Antriebstechnik Im Vergleich: Dezentrale und zentrale Servotechnik
Mit dezentraler Servotechnik lassen sich im Maschinen- und Anlagenbau Einsparpotenziale bei der Installation erzielen. Zwei weitere Vorteile sind reduzierte Wärmelasten im Schaltschrank und eine übersichtlichere Antriebsarchitektur. Lässt sich hieraus der Rückschluss ziehen, dass dezentral im Prozess platzierte Servoumrichter – ob losgelöst vom Motor oder als integrierte Lösung – per se die bessere Technik darstellen?
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Im Vergleich zur horizontalen Fördertechnik, bei denen dezentrale Frequenzumrichter schon seit Jahren zum gewohnten Bild gehören, bestimmt bei Applikationen mit hochdynamischer und präziser Motion-Control nach wie vor zentrale Servotechnik die Optik im Maschinenbau. Die Servoverstärker hängen – teils in Kombination mit weiteren Steuerungen zur Bewegungsführung oder auch schon mal mit einem ausgewachsenen IPC inside – geschützt von der Außenwelt im Schaltschrank. Die Verbindung zu den Motoren wird bei diesem Aufbau sternförmig installiert. Weil bei der zentralen Servotechnik die Verlustwärme zentral an einem Ort entsteht, ist eine wirksame Schaltschrankklimatisierung notwendig.
Die dezentrale Servotechnik folgt dem Grundprinzip, das die Motorregelung aus dem zentralen Schaltschrank heraus löst, um diese Aufgabe räumlich direkt einem Prozess zuzuordnen. Diese Architektur macht robuste Technik mit hoher Schutzart notwendig und kommt häufig bei räumlich verteilten Einzelachsen zum Einsatz. Die Vorteile liegen vor allem beim geringeren Installationsaufwand – insbesondere in puncto Motorkabel. Zwei weitere Vorteile sind das bessere EMV-Verhalten sowie die großflächige Verteilung der Verlustwärme, was den Aufwand für Schaltschrankklimatisierungen entsprechend reduziert.
Monetäre Einsparungen bei Installation und Montage
Die Einsparpotenziale der dezentralen Technik werden anhand einer realen Maschine mit acht Positionierachsen aus dem Bereich „Metallforming“ deutlich. Bisher war der zentrale Aufbau gekennzeichnet von Schaltschrankumrichtern, geschirmten Kabeln zwischen Motoren und Reglern sowie einer weiteren Leitung für das Rückführungssystem. Die erste Achse ist 5 m vom Schaltschrank entfernt, jede weitere 3 m weiter. Der Verkabelungsaufwand summiert sich bei den 8 Positionierachsen auf 248 m. Ist stattdessen die Kombination aus Kollmorgen-Versorgungsmodul AKD-C im Schaltschrank und acht dezentralen Servoreglern vom Typ AKD-N im Einsatz, reduziert sich die Länge auf 34 m. Die Berechnung: 5 m Hybridkabel mit Leistungsversorgung und Feedback zwischen Versorgungsmodul und dem am dichtesten liegenden dezentralen Servoregler. Dazu addieren sich jeweils noch mal 3 m zur Anbindung der weiteren sieben Achsen – macht 21 m. Bleibt noch die Versorgung der Motoren: Diese sind rund 1 m von den dezentralen Servoreglern AKD-N entfernt eingebaut. Weil die Kollmorgen-Lösung mit einer Einkabelanschlusstechnik ausgestattet ist, sind lediglich weitere 8 m Leitung notwendig. Zusammengerechnet bringt der Einsatz der dezentralen Servoregler allein bei der Installation eine Ersparnis von 86 % – von 248 m auf 34 m. Diese Zahlen lassen eine Vorstellung zu, welche Effizienzgewinne gerade bei OEMs in puncto Kabelkosten, Montage und Installation möglich sind. Noch gravierender fallen diese aus, wenn die Achsen zusätzliche I/Os aufweisen. Statt 372 m werden dann nur noch 42 m benötigt – was insgesamt Einsparungen von 89 % entspricht.
Ein weiterer Gewinn der Verlagerung der Antriebe in die Maschine resultiert aus dem Minus an Verlustleistung im Schaltschrank. Dieser Effekt sorgt für einen Minderbedarf an Klimatisierung – und sorgt damit direkt für Einsparungen sowohl beim OEM als auch beim Endkunden. Da eine Schaltschrank-Klimaanlage geringer dimensioniert werden kann oder sogar komplett entfällt, sinken die Kosten für Hardware und den späteren Betrieb – was letztlich auch die Energieeffizienz steigert.
Technische Vorteile durch sinkende Komplexität
Für die Anschlusstechnik der IP67-Geräte der AKD-N-Reihe setzt Kollmorgen ein elf mm dünnes Hybridkabel ein, das die Versorgung über ein zentrales Einspeisemodul im Schaltschrank sicherstellt. Ebenfalls mit nur einem Kabel lassen sich die dezentral in einer Maschine platzierten Einzelregler per DC-Verbund ohne weitere Einspeisung miteinander verbinden – Kommunikation inklusive.
