Kugelgewindetrieb Schlichtes Bauteil versteckt komplexe Technik
Welche Vorteile Kugelgewindetriebe gegenüber anderen Technologien in der linearen Antriebstechnik haben und was heute Stand der Technik ist – NSK gibt einen Überblick.
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Eigentlich ist es ganz einfach: Als klassische Linearantriebe führen Kugelgewindetriebe eine lineare Bewegung von A nach B aus. Aber die vielen Anwendungen, in denen sie zum Einsatz kommen, zeigt schon die Komplexität der Technik im Detail, die hinter dieser Beschreibung steckt. Tonnenschwere Formwerkzeuge von Spritzgießmaschinen werden über Kugelgewindetriebe geöffnet und geschlossen, Schlitten von Werkzeugmaschinen positionieren mit Hilfe dieser Linearsysteme, und in verfahrenstechnischen Anlagenkomponenten gewährleisten Kugelgewindetriebe die hochgenaue Dosierung von Flüssigkeiten.
Dabei „erobern“ Kugelgewindetriebe seit einigen Jahren auch Anwendungen anderer Bauarten von Linearsystemen wie pneumatische und vor allem hydraulische Achsen.
Diesen Trend hat NSK nicht nur begleitet, sondern maßgeblich beeinflusst. Vor knapp sechzig Jahren hat das Unternehmen, das in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum feiert, den ersten Kugelgewindetrieb entwickelt und seitdem dieses Geschäftsfeld kontinuierlich ausgebaut. Sieben Fertigungsstätten in fünf Ländern auf drei Kontinenten produzieren Komponenten und Systeme der Lineartechnik, darunter rund 60.000 Kugelgewindetriebe pro Monat. Das europäische Produktionswerk für NSK-Linearprodukte befindet sich in Newark/Großbritannien.
Maschinenbau im Fokus
Das NSK-Produktspektrum der Kugelgewindetriebe reicht vom Miniaturantrieb mit 4 mm Durchmesser für die Medizintechnik bis zu 14 m langen Einheiten, die u. a. in Systemen zur Schwingungsdämpfung von Hochhäusern und Brücken eingesetzt werden. Den größten Anteil macht aber nach wie vor der Maschinenbau aus, insbesondere die Werkzeug- und Kunststoffmaschinen. Hier profitieren die Maschinenbauer davon, dass diese Antriebstechnik das Programmieren und Abfahren exakter Fahrprofile von Beschleunigen, Abbremsen und Halten der Last bzw. des Drucks erlaubt. In der Praxis führt dies dazu, dass die Zykluszeit verkürzt und – bei Kunststoffmaschinen – zugleich die Qualität des Spritzgießteils oder aber – bei Werkzeugmaschinen – die Präzision der Bearbeitung verbessert werden kann. Außerdem arbeitet der Elektroantrieb mit hoher Energieeffizienz und ohne das Risiko von Leckagen.
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Wälzlager
NSK: 100 Jahre führend in der Antriebstechnik
Bewährtes Prinzip, optimierte Technik
Ein Meilenstein bei NSK war 1996 die Markteinführung der HTF-Serie. Diese ersten, vom Unternehmen selbst entwickelten Hochlast-Kugelgewindetriebe boten eine signifikante Steigerung der dynamischen Kapazitäten und der maximalen Axialkräfte und erschlossen damit neue Anwendungsfelder im Maschinenbau – bis heute.
Das Prinzip der Kugelgewindetriebe hat sich kaum verändert, aber es gibt immer wieder zahlreiche Handlungsfelder für Optimierungen und Neuentwicklungen. Dazu gehören die Kühlung, Schmierung und Abdichtung sowie die weitere Erhöhung von Dynamik und Spitzenlastkapazitäten.
Einige konkrete Beispiele: Die verbesserten Kugelrückführungen der aktuellen Baureihen HTF-SRC und HTF-SRD erhöhen den Kennwert dn (mittlerer Spindeldurchmesser × Drehzahl) auf bis zu 160.000. Das entspricht einer Verfahrgeschwindigkeit von 1600 mm/s. Neue Dichtungskonzepte schaffen die Voraussetzung für längere Wartungsintervalle, und neue Distanztechnologien speziell für den Hochlastbereich verhindern den direkten Kontakt der Kugeln. Dadurch wird der Einfluss von Moment- und Radialbelastungen minimiert und zugleich eine deutliche Geräuschreduzierung um circa 6 dB(A) erreicht. Interessant für Hochgeschwindigkeitsanwendungen mit kurzen Hüben ist das Prinzip der „Cooling Nut“. Die Kühlung der Mutter statt der Spindel verbessert die Kühlleistung und damit die Verfahrgenauigkeit.
Verbesserte Fertigungsverfahren
Zu den aktuellen Neuheiten im NSK-Programm gehören die „Super Large“-Kugelgewindetriebe mit Spindeldurchmessern von 140 mm bis 200 mm und Steigungen von 25 mm bis 32 mm, die für elektrische Spritzgießmaschinen mit bis zu 3000 t Schließkraft entwickelt wurden.
Eine weitere Neuheit ist die zweite Generation der High-Speed- Kugelgewindetriebe mit nochmals reduziertem Betriebsgeräusch. Auf der Agenda der Entwickler von NSK stehen darüber hinaus Spindeln, die mit verbesserten Fertigungsverfahren hergestellt werden und in der Lage sind, die möglichen Drehmomentschwankungen deutlich zu reduzieren. Dies erhöht die Positioniergenauigkeit, da der Motor immer mit einer konstanteren Last aufgrund der inneren Vorspannung rechnen kann.
