Teil 2: Kleben Numerische Simulation in der Verbindungstechnik

Autor / Redakteur: Dipl.-Ing. (FH) Christof Gebhardt* / Juliana Pfeiffer

Im ersten Teil dieser Serie zur Simulation in der Verbindungstechnik wurden Schweißsimulationen näher betrachtet. Nun geht es um die Simulation von Klebverbindungen.

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Zugversuch bei einem verklebten Bauteil und die entsprechende Simulation.
Zugversuch bei einem verklebten Bauteil und die entsprechende Simulation.
(Bild: Cadfem)

Das Fügeverfahren Kleben wird in den unterschiedlichsten Branchen angewendet. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Auslegung von geklebten Fügestellen bietet die Simulation wertvolle Hinweise für deren Gestaltung und Bewertung und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Sicherung einer hohen Produktqualität.

Zentrale Aussagen über Klebeverbindungen – unabhängig davon, ob es sich um verklebte Tragstrukturen im Fahrzeugbau, Implantate in der Medizintechnik, Glas-Elemente oder Holzlaminatträger im Baubereich, Magnete und Schleifringe in Elektromotoren oder Bauelemente in der Elektronik handelt – betreffen deren Festigkeit, um die übertragbaren Lasten zu quantifizieren. Aber auch der Einfluss der Klebeverbindung auf die Produkteigenschaften der Baugruppe, z. B. den Verzug durch Schrumpfung des Klebstoffes, wird untersucht, um die Produktqualität zu sichern. Zur Simulation von Klebeverbindungen werden zwei Modellierungsansätze genutzt, und zwar Materialmodelle oder Interface-Elemente.

Bei Materialmodellen wird die Klebeschicht geometrisch aufgelöst, entsprechend fein vernetzt und mit einem Materialverhalten versehen, das den gewünschten Effekt widerspiegeln kann. Typische Eigenschaften, die in Ansys, der Software zur numerischen Simulation in der Produktentwicklung von Cadfem, berücksichtigt werden, sind:

  • Viskoelastizität, dabei tritt neben einer instantanen Deformation der Klebeschicht eine zeitlich etwas verzögerte Verformung auf.
  • Kriechen, hier führen kontinuierlich angreifende Lasten über lange Zeiträume zu einer ansteigenden Deformation, die bis zum Bruch führen kann.
  • Thermische Dehnung, bei der durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten und/oder Temperaturen der an der Klebeverbindung beteiligten Bauteile thermische Spannungen und Verzug entstehen.

Erweiterte Materialmodellierung

Durch die Offenheit von Ansys konnte Cadfem im Kundenauftrag durch Programmierung entsprechende Erweiterungen darüber hinausgehende Anforderungen realisieren. So lässt sich auch das Ermüden berücksichtigen. In diesem Fall führen zyklische Lasten, z. B. durch mechanische oder thermische Zyklen, zu einer Schädigung des Materials. Ebenso kann das Aushärten simuliert werden. Ab dem Übergang vom flüssigen in den festen Zustand – dem sogenannten Gelpunkt – werden die Klebeschichtelemente mechanisch aktiv. Sie sind zunächst spannungsfrei, mit fortschreitender Aushärtung können jedoch Eigenspannungen auftreten.

Indem beim Einsatz von Interface-Elementen statt eines Materialmodells die Energie zum Aufreißen einer Klebeverbindung als beschreibende Größe genutzt wird, können nahezu beliebige Klebepaarungen simuliert werden, ohne die Klebeschicht selbst im Detail abzubilden. Die Parameter für diese Rissfortschrittsenergierate lassen sich direkt an den Kontakten hinterlegen, die die Klebeschicht ersetzen und dadurch die Klebeeigenschaft abbilden. Dieser phänomenologische Ansatz kann genutzt werden, um das Strukturverhalten vom ersten Versagen bis zum kompletten Abreißen der Klebung zu simulieren. Zyklische Lasten und ein Schließen der Klebeverbindung sind damit jedoch nicht abbildbar.

Für beide Modellierungsansätze sind Messdaten unabdingbar, die die Materialeigenschaften entsprechend den späteren Fertigungs- und Einsatzbedingungen (wie Temperatur und Feuchte) erfassen können. Durch den Abgleich von realem und simuliertem Klebstoffversuch lassen sich die erforderlichen Materialparameter ermitteln, um belastbare Aussagen in der eigentlichen Produktsimulation zu erzielen.

Optislang zur Materialbestimmung

Die parametrische Durchgängigkeit von Ansys Workbench lässt sich für den Abgleich von Berechnungsergebnissen mit Testergebnissen durch die Software Optislang zur Sensitivitätsanalyse und Optimierung ideal ergänzen. Das Finden der Materialparameter kann als Optimierungsaufgabe verstanden werden, bei der das Abweichen der Simulationsergebnisse von einer Referenz – das Ergebnis aus dem realen Test – minimiert wird. Dieser Abgleich von Simulationsmodellen mit Versuchsdaten durch Änderung der Modellparameter wird oft als Parameteridentifikation, model update oder reverse engineering bezeichnet und durch die systematische Vorgehensweise mit Optislang gegenüber einer manuellen Variation deutlich beschleunigt.

Bessere Vorhersagen treffen

Die Simulation des Verhaltens von Klebeverbindungen ist oft Teil eines umfangreicheren Workflows. Beispielsweise werden Sensoren zunächst verklebt und anschließend mit kurzfaserverstärktem Kunststoff umspritzt. Im Simulationsprozess wird dann der Einfluss des Verklebens und Umspritzens des Sensors auf dessen mechanische Belastung untersucht. Dabei wird Verzug und Schrumpfung sowie das damit einhergehende Aufheizen und Abkühlen berücksichtigt, auch unter Beachtung der Faserorientierung der kurzfaserverstärkten Ummantelung und der Erstarrungstemperatur des Klebstoffs. Die Ergebnisse dieser Simulationen ermöglichen bessere Vorhersagen über die Leistungsfähigkeit und Robustheit von Sensorelementen unter Berücksichtigung der Einflüsse der Fertigungsprozesse. (jup)

* *Dipl.-Ing. (FH) Christof Gebhardt ist Business Development Manager, Cadfem GmbH

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