefe seiner Komponenten, Systeme und Lösungen zurück. Darüber hinaus fließen das tiefgreifende Wissen des unternehmenseigenen Maschinenbaus sowie das langjährige Know-how der Automatisierungsspezialisten in die Industrie-4.0-gerechten Maschinen und Anlagen ein. Daraus entstanden ist unter anderem eine Produktionslinie am Standort Bad Pyrmont, in der sechs Millimeter schmale Trennverstärker für die störungsfreie Signalübertragung hergestellt werden.

Effizienter Betrieb dank nahtlosem Materialfluss und kurzer Umrüstzeiten

Der Fertigungsprozess dieser Anlage wurde hinsichtlich der Kommunikation zwischen dem Produkt, dem Mitarbeiter und der Maschine verbessert. Ein durchgängiger Materialfluss in der Prozesskette sowie kurze Umrüstzeiten zur Produktion der insgesamt 98 verschiedenen Produktvarianten tragen zu einer effizienten Arbeitsweise bei. Bei der Bestellung der Trennverstärker können die Kunden im Internet über einen Konfigurator beispielsweise die Art des Ein-oder Ausgangssignals auswählen. Auf diese Weise ergeben sich mehr als 1000 unterschiedliche Modulversionen. Damit bei einer derart großen Produktvielfalt auch kleine Chargen von fünf bis 480 Stück zu den Kosten einer Massenfertigung hergestellt werden können, müssen Mensch und Maschine schnell und wirtschaftlich arbeiten.

Von der unbestückten Leiterplatte bis zum fertig verpackten Produkt ist es ein langer Weg. Nach dem Auftragen der Lötpaste und der SMD-Bestückung werden in der Anlage jeweils vier Leiterplatten auf die korrekte Anordnung der einzelnen Bauteile geprüft. Bis zu 154 der kleinen Komponenten - beispielsweise Widerstände, Kondensatoren und Dioden - können sich dabei auf einer Platine befinden. Nach dem Löten trennt eine Stanze die Leiterplatte aus. Anschließend wird sie auf einen Werkstückträger gelegt und in den Umlauf der Industrie-4.0-Anlage eingeschleust. In der Produktionslinie kreisen rund 20 Werkstückträger gleichzeitig, sodass der Mitarbeiter gut ausgelastet ist und die Anlage wirtschaftlich fertigt.

Flexible Bearbeitung auf Basis eines Umlaufsystems

Zunächst wird der Werkstückträger in einen kleinen Rundlauf gefördert. Nachdem ein Laser die Beschriftung vorgenommen hat und die Aussparungen gefräst worden sind, ist das Gehäuse fertiggestellt. Im nächsten Schritt wird die Leiterplatte eingelegt und mit dem Gehäuse verheiratet. Danach schließt sich der große Umlauf an. Im so genannten Löt-Portal erfolgt hier das Verlöten des Gehäuses mit der Leiterplatte. Jetzt ist das Modul voll funktionsfähig. Beim nachgelagerten Programmieren der jeweiligen Firmware wird der Werkstückträger durch einen Zylinder gegen den Prüfkopf gehoben. Es folgen ein High-Voltage- und ein elektrischer Endtest.

Wird ein Auftrag in die Produktionslinie eingelastet, entsteht zunächst der Arbeitsplan. Sobald sich das Produkt auf dem Werkstückträger befindet, stellt ein RFID-Tag die Verbindung zu den Informationen her, die das übergeordnete System liefert. Dazu gehört die Angabe, welche Prüfungen an dem Artikel durchzuführen sind sowie ob und welche Firmware implementiert werden muss.

Ständige Kommunikation zwischen Produkten und Anlagensteuerung

Der Maschinenbediener kommt mit jedem Modul dreimal an seinem Arbeitsplatz in Kontakt. Dabei hat er jedes Mal unterschiedliche Aufgaben zu erledigen. Beispielsweise liest er den RFID-Chip aus, um das Druckbild des gefertigten Artikels mit den ihm dazu an seinem Bildschirm angezeigten Vorgaben zu vergleichen. Oder er legt Platinen ein und verpackt die fertigen Module. Der Bearbeitungszustand der einzelnen Produkte ist dem übergeordneten System über den RFID-Tag bekannt. Daher stellt der Bildschirm nur die Informationen oder Optionen dar, die der Mitarbeiter für die aktuelle Aufgabe benötigt. Die hohe Komplexität, die sich aus der Variantenvielfalt ergibt, wird somit durch die Kommunikation zwischen dem Artikel und der Anlagensteuerung für den Mitarbeiter beherrschbar gemacht. Er erhält eine Hilfestellung, weshalb er seine Arbeit fehlerfrei und schnell erledigen kann.

Wie das Beispiel bei Phoenix Contact zeigt, sind Anlagen schon jetzt flexibel. Da Mensch und Maschine ebenfalls optimal zusammenarbeiten, lassen sich selbst geringe Stückzahlen wirtschaftlich produzieren. Doch was ist erforderlich, um eine vollkommen vernetzte Fabrik und den damit einhergehenden Produktivitätszuwachs umzusetzen?

Durchgängige Digitalisierung als weitere Voraussetzung

Zur Nutzung alle Vorteile der industriellen Fertigung von morgen muss der reale Artikel zwingend mit den auf digitalen Daten basierenden Prozessen kommunizieren. Zu diesem Zweck sind die beteiligten Produkte ebenso durchgängig zu digitalisieren wie die einzelnen Arbeitsstationen, die es während seiner Herstellung durchläuft. So kann der Mensch die komplexer werdenden Produktionsanlagen wirtschaftlich bedienen, weil er unter anderem durch Assistenzsysteme unterstützt wird. Außerdem hat sowohl der Datenaustausch als auch die Ausgestaltung der kommunizierten Inhalte den Anforderungen der Produktionsanlagen zu genügen. Soll der Fertigungsstandort in Zukunft weiterhin erfolgreich sein, müssen Standards und Leitlinie so offen gestaltet werden, dass sie sich ändernde Rahmenbedingungen und neue Geschäftsmodelle abdecken können. (jv)

* Dipl.-Ing. Anja Moldehn ist Marketing Specialist Industrie 4.0 bei Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont

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