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Neue NSK-Webseite im responsive Design mit optimierten Funktionen
Abschließend ein kurzer Blick auf eine Anwendung, die weit entfernt ist vom klassischen Maschinenbau: Sie zeigt das hohe Maß an Zuverlässigkeit dieser Antriebe und auch die Fähigkeit und Bereitschaft von NSK, auf Kundenwünsche einzugehen.
Miniatur-Variante simuliert Pulsschlag
Wenn ein schwer herzkranker Patient auf eine Transplantation wartet, erhält er für die Überbrückungszeit ein so genanntes extrakorporales Herzunterstützungssystem oder VAD-System. An einen deutschen Hersteller dieser VAD-Systeme liefert NSK Miniatur-Kugelgewindetriebe, die letztlich den Pulsschlag simulieren, indem sie eine definierte Menge Luft gegen eine Membran drücken, auf deren anderer Seite sich die Kanülen des Blutkreislaufs befinden. Sie führen 60 bis 130 mal pro Minute einen Hub von bis zu 55,5 mm aus und wurden durch Modifikationen an der Geometrie an ihre besondere Aufgabe angepasst. NSK liefert – genau wie bei vielen klassischen Anwendungen im Maschinenbau – den Antrieb als einbaufertiges Modul mit passend aufgebauter Lagereinheit. (sh)
Interview mit Volker Polonyi – „Der Trend geht zu elektrifizierten Antrieben“
Volker Polonyi ist Direktor des NSK-European Technology Centers in Ratingen. Er sprach mit konstruktionspraxis über die Entwicklung der „Super Large“-Kugelgewindetriebe und darüber, wie diese Bauteile künftig noch weiter optimiert werden können.
Wie kam es zu der Idee den „Super Large“-Kugelgewindetrieb zu entwickeln?
Anlass war hier die Marktentwicklung. In einigen Bereichen des Maschinenbaus – vor allem bei Kunststoffmaschinen – geht der Trend zu elektrifizierten Antrieben, die Vorteile in Genauigkeit, Dynamik und Energieeffizienz aufweisen. Wir liefern solche Antriebe an führende Hersteller, die diese Technik in immer höheren Leistungsbereichen einsetzen. Daraus entstand die Nachfrage nach Kugelgewindetrieben, die immer höhere Kräfte mit größerer Dynamik übertragen können. Daher haben wir unsere HTF-Serie entsprechend weiterentwickelt.
Wie lange hat es von der ersten Idee bis zur Marktreife gedauert?
Von der Idee bis zu den ersten einsatzfähigen Prototypen verging rund ein Jahr. Dann folgte ein umfangreiches Testprogramm, und nach einem weiteren Jahr wurde die „Super Large”-Baureihe erstmals als Serie aufgelegt.
Welche Verbesserung bringt die Neuentwicklung mit sich?
Sie bietet eine höhere axiale Belastbarkeit, eine höhere Verfahrgeschwindigkeit und eine sehr geringe Geräuschentwicklung. Die Energieeffizienz des Systems ist hoch, und für alle Kugelgewindetriebe gilt, dass es sich um sehr sichere, zuverlässige und umweltverträgliche Linearantriebe handelt. Genau das sind die Gründe für ihren zunehmenden Einsatz auch und gerade in Hochlastanwendungen.
Wie lassen sich Kugelgewindetriebe zukünftig noch weiter optimieren?
Hier muss man nach Leistungsklassen und Anwendungsbereichen differenzieren. Im Miniaturbereich – der u. a. in Scannern, Mikroskopen und Geräten der Medizintechnik zum Einsatz kommt – ist ein perfekter Drehmomentenverlauf gefordert. Der Werkzeugmaschinenbau benötigt Linearantriebe mit minimalen Drehmomentschwankungen, um beste Oberflächen z. B. beim HSC-Fräsen zu erzielen. In der Labor- und Medizintechnik ist ein optimiertes Geräuschverhalten erwünscht, und in ganz unterschiedlichen Anwendungen sind Antriebe mit verbesserten Dichtungstechnologien gefragt – mit dem Ziel, ein Eindringen von Fremdkörpern zu vermeiden und die Lebensdauer der Spindel zu verlängern.
Über die Forderung nach Verbesserungen im Hochlastbereich haben wir bereits gesprochen. Darüber hinaus erproben wir neue Materialien, um Anwendungen mit ganz speziellen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu gehören Vakuum-, Hochtemperatur- und Tieftemperaturanwendungen sowie die Offshore-Technik.
Wie viele patentierte Neuentwicklungen gibt es im Bereich der Kugelgewindetriebe bei NSK pro Jahr?
Wir halten rund 400 Patente für Kugelgewindetriebe und pro Jahr kommen im Schnitt 20 hinzu. Insgesamt halten wir allerdings mehr als 5000 Patente, und jedes Jahr reichen wir rund 150 neue ein.
Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihrem Verantwortungsbereich – dem Europäischen Entwicklungszentrum. Welche Aufgabe hat es?
Wir arbeiten eng vernetzt vor allem mit den japanischen Standorten. Ein Großteil der Arbeit in Ratingen besteht in der technischen Unterstützung für unsere Kunden und Vertriebspartner. Wir betreiben aber auch eigene Entwicklungen und sind dafür bestens ausgestattet – sowohl mit CAx-Entwicklungswerkzeugen als auch mit Test-Equipment.
Vielen Dank, Herr Polonyi.
* Andreas Kropp ist Application Engineering Manager Precision, NSK Deutschland GmbH in Ratingen
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