Produktfälschung Negativ-Preis „Plagiarius“ prämiert besonders dreiste Fälschungen
Die Aktion Plagiarius e.V. hat auch in diesem Jahr den befürchteten Schmäh-Preis "Plagiarius 2016" an Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen und Fälschungen prämiert. In der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“ im Congress Center der Messe Frankfurt wurden drei Hauptpreise, zwei Sonderpreise und fünf gleichrangige Auszeichnungen aus insgesamt 40 Einsendungen verliehen. Mit dabei waren auch die gefälschten FAG-Rillenkugellager „FAG 6012.2ZR.C3“ und INA-Schrägkugellager „INA 30/8-2RS“.
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Das Geschäft mit Plagiaten und Fälschungen ist ebenso lukrativ wie erfolgreich. Vom einfallslosen Kleinunternehmer bis hin zur organisierten Kriminalität profitieren viele vom Diebstahl geistigen Eigentums. Die Schäden seitens der Originalhersteller sind enorm, die Gefahren für Verbraucher ebenfalls. Das Internet gilt als „Turbo-Booster“: Die bequeme Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit großer Mengen vermeintlicher Markenprodukte zum Spottpreis aus aller Welt verführen zum Kauf. Leichtgläubige (Online-)Schnäppchenjäger bescheren den Fälschern milliardenschwere Gewinne.
Plagiarius: Nachahmer verdienen sich eine goldene Nase auf Kosten Anderer
Bereits seit 1977 vergibt die Aktion Plagiarius e.V. den gefürchteten Schmäh-Preis an Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen und Fälschungen. Ziel des Vereins ist es, die unseriösen Geschäftspraktiken von Produkt- und Markenpiraten aus aller Welt ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und Industrie, Politik sowie Verbraucher für die Problematik zu sensibilisieren. Trophäe ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase – als Symbol für die exorbitanten Profite, die die Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten kreativer Designer und innovativer Hersteller erwirtschaften.
Natürlich sagt die Auszeichnung mit dem „Plagiarius“ nichts darüber aus, ob die jeweilige Nachahmung im juristischen Sinne erlaubt oder aber rechtswidrig ist. Die Aktion Plagiarius kann und will kein Recht sprechen. Sie darf aber auf die Probleme betroffener Firmen aufmerksam machen und die Meinung äußern, „dass plumpe 1:1 Nachahmungen einfallslos und moralisch verwerflich sind“.
Vermeintliche Plagiatoren können Stellung nehmen
In dem Zusammenhang betonte der Verein „dass legale Wettbewerbsprodukte, die einem Trend folgen, sich aber optisch und technisch ausreichend vom Original unterscheiden und somit fairen Wettbewerb beleben, ausdrücklich erwünscht sind“. Bevor die Plagiarius-Jury aus allen Einsendungen die Preisträger wählt, werden die vermeintlichen Plagiatoren schriftlich auf ihre Nominierung hingewiesen und erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Neben allgemeinen fallbezogenen Informationen fließen auch diese Reaktionen – sofern genutzt – mit in die Bewertung ein. Erfreulich ist, dass der hohe Bekanntheitsgrad des „Plagiarius“ auch dieses Mal wieder seine abschreckende Wirkung zeigte: Aus Angst vor öffentlicher Blamage haben einige der angeschriebenen Nachahmer noch vor der Jurysitzung eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht. Teils wurden Restbestände der Plagiate vom Markt genommen, Unterlassungserklärungen unterschrieben oder aber Lieferanten preisgegeben.
Fortschritt statt Stillstand – Unternehmerisches Risiko muss sich lohnen
Ob Markenfälschung, Designplagiat, Technologieklau oder Raubkopie – die Erscheinungsformen von Produkt- und Markenpiraterie sind vielfältig. Und es gibt sie mittlerweile in allen Preis- und Qualitätsabstufungen, von gefährlichen Billigimitaten bis hin zu qualitativ hochwertigen Kopien, die dann aber auch kaum günstiger als das Original sind. Für Verbraucher sind Nachahmungen häufig nur ein Kavaliersdelikt, für die betroffenen Designer, Hersteller oder Händler bedeuten sie enorme, teils existenzbedrohende Schäden. Mehr Wertschätzung und Respekt seitens der Käufer für die hinter dem Produkt steckende Leistung wäre angemessen und wünschenswert. Denn von einer ersten Idee bis hin zum marktreifen Endprodukt ist es ein langwieriger und kostenintensiver Prozess, bei dem die Entwickler bzw. Markeninhaber regelmäßig finanziell in Vorleistung gehen. Gute Ideen sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens. Sie sind aber nicht selbstverständlich. Verbraucher sollten sich bewusst machen, dass hinter jedem innovativen Produkt Menschen stecken, die über Monate, teils Jahre, all ihre Erfahrung und Kreativität, ihr technisches Know-how und auch Herzblut in den Entwicklungsprozess eingebracht haben. Um auch zukünftig Fortschritt und Arbeitsplätze sichern zu können, muss sich dieses unternehmerische Risiko lohnen. Das funktioniert aber nicht, wenn skrupellose ideenarme Trittbrettfahrer erfolgreiche Produkte ungeniert kopieren, diese als eigene Leistung ausgeben, zu einem vermeintlich günstigeren Preis anbieten und so unberechtigterweise Marktanteile und Gewinne des Originalherstellers abgreifen.
