Beschichten Leichtmetall-Bremsscheibe verringert Feinstaubbelastung

Redakteur: Juliana Pfeiffer

Die Feinstaubbelastung durch Verbrennermotoren ist unstrittig gesundheitsgefährdend. Zwar haben Abgasnormen und Partikelfilter die Emissionen schon reduziert – was bleibt ist der Feinstaub durch Reifenabrieb und Bremsen. Wie eine Leichtmetall-Bremsscheibe dies verhindern kann, zeigt folgendes Beispiel.

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Klassische Bremsscheiben aus Grauguss (silbern lackiert) setzen durch Abrieb feinste Metallpartikel frei, die als Feinstaub die Umwelt belasten. Die ANS-Tribokonditionierung (hellgraue Oberfläche) ermöglicht ein nahezu verschleißfreies Bremssystem.
Klassische Bremsscheiben aus Grauguss (silbern lackiert) setzen durch Abrieb feinste Metallpartikel frei, die als Feinstaub die Umwelt belasten. Die ANS-Tribokonditionierung (hellgraue Oberfläche) ermöglicht ein nahezu verschleißfreies Bremssystem.
(Bild: ANS)

Wenn Autos vor der Ampel stoppen oder ein Zug am Bahnsteig hält, werden die Bremsen stark belastet. Noch immer basieren die meisten Bremsanlagen nach wie vor auf Scheiben aus Grauguss. Diese Bremsscheiben verschleißen durch Abrieb und müssen regelmäßig ausgetauscht werden. Doch was passiert beim Bremsvorgang? Der Bremsvorgang setzt an der Oberfläche der Scheiben mechanische Kräfte frei und erzeugt Wärme. Durch die Reibung werden immer wieder einzelne Teilchen aus den Materialstrukturen herausgerissen. Feinstaub entsteht und stellt eine potenzielle Gesundheitsgefahr dar. Demnach sind vor allem laut Umweltforschern und Gesundheitsexperten Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometer, die offiziell als Feinstaub bezeichnet werden, und vor allem Teilchen mit einem Durchmesser unter 2,5 Mikrometern gefährlich. Diese feinen Teilchen können tief in die Atemwege eindringen und die Lungen sowie andere Organe schädigen. So weist der Bremsenabrieb laut Experten mittlerweile einen hohen Anteil an solchen Partikeln auf. Die jährliche Bremsstaub-Emission für Deutschland liegt laut der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg bei 14.000 Tonnen.

Rekuperation im E-Auto reduziert kein Bremsstaub

Nachwievor lagert sich der Bremsenabrieb entlang von Straße und Schiene weiter ab und wird im Vorbeifahren aufgewirbelt. „In der momentanen Diskussion um den Ausbau der Elektromobilität entsteht leicht der Eindruck, als würde sich das Aufkommen an Bremsstaub dank Rekuperation quasi mit der Zeit von selbst erledigen“, sagt Andreas Storz, in Personalunion Geschäftsführer von Applied Nano Surfaces GmbH und Inhaber der Sigma Materials GmbH. In der Realität würden die Autos aber immer größer und schwerer werden. Auch wenn der Elektromotor die Bremsenergie zurückgewinne, führe dies letztlich zu höheren Belastungen der Bremsscheiben. Die Partikelemission reduziere sich damit nicht wirklich, so Storz weiter. „Außerdem kann immer nur ein Teil der Bremsenergie gerettet werden, und durch das Nichtbenutzen der Scheiben im Alltag durch die Rekuperation ist Scheibenrost ein riesiges Problem“, gibt Storz zu Bedenken.

Alternative Werkstoffe reduzieren Bremsenabrieb auf ein Minimum

Doch wie groß der Abrieb ausfällt, lässt sich allerdings beeinflussen: beispielsweise kann die Grundkonstruktion mit verschleißfesten Materialien wie Wolframkarbid beschichtet werden. Das Unternehmen Applied Nano Surfaces (ANS) hat eine Tribokonditionierung entwickelt, mit der der Bremsenabrieb sogar noch weiter reduziert werden kann. Dabei werden die Bremsscheiben in einem speziellen Oberflächenveredelungsverfahren derart behandelt, dass sich ein Tribolfilm chemisch mit dem Scheiben-Werkstoff verbindet. Dadurch wird auch bei hohen Materialbelastungen der Abrieb einzelner Teilchen drastisch gemindert. Das Ergebnis: weniger Bremsstaub und eine höhere Haltbarkeit der Bremsscheiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Bremsscheiben aus speziellen Werkstoffen hergestellt werden.

