VDE-Studie In zehn Jahren fehlen 100.000 E-Ingenieure

Redakteur: Katharina Juschkat

Die Nachfrage nach Ingenieuren steigt, aber der Nachwuchs bleibt aus: Eine aktuelle VDE-Studie warnt davor, dass Deutschland auf eine riesige Ingenieurlücke zusteuert. Derweil profitieren junge E-Ingenieure von guten Karrierechancen.

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Laut der VDE-Studie fehlen in zehn Jahren 100.000 Elektroingenieure.
Laut der VDE-Studie fehlen in zehn Jahren 100.000 Elektroingenieure.
(Bild: © Robert Kneschke)

Deutschland steuert auf die größte Ingenieurlücke in der Elektro- und Informationstechnik aller Zeiten zu, berichtet der Technologieverband VDE in seiner neuen Studie „E-Ing 2025: Technologien, Arbeitsmarkt, Ingenieurberuf“. „In den kommenden zehn Jahren werden in Deutschland deutlich über 100.000 junge E-Ingenieure mehr benötigt, als hierzulande ausgebildet werden“, warnt Ansgar Hinz, CEO des VDE.

Demographischer Wandel verstärkt die Lücke

Laut der Studie erreicht die Erwerbstätigkeit von Elektroingenieuren mit 393.600 einen Spitzenwert. Das sind deutlich mehr als die knapp 188.000, die das statistische Bundesamt als „sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“ für diese Berufsgruppe ausweist, da Selbständige, E-Ingenieure in Führungspositionen, Lehrende und selbst Vertriebsingenieure offiziell in den Statistiken nicht unter den typischen Ingenieurberufen geführt werden. Mit einer Erwerbslosenquote von knapp 2,2 Prozent besteht praktisch Vollbeschäftigung.

Allerdings vergrößert der demographische Wandel die E-Ingenieur-Lücke: 2018 werden rund 10.900 neue Elektroingenieure benötigt, um die in den Ruhestand eintretenden E-Ingenieure zu ersetzen. „Dieser Ersatzbedarf wird bis Ende der nächsten Dekade auf rund 13.000 Personen pro Jahr anwachsen. Volkswirtschaftliches Wachstum und der Strukturwandel – insbesondere die digitale Transformation – führen zu einem Zusatzbedarf. Der langfristige Trend zeigt einen durchschnittlichen Anstieg um rund 9.600 Personen, damit 2,9 Prozent pro Jahr“, sagt Hinz.

Mittelstand rekrutiert Fachkräfte aus dem Ausland

In den vergangenen Jahren konnte die Zahl der in Deutschland neu ausgebildeten E-Ingenieure kaum den Ersatzbedarf und schon gar nicht den Zusatzbedarf decken. Das bedeutet laut dem VDE, dass es keine „Überakademisierung“ in der Elektro- und Informationstechnik gibt. Die hohe Abbrecherquote bei Studierenden verschärft das Problem: Sie erreicht inzwischen Spitzen von bis zu 58 Prozent. Der wachstumsbedingte Zusatzbedarf wurde in der Vergangenheit vor allem durch die verbesserte Ausschöpfung des Arbeitsmarktpotenzials älterer E-Ingenieure und durch die Zuwanderung fertig ausgebildeter E-Ingenieure aus dem Ausland kompensiert. Rund 12 Prozent der beschäftigten E-Ingenieure in Deutschland haben ihren Abschluss außerhalb von Deutschland erworben und sind nach dem Examen zugewandert. Nach einer Umfrage des VDE unter seinen Mitgliedsunternehmen rekrutiert vor allem der Mittelstand aus dem Ausland, da er hierzulande nicht genügend Bewerber findet.

Um die Situation zu verbessern, empfiehlt der Verband dringend, eine sogenannte „Brain-Gain-Bildungsoffensive“ zu starten. Die Hauptaufgabe müsse darin bestehen, die Schwundquote unter den Studierenden massiv zu senken. „Hierfür muss der Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern, allen voran Mathematik, in den Schulen flächendeckend verbessert werden“, fordert Ansgar Hinz, VDE-Chef. Darüber hinaus gilt es, noch mehr Jugendliche und vor allem Frauen für ein Studium der Elektro- und Informationstechnik zu gewinnen und Jugendliche überhaupt für einen technischen Beruf zu begeistern. Weiterhin müssen die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus anderen Ländern erleichtert und die Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere E-Ingenieure verbessert werden.

Nachwuchs profitiert von Ingenieurmangel

Elektroingenieure profitieren dafür aktuell von exzellenten Karrieremöglichkeiten. Meistert man das herausfordernde Studium, so haben die Mehrheit der Absolventen (60 Prozent*) ihren ersten Job nach höchstens fünf Bewerbungen und zwei Vorstellungsgesprächen. 9 Prozent aller befragte Absolventen mussten sich noch nicht einmal bewerben, da sie direkt an der Universität rekrutiert wurde.

72 Prozent sind davon überzeugt, dass der E-Ingenieurberuf gute Karriereaussichten bietet. 21 Prozent der Befragten haben bereits Führungsverantwortung, weitere 40 Prozent erwarten, innerhalb der nächsten 3 Jahre Personalverantwortung zu erhalten.

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67 Prozent halten ihre Tätigkeit für abwechslungsreich und kreativ. 55 Prozent sagen, dass E-Ingenieure viel für die Gesellschaft leisten. Mehr als die Hälfte attestieren dem Berufsbild E-Ingenieur viel Gestaltungsspielraum (53 Prozent) und ein internationales Profil (52 Prozent). 41 Prozent halten das Tätigkeitsfeld für krisensicher und kommunikativ.

Digitalisierung in Deutschland hinkt hinterher

Hart ins Gericht gehen die jungen Elektroingenieure und IT-Experten mit dem Stand der Digitalisierung in Deutschland im weltweiten Vergleich. Hier sehen sie Europa deutlich hinter Asien und Nordamerika. 66 Prozent halten die fehlende Infrastruktur – 5G- und Breitbandausbau – für das größte Hindernis auf dem Weg zur digitalen Transformation. 57 Prozent kritisieren die Planlosigkeit sowie fehlende Strategien für Geschäftsmodelle und Prozesse bei der digitalen Transformation.

*Die folgenden Zahlen beziehen sich auf die 148 im Rahmen der Studie befragten Young Professionals der Elektro- und Informationstechnik. Davon waren 88 Prozent Männer und 12 Prozent Frauen. Im Schnitt sind die Befragten 31,1 Jahre alt und 4,4 Jahre berufstätig. 79 Prozent haben einen Abschluss in Elektro- und Informationstechnik. 57 Prozent der Befragten sind in Unternehmen und 34 Prozent an Hochschulen und Forschungsinstituten tätig.

Die Studie, die der VDE zusammen mit dem Institut für Wirtschaft in Köln erstellte, enthält Arbeitsmarktdaten, Hochrechnungen zum Ingenieurbedarf und eine Befragung unter Young Professionals im VDE. Die Studie ist für 250 Euro im Shop des VDE erhältlich, VDE-Mitglieder erhalten sie kostenlos.

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