Safety Nets Safety: Hand in Hand in die Zukunft

Autor / Redakteur: Rüdiger Frank* / Reinhard Kluger

Klassische Schutzeinrichtungen stoßen bei komplexen Roboter-Applikationen an ihre Grenzen. Insbesondere dort, wo es auf eine reibungslose Interaktion von Mensch und Maschine ankommt. Wichtige Hilfestellung und Leitlinie für das Machbare hierbei sind die entsprechenden Normen.

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Tritt ein Werker – wie hier zu Demonstrationszwecken – in den als Schutzraum definierten Aktionsbereich eines Roboters, veranlasst das Sicherheitssystem den sofortigen Not-Halt.
Tritt ein Werker – wie hier zu Demonstrationszwecken – in den als Schutzraum definierten Aktionsbereich eines Roboters, veranlasst das Sicherheitssystem den sofortigen Not-Halt.
(Pilz)

Im industriellen Umfeld orientiert sich die Roboter-Mensch-Kooperation mit Blick auf ihre Umsetzung an zwei relevanten Normen: Zur Verfügung stehen die beiden C-Normen ISO 10218 „Safety of Industrial Robots“ Teil 1: „Robots“ und Teil 2: „Robot systems and integration“. Die deutschen Fassungen beider Teile sind als EN ISO 10218-1:2012 und als EN ISO 10218-2:2012 veröffentlicht sowie als harmonisierte C-Normen unter der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG gelistet. Im Teil 2 „Robotersysteme und Integration“ finden sich Angaben zum kollaborierenden Betrieb.

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Typische Sicherheitsfunktionen

Die Normenlage ist somit eindeutig, bleibt die Frage, in wie weit diese Normen für die Mensch-Roboter-Kooperation in der Praxis funktionieren können oder ob Punkte offen bleiben. Das internationale Normengremium ISO/TC 184/SC2 WG3 ist damit beauftragt, die Technische Spezifikation ISO/TS 15066 „Robots and Robotic Devices - Collaborative industrial robots“ zu erarbeiten. Dabei gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass aus normativer Sicht auf jeden Fall die ISO 10218 mit den Teilen 1 und Teil 2 heranzuziehen ist. Die Technische Spezifikation ISO/TS 15066 „Robots and Robotic Devices - Collaborative industrial robots“ konkretisiert die in der ISO 10218-2 formulierten Sicherheitsanforderungen für die Mensch-Roboter-Kooperation. Typische Sicherheitsfunktionen innerhalb der ISO/TS 15066 sind beispielsweise ein sicher überwachter Stopp, die maximale Geschwindigkeit im Betrieb sowie Grenzwerte für die Kraft des Roboters. Im Anhang dieser Technischen Spezifikation wurde ein Körperzonenmodell festgelegt, das in den jeweiligen Körperzonen Punkte mit Angaben zur jeweiligen Schmerzschwelle definiert. Künftig können diese Schmerzschwellenwerte als Validierung zur sicheren Mensch-Roboter-Kooperation herangezogen werden.

Dienstleistung deckt Risiken auf

Die Technische Spezifikation hat noch den Status eines Entwurfs, des so genannten Committee Drafts. Dieser wurde zwar an die nationalen Normenkomitees zur Kommentierung weitergeleitet, die Diskussion der Kommentare wird aktuell im internationalen Gremium diskutiert und in die technische Spezifikation eingearbeitet. Wenn die ergänzende ISO/TS 15066 schließlich final vorliegt, sollen deren Inhalte in die ISO 10218 Teil 2 integriert werden. Bis dahin werden wohl auch detaillierte Schmerzschwellenwerte vorliegen. Einfach aus den Normen konkrete Lösungen ableiten zu können, ist eher noch Zukunftsszenario. Fakt ist, dass es bislang noch wenige Applikationen für Robotersysteme gibt, die als Mensch-Roboter-Kooperation bereits die normativen Vorgaben der funktionalen Sicherheit unter Einhaltung des geforderten Performance Level erfüllen und von denen man abschauen könnte. Wie so oft, ist auch hier eine detaillierte Risikoanalyse die Basis, um überhaupt erkennen zu können, wie vielschichtig die Risiken in einem kompletten Robotersystem sind. Denn zu einem Robotersystem gehören neben dem Roboter auch Komponenten wie Greifer oder auch das Material oder Werkzeug im Greifer. Alle diese Komponenten müssen ebenfalls berücksichtigt werden, um sicher entscheiden zu können, welche Risiken durch die Safety Funktionen am Roboter direkt abgedeckt und welche durch zusätzliche Sensoren wie etwa mit einem sicheren Kamerasystem übernommen werden müssen.

