Leichtbau Möglichkeiten des Werkstoff-Leichtbaus

Autor / Redakteur: Prof. Dr.-Ing. Jochen Dörr* / Dipl.-Ing. Dorothee Quitter

Obwohl durch konstruktiven Leichtbau mehr Gewicht eingespart werden kann, verleitet die reine Werkstoffsubsti­tution zu schnellen Erfolgen. Doch so einfach ist es nicht.

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Leichtbau ist seit Jahren ein Trendthema. Doch obwohl durch konstruktiven Leichtbau meist größere Gewichtseinsparungen erzielbar sind als durch einen reinen Austausch des Werkstoffs, wird in der Praxis meist versucht, Leichtbau über einen anderen Werkstoff zu betreiben.
Leichtbau ist seit Jahren ein Trendthema. Doch obwohl durch konstruktiven Leichtbau meist größere Gewichtseinsparungen erzielbar sind als durch einen reinen Austausch des Werkstoffs, wird in der Praxis meist versucht, Leichtbau über einen anderen Werkstoff zu betreiben.
(Bild: D.Quitter/konstruktionspraxis)

Leichtbau lässt sich definieren als das Bestreben, eine Konstruktion so zu verändern, dass sich der Quotient aus Nutzgewicht zu Eigengewicht verbessert, ohne durch diese Veränderung die Funktionalität zu verschlechtern. Ein Ziel könnte also sein, z.B. die Nutzlast bei einem Fahrzeug zu erhöhen, ohne dass das Eigengewicht steigt; oder dass sich das Fahrzeuggewicht bei gleicher möglicher Nutzlast verringert, ohne Abstriche in der Funktion wie Sicherheits-, Komfort- und Assistenzsysteme vorzunehmen.

Leichtbau ist seit Jahren ein Trendthema. Doch obwohl durch konstruktiven Leichtbau meist größere Gewichtseinsparungen erzielbar sind als durch einen reinen Austausch des Werkstoffs, wird in der Praxis meist versucht, Leichtbau über einen anderen Werkstoff zu betreiben. Doch ein reiner Werkstofftausch ist kein guter Weg, denn ein anderer Werkstoff benötigt meist eine andere konstruktive Gestaltung (z.B. mehr Bauraum oder andere Radien) und/oder Fertigung, etwa Umform-, Urform- oder Fügetechnik.

Aus technologischer Sicht bietet nur eine Kombination aus werkstofflichem und konstruktivem Leichtbau das größte Potential. Daher muss jeder, der leicht bauen will, die Möglichkeiten des werkstofflichen Leichtbaus kennen.

Gütekennzahlen erleichtern Beurteilung

Nimmt man zunächst die mechanischen Eigenschaften in den Fokus, ist es im Leichtbau üblich, die spezifischen, dichtebezogenen Eigenschaftswerte eines Werkstoffs zu betrachten. Bei den einfachen analytisch lösbaren Beanspruchungsfällen: Zug/Druck, Biegung, Torsion, Knicken von Stäben und Beulen von Platten, kann man leicht zeigen, dass die erforderliche Masse von geometrischen und werkstofflichen Parametern abhängt.

Nimmt man die Geometrie als vorgegeben an, was technisch oft sinnvoll ist, etwa die vorgegebene Länge und der Bauraum der Konstruktion, so hängt das Gewicht letztlich von spezifischen Werkstoffkennwerten ab, die für diese Belastungsfälle als Gütekennzahlen bezeichnet werden und in der Leichtbauliteratur in Tabellen zu finden sind.

In diesen Tabellen werden aber häufig mittlere Materialkennwerte verwendet, um eine gemittelte Gütekennzahl anzugeben. Dies ist jedoch für die Nutzung dieser Kennzahlen zur Werkstoffvorauswahl nicht sinnvoll, da viele Werkstoffe eine so große Spanne an Eigenschaften besitzen, dass die Mittelwerte ohne Aussagekraft für einen konkreten Fall sind. Während zumindest bei den metallischen Werkstoffen einige Werte wie der E-Modul oder die Dichte sich kaum mit der Legierungszusammensetzung oder Wärmebehandlung ändern, gilt das für andere wichtige Werte wie die Zugfestigkeit in keinster Weise.

Auf den Werkstoff Stahl normiert

Abbildung 1 zeigt deshalb oben eine Tabelle mit Gütekennzahlen, die die Spanne der Eigenschaftsvarianz eines Werkstoffs wiedergeben. Die Tabelle zeigt, dass bei Verbundwerkstoffen wie Holz oder faserverstärkten Kunststoffen zusätzlich der E-Modul und die Dichte mit den eingesetzten Werkstoffen (Fasertyp und Matrixwerkstoff), deren Anteilen (Faserdichte) und geometrischer Ausrichtung zur Belastung (Faserorientierung, Lagenaufbau bei mehreren Schichten) teils erheblich variieren, weil Faserverbunde eigentlich keine Werkstoffe, sondern selbst Konstruktionen aus Fasern mit Orientierung in einer Matrix sind.

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Die Tabelle wurde auf den im Maschinenbau meist verwendeten Werkstoff Stahl normiert, so dass alle Tabellenwerte direkt angeben, um wie viel leichter oder schwerer eine geometrisch ähnliche Konstruktion aus einem Werkstoff bezogen auf Stahl ist. So kann z.B. eine zugbelastete Strebe aus GFK, wenn sie nach Festigkeit ausgelegt wird, um den Faktor 1,19 bis 15,86 leichter sein als eine Strebe aus Stahl, je nachdem welche Legierungen, bzw. welcher Faserverbund als Bezug benutzt wird. Muss die Strebe hingegen auf Steifigkeit ausgelegt werden, wird sie in GFK nur 0,37 bis 0,93 mal so leicht, also mindestens 7 % schwerer.

