Sonarsystem Mit Ultraschallwellen durch den Straßenverkehr

Redakteur: Juliana Pfeiffer

Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) wollen Sonarsysteme von Fledermäusen imitieren, um sie für Roboter und fahrerlose Autos zu nutzen. Das Forschungsprojekt wird von der Volkswagen Stiftung im Rahmen ihrer Förderinitiative „Experiment!“ gefördert.

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Oben: Blumenfledermaus beim Anflug an eine Mucuna-Blüte, deren Blatt die Ultraschallrufe reflektiert. Unten: Roboter, der durch die Echos von bioinspirierten Sonarreflektoren geleitet wird.
Oben: Blumenfledermaus beim Anflug an eine Mucuna-Blüte, deren Blatt die Ultraschallrufe reflektiert. Unten: Roboter, der durch die Echos von bioinspirierten Sonarreflektoren geleitet wird.
(Bild: Ralph Simon/FAU)

Die Natur hat oft die besten Ideen. Deshalb kupfern Wissenschaftler immer wieder bei ihr ab – angefangen bei Schwimmflossen, die die Schwimmhäute von Fröschen imitieren, bis hin zum Raketenantrieb, der vom Rückstoßprinzip von Quallen und Tintenfischen inspiriert wurde. Forscher der FAU wollen nun die Echo-Ortung, wie sie Fledermäuse nutzen, für technische Sonarsysteme adaptieren. Das Ziel: Roboter und fahrerlose Autos, die sich mithilfe von Ultraschall in ihrer Umgebung orientieren und fortbewegen.

Sonarsysteme zur Steuerung nutzen

Sonarsysteme werden heutzutage standardmäßig in Autos und Robotern eingesetzt, hauptsächlich um Abstände zu messen. Dabei bietet die Orientierung via Ultraschall viel mehr Potenzial: Wissenschaftlern der FAU schwebt vor, die Sonarsysteme vermehrt zur Steuerung zu nutzen – durch bioinspirierte Ultraschallreflektoren. „Der Einsatz von Sonarsignalen zur Lenkung von autonomen Systemen mit Ultraschall ist bisher schlecht untersucht“, erklärt Dr. Ralph Simon vom Lehrstuhl für Sensorik an der FAU. „Es ist daher schwer vorherzusagen, ob es gelingt, Roboter oder Fahrzeuge mit bioinspirierten Ultraschall-Reflektoren zu navigieren. Sollte es aber funktionieren, würde es die fahrerlose Fahrzeugnavigation revolutionieren“, erklärt Simon.

Blätter einer kubansichen Liane als Vorbild

Die Idee für das Forschungsprojekt kam dem Biologen durch eine Entdeckung, die er bei der kubanischen Liane Marcgravia evenia machte. Die Blüten dieser Liane werden von Blumenfledermäusen bestäubt, die sich mit Echo-Ortung orientieren. Direkt über ihrem Blütenstand präsentiert die Liane schüsselförmige, wie ein Hohlspiegel geformte Laubblätter. Simon fand heraus, dass diese Hohlspiegelblätter die Ultraschallrufe der Fledermäuse außerordentlich gut reflektieren, die Tiere die Blüten so bereits aus großen Entfernungen orten können.

„Außerdem zeigt das Echo eine besondere Form einer konstanten Klangfarbe und hebt sich so deutlich von den Echos der umgebenden Vegetation ab“, fügt Simon hinzu. In weiteren Untersuchungen zeigte der Forscher, dass Fledermäuse Blüten doppelt so schnell finden, wenn diese ein solches Hohlspiegelblatt präsentieren. „Das Signal erhält eine spektrale Signatur, mit der Fledermäuse die nektartragenden Blütenstände von der sie umgebenden Vegetation unterscheiden können.“

Roboter durch eine künstliche Umgebung navigieren

Die Liane ist aber nur ein Beispiel: Unter den fledermausbestäubten Pflanzen finden sich weitere Blüten mit speziellen Reflektoren. Diese Blütenreflektoren will Simon nun zusammen mit dem Ingenieur Dr. Stefan Rupitsch vom Lehrstuhl für Sensorik der FAU als Muster für künstlich produzierte Reflektoren nutzen. Diese wären günstig zu produzieren, leicht zu installieren sowie wartungsarm – also ideal für eine breite Anwendung. Um die biologisch inspirierte Ultraschall-Orientierung nutzbar zu machen, wollen die Wissenschaftler nun unter anderem mit Hilfe von Replikaten der natürlichen Blütenblatt-Reflektoren Roboter durch eine künstliche Umgebung navigieren. Sollte das gelingen, können fortführende Experimente zeigen, ob auch Autos und unbemannte Fahrzeuge von einer solchen Technik profitieren.

Experimente mit ungewissem Ausgang

Für gewagte Forschungsideen, die etabliertes Wissen herausfordern, oder ganz neue Forschungsrichtungen gibt es in Deutschland zurzeit wenige Förderangebote. Hier setzt die Förderinitiative „Experiment!“ an, mit der die Volkswagen Stiftung grundlegend neue Forschungsvorhaben mit ungewissem Ausgang in der Startphase unterstützt. Ein Scheitern des Konzeptes und unerwartete Befunde werden als Ergebnis akzeptiert. Die Förderinitiative wurde im November 2012 eingerichtet und erfreut sich außerordentlicher Resonanz. In diesem Jahr wurden 630 Anträge gestellt, von denen nun 19 Projekte gefördert werden. (jup)

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