Interaktion zwischen Mensch und Roboter erfordert neue Techniken

Denn, die Interaktion zwischen Mensch und Roboter erfordert neue Techniken und Lösungsansätze, um ein sicheres Zusammenarbeiten zu gewährleisten. Die Anforderungen an die Sicherheitstechnik hängen dabei immer von der jeweiligen Applikation ab. Für den Nachweis des erforderlichen Sicherheitsniveaus muss die komplette Sicherheitsfunktion, vom Sensor über die Logik bis hin zum Aktor betrachtet werden. Alle diese Faktoren müssen zudem koordiniert zusammenspielen, um die Sicherheit der Roboterapplikation gewährleisten zu können. Dabei unterstützt zum Beispiel der Komplettanbieter für die sichere Automation Pilz Anwender mit einem auf die einzelnen Lebensphasen eines Robotersystems abgestimmten Dienstleistungsportfolio, von der Prozessanalyse über die Risikobeurteilung bis hin zur CE-Kennzeichnung. Ein Schulungsangebot zum Thema Robot Safety rundet das Dienstleistungsportfolio von Pilz ab.

Intelligente Sensorik für Mensch-Roboter Interaktion

Da die Mensch-Roboter-Kooperation ein sehr weit gefasstes Feld von Applikationen mit unterschiedlichsten Facetten umfasst, sind die Technologien noch eher überschaubar. Erste Produkte, die den besonderen Anforderungen dieser Art von Kooperation gerecht werden, sind aber dennoch schon auf dem Markt. Dazu gehört unter anderem das sichere 3D-Kamerasystem Safety Eye von Pilz, das sich bereits in unterschiedlichen Mensch-Roboter-Applikationen bewährt hat. Das sichere dreidimensionale Kamerasystem detektiert das Eindringen von Objekten in Warn- und Schutzräume, die frei im Raum definiert werden können.

Mit extrem hoher Dynamik

Per Configurator lassen sich mehrere virtuelle Warn- oder Schutzkokons um das zu beobachtende Objekt anordnen. Mit jedem dieser Bereiche ist eine Aktion für den Eingriffsfall verknüpft. Erkennt das Kamerasystem einen Schutzraumeingriff, folgt die ebenfalls vorab festgelegte Handlung unmittelbar: Betritt beispielsweise eine Person den als Warnzone definierten Bereich, löst das Kamerasystem eine optische und/oder akustische Warnung aus. Tritt ein Werker in den als Schutzraum definierten Aktionsbereich eines Roboters, veranlasst das Sicherheitssystem den sofortigen Not-Halt. Heute liegt mit Safety Eye das erste zugelassene und von den Berufsgenossenschaften abgenommene, serienmäßig einsetzbare stereoskopische System vor. Die drei CMOS-Bildsensoren zeichnen sich durch hohe Geschwindigkeit beim Auslesen, selbst kleiner Bildbereiche, aus und verarbeiten einen Teil ihrer Erkenntnisse bereits im Sensor. Mit extrem hoher Dynamik ausgestattet, operiert das Sensorentrio in der Praxis selbst bei wechselnden Lichtverhältnissen sicher und zuverlässig.

Der Anteil von Mensch-Roboter-Kooperationen wird definitiv zunehmen, dessen Wachstum wird aber stark von den Innovationen im Sensorik- und Robotikumfeld abhängen. Eine Kombination aus intelligenten Sensoren, die miteinander verknüpft sind, und Steuerungen, die die notwendigen dynamischen Arbeitsprozesse überhaupt erst möglich machen, ist hier erster erfolgversprechender Schritt. [klu]

* *Rüdiger Frank, Bereichsleiter Sensorik, Produktmanagement, Pilz GmbH&Co.KG

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