Kleben Kleben biobasierte Klebrohstoffe?

Von Juliana Pfeiffer Lesedauer: 3 min |

Anbieter zum Thema

Für die Weltwirtschaft spielen Erdöl und Erdgas eine bedeutende Rolle – sei es im Energie- oder Produktionssektor. Doch sind sie auf lange Sicht begrenzt und stehen in puncto Nachhaltigkeit und Klima immer wieder in der Kritik. Nachwachsende Rohstoffe zur Substitution rücken daher immer stärker in den Fokus – auch im Bereich Klebstoffe.

Biobasierte Klebstofflösungen wie Stärke, Cellulose oder Casein werden seit Jahrzehnten für das Kleben von Well­pappe, Tapete oder Flaschenetiketten verwendet.
Biobasierte Klebstofflösungen wie Stärke, Cellulose oder Casein werden seit Jahrzehnten für das Kleben von Well­pappe, Tapete oder Flaschenetiketten verwendet.
(Bild: © Michael - stock.adobe.com)

Klebstoffe halten die Welt zusammen: Unzählige Produkte – von Müsli-Packungen und Bücher über Mobiltelefone, Arzneimittel und Matratzen bis zu Autos – wären in ihrer heutigen Form ohne Klebstoffe nicht realisierbar. Aber moderne Klebstoffe kleben nicht nur, sie übernehmen auch weitere Funktionen, wie z. B. Schwingungsdämpfung, Abdichten gegen Flüssigkeiten und Gase, Ausgleich unterschiedlicher Fügeteildynamiken, Korrosionsschutz, thermische und elektrische Isolation oder Leitfähigkeit.

Buchtipp

Klebtechnik stellt für viele Anwendungen eine zuverlässige Alternative zu anderen Fügeverfahren dar und bietet Potenzial für den Leichtbau. Das Buch "Klebtechnik" gibt Konstrukteuren und Klebstoffanwendern Hilfestellungen für die Konzeption, Konstruktion und Realisierung von Klebungen.

Mehr erfahren bei Vogel Fachbuch

Entsprechend hoch ist ihre Vielfalt, mehr als 25.000 verschiedene Klebstoffe gibt es. In Deutschland wurden 2020 nach Angaben des Industrieverbands Klebstoffe 920.000 Tonnen Klebstoff produziert und damit ein Umsatz von etwa 1,8 Millionen Euro erzielt. Dabei bilden Erdöl und Erdgas noch immer die Grundlage für die Klebstoffherstellung. Der Anteil biogener Rohstoffe bei der Herstellung von Klebstoffen stagniert seit Jahren auf einem niedrigen Niveau laut der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe von etwa 15 Prozent.

Dabei gibt es schon heute zahlreiche biobasierte Klebstofflösungen, die zum einen Ressourcen schonen und die CO2-Emissionen senken. So werden Stärke, Cellulose oder Casein seit Jahrzehnten für das Kleben von Wellpappe, Tapete oder Flaschenetiketten verwendet.

Doch auch zur Herstellung von Polyurethan-Klebstoffen kommen zunehmend biobasierter Polyole zum Einsatz. Und für reaktiven Epoxiden können Härterkomponenten auf Basis von Cashew-Schalenöl genutzt werden.

Bildergalerie

Schmelzklebstoffe aus Pflanzenresten

Auch bei den Schmelzklebstoffen hält der Trend an: Als Ausgangsmaterial dient beispielsweise Milchsäure, die aus Pflanzenresten von Mais, Zuckerrohr und Kartoffeln gewonnen wird. So haben Fraunhofer-Forschende gemeinsam mit der TU Dresden ein Verfahren entwickelt, bei dem aus Molke wertvolles Ethylacetat in hoher Reinheit gewonnen wird. Dieses kann beispielsweise für die Herstellung umweltfreundlicher Klebstoffe verwendet werden und ersetzt damit das herkömmliche Ethylacetat aus fossilen Rohstoffen.

Um die Klebrigkeit und Flexibilität zu verbessern, werden Baumharze, modifizierte Zitronensäure und bestimmte Pflanzenöle hinzugefügt. So entstehen Schmelzklebstoffe, die vollständig biobasiert und weitestgehend biologisch abbaubar sind. Anwendung finden sie in der Verpackungs-, Holz und Möbelindustrie, bei Hygieneartikeln oder in der Buchbinderei.

Als Haftklebstoff aufgetragen entstehen in Kombination mit Biosubstraten biobasierte Klebebänder, Heftpflaster oder Etiketten.

Alkohole aus Johanniskraut gewinnen

Eine ressourcenschonende Methode für die Herstellung von biobasierten Acrylharzen haben Wissenschaftler des „Institut de Recherche de Chimie“ in Paris entwickelt. Die für die Klebstoffsynthese benötigten Polyacrylate und Polymethacrylate werden aus Alkoholen aus biologischen Quellen wie Johanniskraut oder Thymian gewonnen. Und auch die natürlichen Alkohole Menthol oder Vanillin können zum Einsatz kommen.

Zusätzlich wurde daran gearbeitet, die gesamte Klebstoffherstellung in wenigen Teilschritten zu vollziehen – mit Erfolg. Das Ergebnis: unterschiedliche biobasierte Klebstoffe, die viele Eigenschaften aufweisen und damit ein breites Produktspektrum ermöglichen.

Klebstoffe aus alten Backwaren

Aus alten Brötchen und Brot wollen Forscher der Universität Hohenheim und des Fraunhofer WKI Klebstoffe herstellen. Dabei ist es den Forschern gelungen die enthaltene Stärke in die Basischemikalie Hydroxymethylfurfural (HMF) umzuwandeln. Praktisch: Die Substanz kann zum Beispiel Formaldehyd in Klebstoffen ersetzen. Das Besondere an HMF: Es bildet chemische Bindungen aus, die sich bei Temperaturerhöhung wieder lösen lassen. Das macht den Stoff zum idealen Kandidaten für die Herstellung schaltbarer Klebstoffe – das sogenannte „Debonding-On-Demand“. Die Forschungsergebnisse zeigen: Altbackwaren müssen nicht weggeworfen werden, sondern könnten zukünftig einen attraktiven Rohstoff für eine biobasierte Kreislaufwirtschaft darstellen.

Ob Stärke, Harze oder Öle – die Nutzung biobasierter Klebrohstoffe ist noch lange nicht ausgereizt und wird zukünftig noch viele innovative Lösungen liefern. 

(ID:49425285)

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung