Smart Glasses Neue Augmented-Reality-Brillen sollen das Smartphone ersetzen

Von Henrik Bork, Michael Eckstein

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Laut dem chinesischen Xiaomi-Konzern sollen Smartphones schon bald der Vergangenheit angehören. Denn wenn es nach dem chinesische Apple-Konkurrenten geht, werden sie durch moderne Smart Glasses ersetzt. Warum die neue AR-Brille Erfolg verspricht – anders als die gescheiterten Google Glasses – lesen Sie hier.

Xiaomi Smart Glasses enthält insgesamt 497 Komponenten, darunter Miniatursensoren und Kommunikationsmodule.
Xiaomi Smart Glasses enthält insgesamt 497 Komponenten, darunter Miniatursensoren und Kommunikationsmodule.
(Bild: Xiaomi)

Der chinesische Apple-Konkurrent Xiaomi will Handys überflüssig machen. „Eines Tages in der Zukunft könnten Smartphones ein Ding der Vergangenheit werden,” heißt es im Werbespot des chinesischen Tech-Konzerns für seine neue AR-Brille.

Mitte September hat der Konzern das Konzept seiner „Xiaomi Smart Glasses“ vorgestellt. Die technischen Einzelheiten werden seither in den Fachmedien des Landes ausführlich besprochen. Wann das Produkt in den Handel kommt ist allerdings noch nicht bekannt.

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Texte direkt vor den Augen des Benutzers übersetzen

Laut Xiaomi wiegt die Brille nur 51 Gramm. Ihr Rahmen und Display seien aber dennoch mit modernster Elektronik vollgestopft, so dass die smarte Brille Textnachrichten anzeigen, telefonieren, navigieren, Fotos aufnehmen und Text direkt vor den Augen ihres Trägers übersetzen kann, heißt es in der Presse-Erklärung des Unternehmens.

Nach eigenen Angaben habe man eine „Interaktionslogik entwickeln müssen, die den normalen Gebrauch nicht stört, aber wichtige Informationen rechtzeitig anzeigt“. Letztlich haben sich die Entwickler auf mehrere Schlüsselszenarien geeinigt, darunter wichtige Benachrichtigungen, Telefonanrufe, Navigation und Fotoübersetzung.

Künstliche Intelligenz übernimmt die Interaktion

Der XiaoAi AI Assistant sei für die Interaktion mit dem Brillenträger zuständig. Auf diese Weise könnten die Xiaomi Smart Glasses „die wichtigsten Informationen in dem Moment anzeigen, in dem sie benötigt werden“.

Die Brille nutze „Micro-LED-Technologie” zur Darstellung, schreibt Xiaomi. Wie OLED-Bildschirme sind dabei die einzelnen Pixel individuell beleuchtet, was in diesem Fall für eine einfache optisch-mechanische Struktur sorge, heißt es bei Xiaomi.

Winziges Bildsystem findet im Brillenrahmen Platz

Mit Hilfe der neuen Display-Technologie habe das sehr kleine und sehr leichte Bildsystem so im Rahmen Platz gefunden, dass das neue Produkt „in seiner Form gewöhnlichen Brillen gleicht”, schreibt Xiaomi mit.

So sei man etwa mit einer Display-Einheit ausgekommen, die lediglich 2,4 x 2,02 Millimeter groß sei. Unter einem Mikroskop habe sie „ungefähr die Größe eines Reiskorns“ und die individuellen Pixel seien bloß 4 Mikrometer groß.

Optical-Waveguide-Technik projiziert Inhalte auf die Netzhaut

Xiaomi spricht von einer neuartigen „Optical Waveguide Technology“, die eine genügend abgeschwächte Projektion der dargestellten Inhalte auf die Netzhaut ermögliche, macht aber keine konkreten Angaben über den Zulieferer dieser Linse.

Das chinesische Tech-Portal Jike Gongyuan (auch “Geek Park” genannt) will jedoch erfahren haben, dass der britische Hersteller WaveOptics, der erst kürzlich für 500 Millionen US-Dollar von Snap übernommen worden ist, der Zulieferer sei. Die „Waveguide“-Technologie, mit der auf transparenten Oberflächen virtuelle Objekte „über die reale Welt gelegt“ werden können, ist auch in den neuen “Spectacles”-AR-Brillen von Snap zu finden.

Markt für „Smart Glasses“ wird „sehr lebendig“

Mit Hilfe der neuen Technologie aus England werde es überhaupt erst möglich, smarte Brillen vom Gewicht und Aussehen her näher an gewöhnliche Brillen zu bringen, schreibt das chinesische Tech-Portal. Mehrere andere chinesische Firmen hätten begonnen, damit eigene AR-Brillen zu entwickeln und Insider gehen derzeit davon aus, dass „die Industrie in der zweiten Hälfte des Jahres sehr lebendig wird,“ schreibt Jike Gongyuan.

Der Pionier Google hatte mit seinen “Google Glasses“ unter anderem deshalb keinen kommerziellen Erfolg auf dem Massenmarkt gehabt, weil eine solche Technologie noch nicht zur Verfügung gestanden und daher der Preis für Googles AR-Brille bei etwa 1500 US-Dollar pro Stück gelegen hatte. Google hat sich seither auf AR-Brillen für industrielle Nutzer konzentriert, die etwa beim Sortieren von Päckchen helfen können.

Kompromiss zwischen Funktion und Preis

Auch Xiaomi musste offenbar bei der Entwicklung seiner nun angekündigten Brille Kompromisse zwischen Funktion und Preis machen. Das Display sei monochrom, heißt es nach ersten Sichtungen von Prototypen in Chinas sozialen Medien und habe daher einen gewissen „Retro-Look“.

So sind Pfeile zur Navigation beim Auto- oder Fahrradfahren in den Xiaomi Smart Glasses nur in grüner Farbe zu sehen, was einen chinesischen Geek an seinen ersten IBM-Computer erinnerte.

Zwar betonte Xiaomi bei der Vorstellung des Produktes, dass es sich keinesfalls um einen Zusatzbildschirm zum Handy handele, sondern dass seine Smart Glasses ein „eigenständiges Device“ seien, dass eines Tages eben auch die Nutzung eines Smartphones überflüssig machen könne.

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Wegen der Monochromatik und anderer technischer Einschränkungen gehen Marktbeobachter allerdings davon aus, dass es noch eine ganze Reihe von Jahren dauern wird, bis die meisten Leute ihr iPhone – oder Xiaomi Smartphone – zuhause lassen können.

Über den Autor

*Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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