Sensorik Schäden an Windenergieanlagen frühzeitig erkennen

Ein Gastbeitrag von Renate Bay* |

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Der optimale Wirkungsgrad vieler Windenergieanlagen (WEA) wird aufgrund von Unwuchten an den Rotorblättern nicht erreicht. Ein Kieler Ingenieur-Dienstleister will dies ändern: Moderne Messtechnik soll mithilfe hochgenauer Beschleunigungssensoren Schäden an WEA frühzeitig erfassen – und damit einen wichtigen Beitrag leisten für eine erfolgreiche Energiewende.

An dieser Position in der Gondel einer Windenergie-Anlage wurden die ASC-Sensoren zu Testzwecken installiert.
An dieser Position in der Gondel einer Windenergie-Anlage wurden die ASC-Sensoren zu Testzwecken installiert.
(Bild: Bild: aleciccotelli/AdobeStock, Produkt ASC GmbH)

Da tun sich selbst Fachleute schwer: Veränderungen an Material oder in der Struktur von WEA lassen sich nur durch eingehende Untersuchungen feststellen. Da viele Windparks schwer erreichbar sind, finden jedoch Inspektionen aus Kostengründen meist nur ein bis zweimal pro Jahr statt. Zwischen den Überprüfungen sind die Anlagen oft monatelang sich selbst überlassen. Die Folge: Kleinere Schäden können sich unbemerkt ausbreiten und zu einem Sicherheitsrisiko für die Anlage werden. Darüber hinaus wirken sich Anomalien negativ auf den Ertrag einer WEA aus: Eine 2-MW-Windenergieanlage z. B. verzeichnet aufgrund von Unwuchten jährlich Ertragsverluste von rund 20.000 Euro.

Unwuchten an Rotorblättern haben viele Ursachen

An Rotoren von WEA treten sowohl aerodynamische als auch massebedingte Unwuchten auf, oder eine Kombination aus beiden. Die Ursachen sind vielfältig: Massebedingte Unwuchten können z. B. durch Eisbildung, Wasseraufnahme oder bereits in der Herstellung der Rotorblätter entstehen, während aerodynamische Unwuchten u.a. aus einer fehlerhaften Blattwinkelverstellung, Fehlern im Profil von Blättern oder Blatterosion resultieren.

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Mittlerweile werden einige Windenergieanlagen durch ein spezialisiertes Monitoring Center überwacht, um Veränderungen frühzeitig erkennen zu können. Der Ingenieur-Dienstleister eta Dynamics aus Kiel bietet diesen Service weltweit für Anlagenbetreiber an und verfügt über eine jahrzehntelange Erfahrung. Nach Ansicht von Geschäftsführer Dipl.-Ing. Roman Wolff steht die Branche beim Condition Monitoring von WEA, einem Teilbereich des übergreifenden Health-Monitoring-Konzepts, allerdings noch ganz am Anfang: „Selbst viele Energieversorger vernachlässigen das Thema sträflich und tasten sich erst langsam an einen professionellen Anlagenbetrieb heran.“

Ohne die lückenlose Überwachung von WEA werden wir auch die Energiewende nicht schaffen.

Roman Wolff, eta Dynamics

Der Windenergie-Experte findet das nicht nur in ökonomischer Hinsicht problematisch: „Ohne die lückenlose Überwachung von WEA werden wir auch die Energiewende nicht schaffen“, ist Roman Wolff überzeugt. Er hat in seinem Berufsleben schon viele Schäden an Windenergieanlagen gesehen und weiß, dass viele von ihnen schon bei der Konstruktion der WEA hätten vermieden werden können. Dem stünde aber der enorme Kostendruck gegenüber, dem die Hersteller ausgesetzt seien. „Sie sparen an Material und verwenden sehr dünne Strukturen.“ Durch die immer leichtere Bauweise der WEA verringern sich laut Wolff auch die Auslegungsreserven kontinuierlich – also die Toleranzen, die man als Sicherheitspuffer bei der Entwicklung der Anlagen einberechnet. Sie sollen dafür sorgen, dass die WEA auch punktuellen Überbelastungen problemlos standhalten.

Sensorik spielt eine wichtige Rolle für das Condition Monitoring

„Da die Auslegungstoleranzen in den letzten Jahren stetig kleiner geworden sind, ist eine permanente Überwachung der Anlagen umso wichtiger“, beschreibt Roman Wolff die Herausforderung. Schon geringste Abweichungen beim Blatteinstellwinkel können erhebliche aerodynamische Unwuchten verursachen. Passieren z. B. beim Aushärten der Rotorblätter in der Fertigung Fehler, können sich Verformungen bilden. Dadurch liegt die Strömung anders an den Rotorblättern an als berechnet und es wirken völlig andere Kraftmomente auf die Gondel und den Turm der Anlage bis hinunter in das Fundament ein.

Bei der Überwachung der Windenergieanlagen setzen Roman Wolff und seine Kollegen auch auf Sensorik: „Wir verwenden für das Condition Monitoring unter anderem Partikelzähler und Ölqualitätssensoren, aber auch einfache Beschleunigungssensoren.“

Mit der herkömmlichen Messtechnik können aber bei weitem nicht alle Vorgänge an den Anlagen erfasst werden, denn sie ist ausschließlich am Antriebsstrang zwischen Rotorlager, Getriebe und Generator verbaut. „Am Rotor mit den einzelnen Rotorblättern sowie dem Stahlrohrturm, Betonturm bzw. Stahlrohr-Beton-Hybridturm und dem Fundament passiert aber ebenfalls eine Menge“, so Wolff.