Interessant ist bezüglich der Gütekennzahl für Längssteifigkeit auch, dass hier die metallischen Konstruktionswerkstoffe alle etwa gleich geeignet sind. Aus diesem Grund bietet ein Werkstofftausch keinen Vorteil – nur CFK ermöglicht in diesem Zusammenhang mehr Leichtbau.

Da die in der Literatur häufig verwendeten Tabellen wenig anschaulich sind, verdeutlicht der untere Teil von Abbildung 1 nochmals graphisch den eben beschriebenen Zusammenhang. Die Tabellen, bzw. entsprechende Diagramme, wie Abbildung 1 unten, erlauben eine gute Zuordnung der Werkstoffeignung zu bestimmten Belastungsfällen und ermöglichen so eine schnelle Vorauswahl.

Die mechanischen Eigenschaftswerte, die in Gütekennzahlen ausgedrückt werden können, sind aber nicht die einzigen Aspekte, die bei der Werkstoffauswahl zu berücksichtigen sind: Hinzu kommen weitere technologische Kennwerte, wie Dauerfestigkeit, Bruchdehnung und -zähigkeit, Temperaturfestigkeit oder Wärmeausdehnungskoeffizient sowie weitere Werkstoffeigenschaften wie Korrosionsbeständigkeit, Form-, Trenn- und Fügbarkeit und andere, auf die detaillierter einzugehen den Rahmen dieses Artikels sprengt.

Leichtbau muss wirtschaftlich sein

Leichtbau ist industriell aber nicht nur der technisch beste Kompromiss aus Gewicht und weiteren technologischen Anforderungen – er muss auch wirtschaftlich sein. Dieser Aspekt soll kurz betrachtet werden: Aus Kostengründen wird das Gros der Maschinenbauprodukte aus metallischen Konstruktionswerkstoffen hergestellt. Die mit Abstand wichtigsten sind dabei Stahl, Aluminium und Magnesium. Deren unterschiedliche Werkstoffeigenschaften beeinflussen aber nicht nur die Gütekennzahlen sondern auch die Verarbeitbarkeit zu Halbzeugen und Endprodukten und die damit verbundenen Kosten.

Blech als ideales Halbzeug für Stahl

Der traditionelle Maschinenbauwerkstoff Stahl lässt sich hervorragend walzen und zu Platten und Blechen verarbeiten, die es dank dieser Voraussetzungen in nahezu unüberschaubarer Vielfalt und zudem relativ kostengünstig gibt. Kein Wunder also, dass sie in vielen Konstruktionen eingesetzt werden. Häufig wird deshalb versucht, bei einem von Leichtbaubestrebungen getriebenen Werkstoffwechsel das Halbzeug und die Fertigungs- und Verarbeitungsverfahren beizubehalten, was zu kurz gedacht ist: Denn andere Metalle erlauben auch andere Halbzeuge und Herstellverfahren.

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Abbildung 2 soll dies verdeutlichen. Sie zeigt als Matrix die drei wichtigsten metallischen Konstruktionswerkstoffe und die drei wichtigsten (Halbzeug-)Herstellverfahren. Farblich, angelehnt an eine Ampel, wird die Eignung der drei Werkstoffe für die einzelnen Verfahren vergleichend bewertet. Die Kriterien für diese Einschätzung sind als Stichworte in den Feldern genannt.

Es fällt zunächst auf, dass es bei Aluminium und Magnesium ein bei Stählen nicht industriell genutztes konkurrierendes Verfahren zur Herstellung von Profilen und Rohren, also längsorientierten Bauteilen, gibt: das Strangpressen.

Die klare Überlegenheit des Bleches als Halbzeug bei Stahl findet sich bei den beiden anderen Werkstoffen ebenfalls nicht: Bei Aluminium muss eine Blechkonstruktion immer in harter Konkurrenz mit einem dünnwandig und mit ähnlichen Eigenschaften ausgestatteten Guss gesehen werden; Strangpressen ist zudem für längsorientierte Bauteile das technologisch und kostentechnisch überlegene Herstellverfahren.

Magnesium am besten für Gussbauteile

Bei Magnesium verändert sich das vom Stahl gewohnte Bild komplett: Guss (oder Spritzguss bei kleineren Bauteilen wie beispielsweise Handy-, Kamera- oder Laptopgehäuse) ist eine technologisch und kostenmäßig in Großserie der sehr aufwendigen und technologisch schwierigen Herstellung von Magnesiumblechen überlegene Technologie: Es können z.B. komplexe dünnwandige Bauteile zu gewichtsbezogenen Kosten hergestellt werden, zu denen heute kaum das Magnesiumblech als Halbzeug eingekauft werden kann.

Wirtschaftlicher Leichtbau ist also eine Aufgabe, die von dem Konstrukteur erhebliches Wissen auf den Gebieten Werkstoffeigenschaften, aber auch Fertigungstechnik und den damit verbundenen Kosten, erfordert, dass in dem Umfang häufig nicht in der Ingenieursausbildung vermittelt wird. Firmen und Konstrukteure die in diesem Bereich wirtschaftlich erfolgreich arbeiten wollen, müssen deshalb diese Lücken schließen. (qui)

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* Prof. Dr.-Ing. Jochen Dörr, Produktentwicklung - Leichtbau - Umformtechnik an der HS Ostwestfalen-Lippe, Lemgo

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