Fälschungen im Internet – Herausforderung für Markeninhaber und Strafverfolgungsbehörden
Das Internet bietet zweifelsohne vielfältige Möglichkeiten für Wachstum und Kundenbindung. Das haben auch unseriöse Anbieter schnell erkannt und nutzen die Vorteile des Online-Handels für ihre skrupellosen Zwecke. Nicht nur gefühlt sind Plagiate und Fälschungen im Internet „omnipräsent“. Obwohl Europol, Interpol und andere internationale Behörden jährlich zehntausende Websites wegen Handel mit gefälschten Produkten erfolgreich schließen lassen, ist das Angebot rechtswidriger Marken- und Designprodukte ungebrochen hoch. Oftmals verstecken sich die Anbieter hinter der Anonymität des World Wide Web und setzen ihr Geschäft binnen kürzester Zeit unter neuem Firmen- und Domainnamen fort. Die Mehrheit der Fälscher ist global bestens vernetzt und sehr versiert im Umgang mit digitalen Medien. Neben gefälschten Markenwebseiten setzen sie zunehmend auch auf eCommerce-Plattformen und Social Media Netzwerke. Laut Europol operieren Produkt- und Markenpiraten meist sehr professionell und nutzen z.B. für den Vertrieb von Fälschungen ihre vorhandenen Strukturen aus Waffen-, Drogen- und Menschenhandel.
Schnäppchenjäger: Niedriger Preis von Fälschungen verführt Verbraucher zum Kauf
Für eine im Dezember 2015 veröffentlichte Studie befragte die Beratungsgesellschaft Ernst & Young deutsche Unternehmer und Verbraucher zum Thema Produkt- und Markenpiraterie. Knapp 60% der Unternehmen sehen sich demnach im ersten Jahr nach Einführung eines Produkts mit Nachahmungen konfrontiert, beinahe jedes zehnte Unternehmen sogar bereits im ersten Monat ab Markteinführung. Bei Verbrauchern scheinen Plagiate und Fälschungen gesellschaftlich akzeptiert. Fast jeder zweite Konsument hat bereits oder würde ein gefälschtes Produkt kaufen. 55% der Befragten wusste beim Kauf, dass es sich um ein Plagiat handelte, 18% hatten zumindest den Verdacht. Vor allem der niedrige Preis im Vergleich zum Original lässt die meisten zugreifen.
Preiswert statt billig – Auf das Preis-Leistungs-Verhältnis kommt es an
Original und Fälschung sind aber nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich. „Verbraucher dürfen sich nicht blauäugig der Illusion hingeben, Ziel der Nachahmer sei es, ihnen hochwertige Markenfälschungen zum ,fairen‘ Schnäppchenpreis zu bieten“, so die Aktion Plagiarius. Viele Fälscher setzen nach wie vor auf schnelle Gewinnmaximierung, d.h. sie verwenden minderwertige Materialien, verzichten auf Qualitäts- und Sicherheitskontrollen, produzieren unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und setzen billigend die Gesundheit der Menschen in den Fabriken sowie der Konsumenten aufs Spiel. Da Märkte sich über Angebot und Nachfrage regeln, trägt jeder Konsument eine erhebliche Verantwortung. Wer bewusst Fälschungen kauft, schwächt nicht nur gezielt die jeweiligen Markenhersteller, er unterstützt u.a. auch Kinderarbeit und kriminelle Machenschaften. Das von Verbrauchern gern benutzte Argument „man könne sich das teure Marken- oder Luxusprodukt nicht leisten“ rechtfertigt niemals den Kauf einer rechtswidrigen Fälschung. Die heutigen globalen Märkte bieten Konsumenten eine enorme Auswahl und Vielfalt von legalen Wettbewerbsprodukten. Für jeden Geschmack und für jedes Budget gibt es attraktive, sichere und qualitativ einwandfreie Produkte mit fairem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Online-Betrug: Billige Fälschung statt Markenprodukt – und das Geld ist auch weg
Unseriöse Online-Anbieter von Plagiaten und Fälschungen arbeiten mit vielen Tricks und verführen Verbraucher heimtückisch mit Fotos der Originalprodukte und vermeintlich günstigen Preisen. Wer nicht Opfer dieser Betrüger werden möchte, der sollte insbesondere auch im Internet Anbieter und Produkte sorgfältig prüfen und auf seinen gesunden Menschenverstand hören: Enthält die Website Rechtschreib- und Grammatikfehler? Gibt es ein Impressum und wo hat der Anbieter seinen Sitz? Ist der niedrige Preis wirklich realistisch? Welche Zahlungsmodalitäten stehen zur Verfügung und wird das gesetzlich vorgeschriebene Widerrufrecht eingeräumt? Werden sensible Daten verschlüsselt übertragen? Die Erfahrung geprellter Käufer zeigt, dass eine Rückabwicklung des Geschäfts bei unseriösen Anbietern in der Regel nicht möglich ist. Dies ist umso ärgerlicher, weil man in dem Fall nicht nur mit einem minderwertigen Produkt betrogen wurde, sondern auch noch das Geld weg ist. Viele Markenhersteller stellen auf ihrer Website zum Schutz der Verbraucher vor Betrügern eine Übersicht autorisierter Händler zur Verfügung.