Hochgenaue Inertialsensoren für anspruchsvolle Test- und Messapplikationen

Um auch diesen Bereich künftig lückenlos überwachen zu können, hat eta Dynamics hochgenaue Beschleunigungssensoren der ASC GmbH getestet. Roman Wolff war über ein Fachmagazin auf das Unternehmen aufmerksam geworden, das eine große Bandbreite hochgenauer Inertialsensoren für anspruchsvolle Test- und Messapplikationen anbietet. Der Ingenieur nahm Kontakt mit den Sensor-Spezialisten aus Pfaffenhofen auf und merkte schnell, dass er dort finden würde, was er suchte: „ASC ist einer der ganz wenigen Hersteller am Markt, die so präzise Beschleunigungssensoren fertigen, wie wir sie benötigen. Die Sensoren passen optimal in unser messtechnisches Konzept.“

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Kapazitives Messprinzip der Sensoren nutzt MEMS

Roman Wolff überzeugte vor allem das sehr gute Signal-Rausch-Verhältnis der kapazitiven triaxialen Beschleunigungssensoren ASC 5511LN und ASC 5515 LN, das die hochgenauen Messungen an den Windenergieanlagen überhaupt erst möglich macht. Die Low-Noise-Sensoren bieten in Abhängigkeit des Messbereiches eine geringe Rauschdichte von 7 bis 400 µg/√Hz auf und verfügen über einen Frequenzbereich zwischen DC und 2.000 Hz (±5 %).

Nur durch das kapazitive Messprinzip der Sensoren auf Basis qualitativ hochwertiger mikro-elektronisch-mechanischer Systeme (MEMS) können die niedrigen Rotordrehfrequenzen von Windenergieanlagen (<0,5 Hz) zuverlässig erfasst werden. Mit Signal- und Amplitudenauflösungen von <20 µg (<0,2 mm/s2) sind die ASC 5511LN und ASC 5515 LN ideal geeignet, um aerodynamische und massebedingte Unwuchten an Windenergieanlagen zu detektieren.

Vibrationen messen am Maschinenträger

Roman Wolff und seine Kollegen montierten je einen Sensor vom Typ ASC 5511LN und ASC 5515LN auf einer Test-WEA – im Maschinenträger in der Gondel. Diesen Installationsort hatten die Ingenieure gewählt, weil sich die Schwingungen und Vibrationen, die hier durch die Rotorblätter induziert auftreten, auf die gesamte Windenergieanlage auswirken. „Die Kräfte, die durch den Wind in die Rotoren und damit auch in die Gondel und den Turm induziert werden, sind enorm“, sagt Wolff.

Die triaxialen Beschleunigungssensoren von ASC wurden mithilfe einer Montageplatte am Maschinenträger befestigt und den Achsen entsprechend ausgerichtet. Sie erfassten dort über einen Zeitraum von acht Wochen die gesamte Turm-Gondel-Dynamic. Die Messwerte flossen bidirektional an eine Datenerfassungseinheit im Schaltschrank der Gondel und von dort über eine VPN-Verbindung an ein Rechenzentrum, wo sie aufgezeichnet wurden.

Reaktion auf unterschiedliche Strömungsverhältnisse untersucht

„Wir wollten bei den Untersuchungen wissen, wie die Anlage auf die unterschiedlichen Strömungsverhältnisse reagiert“, beschreibt Wolff das Projektziel. Man suchte für den Test deshalb eine WEA aus, die in einem Hauptwindrichtungssektor teils frei angeströmt wurde, sich aber auch teilweise im direkten Nachlauf anderer WEA befand. Steht eine Anlage hinter anderen WEA, herrschen dort völlig andere Strömungsverhältnisse als bei Anlagen, die frei angeströmt werden.

Da die Tests im Sommer durchgeführt wurden, herrschten ideale Bedingungen: Es gab auch Gewitter mit starken Windrichtungswechseln und Böenbeaufschlagungen. So konnten alle kritischen Betriebslasten erfasst werden, die im Laufe des Lebenszyklus einer WEA auftauchen.

Sensoren werden künftig im Regelbetrieb eingesetzt

Mit den Ergebnissen der Untersuchungen sind die Kieler Ingenieure sehr zufrieden: „Wir haben gesehen, dass wir mithilfe der Sensoren von ASC selbst geringste Veränderungen an den WEA messen konnten“, freut sich Roman Wolff. Jetzt werden noch kleinere Anpassungen an den Sensoren vorgenommen, damit sie sich reibungslos in das Messkonzept von eta Dynamics einfügen.

Für ASC ist das selbstverständlich: Der Sensor-Spezialist fertig nicht nur hochgenaue Messtechnik, sondern bietet auch einen individuellen Service. Sämtliche Sensoren werden in enger Zusammenarbeit mit den Kunden so modifiziert, dass sie die Anforderungen der jeweiligen Applikation optimal erfüllen.

Künftig werden die kapazitiven Beschleunigungssensoren von ASC also Windparks im Regelbetrieb überwachen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Effizienz von Windenergie-Anlagen – und somit auch zum Klimaschutz.

* Renate Bay ist Geschäftsführerin der ASC GmbH

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