Was passiert bei Tribokonditionierung?

Reibung und Verschleiß des Bauteils werden durch die Tribokonditionierung verringert.
(Bildquelle: ANS)

Die Tribokonditionierung ist ein von ANS patentiertes mechanisch-chemisches Oberflächenbehandlungsverfahren. Die Behandlung kann als Superfinish-Verfahren mit Standardmaschinen, z. B. zum Schleifen, Drehen oder Fräsen, durchgeführt werden. Das Ergebnis ist eine glattere Oberfläche, die mit einem reibungsarmen Tribofilm überzogen ist, der die Reibung und den Verschleiß des Bauteils verringert.
So funktioniert es
Das Verfahren kombiniert mechanisches Glätten mit der tribochemischen Abscheidung einer reibungs- und verschleißmindernden Verbindung auf der Bauteiloberfläche. Ein Werkzeug wird in Gegenwart einer speziellen Prozessflüssigkeit gegen das Bauteil gedrückt und geschleudert. Wenn das Werkzeug über die Oberfläche fährt, löst es eine tribochemische Reaktion in der Prozessflüssigkeit aus, die nach und nach einen reibungsarmen Tribofilm auf der Oberfläche des Bauteils ablagert. Der auf das Werkzeug ausgeübte Druck führt auch zu einem Glättungseffekt, da einige der Unebenheiten auf der Oberfläche eingeebnet und die Täler allmählich mit der reibungsmindernden Masse aufgefüllt werden. Da das Verfahren technologisch einfach ist und in den meisten Fällen mit normalen Oberflächenbearbeitungsgeräten durchgeführt werden kann, ist es in der Massenproduktion sehr kosteneffizient.

Metall-Matrix-Compositlegierungen für mehr Festigkeit

Das ANS-Partnerunternehmen Sigma Materials hat hierfür eine Metall-Matrix-Compositlegierung (MMC) entwickelt. Diese Legierung hat Aluminium und /oder Titan als Basis, die je nach Anwendungszweck oder um die Festigkeit mit Partikeln und Fasern aus anderen Materialien zu verbessern.

Die hellen Flächen auf dem Schliffbild bestehen aus einer Aluminium-Titan-Mangan-Matrix, bei den dunklen Punkten handelt es sich um keramische Hartpartikel. Während konventionelle Aluminium-Legierungen bei 560° C schmelzen, bleibt dieses Material bis über 1000° c stabil.
Die hellen Flächen auf dem Schliffbild bestehen aus einer Aluminium-Titan-Mangan-Matrix, bei den dunklen Punkten handelt es sich um keramische Hartpartikel. Während konventionelle Aluminium-Legierungen bei 560° C schmelzen, bleibt dieses Material bis über 1000° c stabil.
(Bild: ANS)

Dabei durchlaufen die Legierungen einen speziellen Herstellungsprozess: Das Materialgemisch wird zu feinstem Pulver zermahlen und durch direktes Drucksintern zu kompakten Halbzeugen gepresst. Bei der Sinterung wird das Pulver unter hohem Druck und Temperaturen bis in die Nähe des Schmelzpunktes zusammengepresst. Dabei verbinden sich die Inhaltsstoffe extrem dicht und homogen miteinander, so dass sie weder außen noch innen Restporositäten aufweisen.

Temperaturfest bis 800° C

Damit das MMC-Produkt als Bremsscheibe verwendet werden kann, werden die Reibflächen mit speziellen und harten Substanzen. Berühren sich nun die beiden Oberflächen sorgt diese Struktur dafür, dass sich ein feiner Transferfilm bildet und der Materialverschleiß zusätzlich reduziert wird.

Bremsscheiben aus Leichtmetall sind an sich nichts Neues. Allerdings vertragen die bisherigen Bremsscheiben lediglich Temperaturen bis zu 450° C. Sie können daher nur bedingt als Alternative zu klassischen Graugussprodukten verwendet werden. Die Bremsscheiben aus dem Metall-Matrix-Compositlegierungen hingegen lassen sich sogar in Vorderachsbremsen integrieren. Hier können während des Bremsvorgangs Temperaturen von bis zu 700° C entstehen. Der Partikelausstoß ist bei den MMC-Produkte um 95 Prozent niedriger als bei den Bremsscheiben aus Grauguss.

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