EU-Zollbehörden beschlagnahmt knapp 36 Millionen rechtsverletzende Produkte in 2014
Produkt- und Markenpiraterie hat sich zu einer der gravierendsten Formen der Wirtschafskriminalität entwickelt. Allein 2014 haben die EU-Zollbehörden knapp 36 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von mehr als 617 Millionen Euro an den EU-Außengrenzen beschlagnahmt. Ein wesentlicher Trend der letzten Jahre setzte sich weiter fort: Ein Großteil der Aufgriffe betraf Post- und Kurierpakete, die auf private Online-Bestellungen zurückzuführen sind. Zu den festgehaltenen Waren zählen neben Bekleidung, Sportartikeln und Spielzeug u.a. Fälschungen mit hohem Gefährdungspotential: von falsch dosierten oder verunreinigten Arzneimitteln über Parfums, Kosmetika, Lebensmittel und Zigaretten bis hin zu elektrischen Haushaltsgeräten, Motorsägen und Bremsbelägen. Der Zoll ist daher nicht nur ein wichtiger strategischer Partner für Markenhersteller, er kümmert sich auch um den Schutz der Verbraucher vor riskanten Fälschungen und Billigprodukten.
Rund 80% der festgehaltenen Waren kamen 2014 aus China und Hongkong. Zu den Herkunftsländern gehörten aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und Indien. Die EU-Zoll-Statistiken können aber nur einen Teil des weltweiten Problems zeigen. Fakt ist, dass sich viele asiatische Firmen von der verlängerten Werkbank des Westens hin zu ernsthaften Mitbewerbern auf den Weltmärkten entwickelt haben, die selbst gewerbliche Schutzrechte anmelden und diese konsequent gegen Nachahmer durchsetzen. Hinzu kommt, dass die Auftraggeber bzw. Importeure von Nachahmungen oftmals aus Industrieländern kommen. Die EU gilt als einer der Hauptabsatzmärkte für nachgemachte Waren. Auch unter den Nominierten für den Negativ-Preis „Plagiarius“ befinden sich seit Jahren immer mehr europäische Firmen, häufig stammen der Originalhersteller und der vermeintliche Plagiator sogar aus demselben Land. Und zunehmend handelt es sich bei den Nachahmern um ehemalige Produktions- oder Vertriebspartner. Für eine bestmögliche Abwehr von Produkt- und Markenpiraterie sollten Firmen daher auf eine ganzheitliche Strategie aus juristischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen setzen, die alle relevanten Absatz- und Produktionsländer umfasst. Denn grundsätzlich gilt in Deutschland und vielen anderen Ländern Nachahmungsfreiheit. Daher ist das Eintragen von gewerblichen Schutzrechten - Marke, Design, Patent, Gebrauchsmuster - unerlässlich. Ohne Schutzrechte sind Kopien zwar dreist und einfallslos, aus rechtlicher Sicht aber höchstwahrscheinlich legal, wenn nicht z.B. unlauteres Wettbewerbsverhalten Anwendung findet.
Praxisnahe Sensibilisierung im Museum Plagiarius in Solingen
Das Museum Plagiarius präsentiert die Sammlung der Plagiarius-Preisträger von 1977 bis heute. Die Ausstellung umfasst mehr als 350 Produkte der unterschiedlichsten Branchen und zeigt jeweils Original und Plagiat im direkten Vergleich. Die vielen Praxis-Beispiele verdeutlichen anschaulich Ausmaß, Schäden und Gefahren von Plagiaten und tragen maßgeblich zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei. Ergänzt wird die Sammlung durch vom Zoll beschlagnahmte Fälschungen. (jup)
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