Produktpiraterie Milliardenschaden im Maschinenbau durch Plagiate

Redakteur: Juliana Pfeiffer

Ein jährlicher Schaden von 7,6 Milliarden Euro durch Produkt- und Markenpiraterie – so das Ergebnis der VDMA-Studie „Produktpiraterie 2020“. Erstaunlich ist dabei, dass betroffene Unternehmen immer seltener dagegen klagen.

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Im September 2019 wurden über 90.000 Wälzlagerverpackungen von NSK in China beschlagnahmt. Laut aktueller VDMA-Studie haben Plagiate von Verpackungen deutlich zugenommen.
Im September 2019 wurden über 90.000 Wälzlagerverpackungen von NSK in China beschlagnahmt. Laut aktueller VDMA-Studie haben Plagiate von Verpackungen deutlich zugenommen.
(Bild: Lingcheng)

Alle zwei Jahre befragt der VDMA seine Mitgliedsfirmen zu den Bedrohungen und Auswirkungen von Fälschungen. In der aktuellen Studie wurden 3200 Mitglieder vom Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit im Auftrag des VDMA gebeten, an der Online-Befragung teilzunehmen. Insgesamt haben sich 146 Unternehmen zurück gemeldet. Dabei gaben 74 % an, von Produktpiraterie betroffen zu sein. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern erreichte dieser Anteil sogar 90 % – beides sind neue Höchstwerte.

Damit ist auch der jährliche Schaden, verursacht durch Produkt- und Markenpiraterie, auf 7,6 Milliarden Euro gewachsen. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 7,3 Milliarden Euro.

Welche Arten von Plagiaten gibt es überhaupt?

Hinter einem Plagiat können viele verschiedene Formen des Nachahmens und Fälschens stecken. Die befragten Unternehmen gaben mit 64 % als häufigstes Plagiatsziel den Nachbau von einzelnen Produktkomponenten an.

Dicht gefolgt, mit 61 %, wurden Irritationen des äußeren Erscheinungsbildes, beispielsweise von Formgebung, Farben oder Mustern.

In mehr als einem von drei Fällen wurden Ersatzteile, ganze Kataloge, Broschüren oder Produktfotos und sogar ganze Maschinen kopiert.

Deutlich zugenommen haben Plagiate von Verpackungen (16 %), Bedienungsanleitungen und technischen Dokumentationen (15 %).

„Erschreckend dabei ist, dass 57 % der Unternehmen von Fälschungen berichten, die eine Gefahr für die Anlage darstellen. Das zeigt, dass es sich bei Plagiaten nicht um Kavaliersdelikte handelt, denn der Betrieb von gefälschten Maschinen und Anlagen mit gefälschten Komponenten kann eine echte Gefahr für den Bediener bedeuten“, sagt Steffen Zimmermann, Leiter VDMA Competence Center Industrial Security.

Seminartipp

Im Seminar Patentrecht für Ingenieure und Konstrukteure lernen Teilnehmer, wie sie Patente richtig lesen und auslegen. Zudem geht es um die Möglichkeiten, Innovationen schützen zu lassen, den Ablauf von der Idee bis zum Patent, strategische Entscheidungen zu Kosten und Nutzen sowie die Verletzung eigener Schutzrechte und Schutzrechte Dritter bei Produktneueinführungen.

Plagiatoren und deren Auftraggeber

Doch von wem werden die Plagiate hergestellt, in Umlauf gebracht beziehungsweise wer erteilt den Auftrag? 72 % der befragten Unternehmen sehen hierbei nach wie vor den direkten Wettbewerber als häufigste Plagiatorengruppe.

Weiterhin konstant bleiben Zulieferer: hierbei tritt einer aus sechs als Plagiator in Erscheinung. Einen Anstieg um 5 % Punkte gab es bei den professionellen Großplagiatoren (21 %).

Auch bei Geschäftspartnern lauert die Gefahr, denn 42 % der Befragten gaben an, dass sich unter ihren Kunden, Zulieferern, Joint-Venture-Partnern und (Ersatzteil-)Händlern mindestens ein Plagiator befindet.

Vertrieb von Plagiaten

Bei der Verbreitung von Plagiaten behauptet sich die Volksrepublik China erneut mit 61 % als der größte Einzelmarktplatz.

Mit 19 % folgt bereits Deutschland als zweitgrößter Einzelmarkt.

Mit einer Verdopplung rückt Russland auf 12 % und bildet damit den drittgrößten Einzelmarkt.

Maßnahmen nach Plagiatsentdeckung

Wurde das Plagiat eines Produktes entdeckt, gibt es verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden können:

  • außergerichtliches Vorgehen (38 %)
  • zivilgerichtliches Vorgehen (26 %)
  • Grenzbeschlagnahme (12 %)
  • Strafanzeige (8 %)
  • Zwangslizenz oder Kooperation (6 %)
  • Sonstiges (18 %)
  • Keine Maßnahmen (49 %)

Schlüsselt man diese Ergebnisse nach Unternehmensgröße auf, zeigt sich, dass rund zwei von drei kleinen bis mittleren Unternehmen keine Maßnahmen gegen entdeckte Plagiate einleiten.

Während rund jedes zweite Großunternehmen nach Plagiatsentdeckung ein Verfahren einleitete, ist dies nur bei jedem zehnten kleinen und mittleren Unternehmen der Fall.„Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen scheinen zunehmend zu resignieren oder den Aufwand für die Rechtsverfolgung zu scheuen“, sagt VDMA-Experte Zimmermann. Die Gründe hierfür liegen in der Langwierigkeit und Kostspieligkeit solcher Verfahren. Der VDMA empfiehlt den betroffenen Unternehmen, zuerst ein außergerichtliches Verfahren, beispielsweise Anwaltsschreiben, persönliche Gespräche oder Aufklärungsmaßnahmen beim Kunden, zu prüfen.

Schutz vor Produktpiraterie

Am Ende der Studie wurden die Teilnehmer gebeten eine allgemeine Einschätzung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie abzugeben. Dabei halten rund die Hälfte der befragten Unternehmen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für unzureichend. So ist beinahe jedes zehnte Unternehmen in den letzten beiden Jahren von „ausreichend“ zu „unzureichend“ umgeschwenkt.

Einige Teilnehmer verweisen auf unzureichende Kontrollen, beispielsweise bei Importen in die europäische Union oder bereits im Online-Handel. Sie wünschen sich mehr Personal an den verantwortlichen Stellen und stärkere Einflussnahme durch die Politik. Immernoch bleibt die Entdeckung eines Plagiats in rund der Hälfte aller Fälle folgenlos.

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