Die Einspeisemodule AKD-C verfügen über zwei Strings, an die sich jeweils bis zu acht AKD-N mit einer Leistung bis je 4 kW anschließen lassen. Safe Torque Off als Gruppen- oder Einzelabschaltung gehört zum Serienumfang und wird ebenfalls über das Hybridkabel geführt. Ebenfalls ein einziges Kabel reicht aus zur Verbindung zwischen dem dezentralen Servoregler und seinem angeschlossenen Motor. Dank einer neuen Einkabelanschlusstechnik sind nicht mehr wie bislang zwei Leitungen – Motorkabel und Rückführung – notwendig. Weil Servotechnik gerade in dem Fall zum Einsatz kommt, wenn komplexe und positionsgenaue Bewegungen gefragt sind, finden sie sich häufig wieder als Teil von Positionier- und Handlingssystemen. Aus dieser Tatsache folgt, dass jede Leitung auch Platz in einer Schleppkette oder in einem Kabelkanal beansprucht.
Die Modellberechnungen zeigen, dass die dezentrale Servotechnik in Kombination mit der Einkabelanschlusstechnik zwischen Motor und Regler richtig Platz spart. Dieser Gewinn lässt sich trefflich nutzen für kleinere Kabeltrassen, leichtere Schleppketten, knappere Durchführungen – oder einfach auch für mehr Designfreiheit bei der Entwicklung neuer Maschinen. Diese Freiheit resultiert vor allem daraus, dass die verteilte Technik im Vergleich zu räumlich fixierten Zentralschaltschränken die Modularisierungsmöglichkeiten erweitert. Auf diese Weise können OEMs neue Anlagen aus bereits entwickelten Modulen konzipieren – was unter dem Strich das Engineering effizienter macht.
Dezentrale Antriebstechnik als Hybridlösung
Eine zweite Möglichkeit, um Antriebe dezentral in einer Anlage zu platzieren, bieten integrierte Lösungen. Hierbei handelt es sich um Einheiten aus Motor und Servoumrichter, die ohne eine gesonderte Leitungsverbindung dazwischen zum Einsatz kommen. Dieser Vorteil bringt in der Praxis allerdings auch Nachteile mit sich. Hybride Ansätze – die so genannten „Huckepack-Lösungen“ – werfen bei der Auslegung der Antriebe immer die Frage auf, wie hoch das Derating ausfällt. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass ein Wechselrichter seine Leistung mit steigender Umgebungstemperatur immer mehr reduziert. Damit schützt sich das Bauteil selbst vor Überhitzung. Dieser Zusammenhang sorgt in der Praxis dafür, dass Motoren größer als notwendig ausgelegt werden müssen. Hierbei zählt dann weniger die tatsächlich notwendige Leistung als vielmehr die wirklich gelieferte Leistung innerhalb der für die Elektronik verträglichen Temperaturgrenzen.
Kleinere Baugrößen bei besserer Energieeffizienz
Fördern typische Servoantriebsaufgaben wie das schnelle Beschleunigen und Abbremsen beim Positionieren die Verlustleistung, kann die dabei entstehende Wärme zu einem Problem bei der Auslegung hybrider Lösungen werden. Die Einheiten bekommen Probleme dabei, die Wärme effektiv abzugeben. Das räumlich getrennte Nebeneinander weist an dieser Stelle das bessere Wärmeverhalten auf und verhindert das konstruktiv bedingte Derating. Dieser Effekt schafft die Grundlage für kleinere Motorenbaugrößen in Verbindung mit besserer Energieeffizienz. Darüber hinaus sind integrierte Kombinationen meist fokussiert auf einen Motorentyp, was die optimale Auslegung innerhalb einer Applikation limitiert, zumal diese Einheiten durch ihren Aufbau auch noch weniger flexibel im Einbau sind. Weil sich die dezentralen Servoregler von Kollmorgen mit jedem Servomotor sowie rotativen und linearen Direktantrieb verbinden lassen, sind die Designfreiheiten bei Performance und Leistung sehr gut.
Die Frage nach der Integration als Antwort
Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge abschließend noch ein Beispiel für den Einsatz von Servoantriebstechnik in der Lebensmittelverarbeitung. Lässt sich das Schneiden von Wurst und Käse als Hauptaufgabe eines so genannten Slicers bezeichnen, so dient das nachgeschaltete Abführband dem Materialfluss. Weil es bei diesem Prozess nicht ausschließlich darum geht, einen Wurststapel von A nach B zu bringen, sondern diesen vielmehr beim Transportieren auch noch in Schindeln zu portionieren, wird die Bedeutung der Servotechnik als Positionierantrieb an dieser Stelle deutlich. Klar wird auch, dass es sich bei diesem Bandantrieb um eine zwar hochdynamische, aber immer noch um eine Einzelachse handelt. Spätestens an dieser Stelle taucht die Frage auf, wie sich diese Antriebsachse mit ihrer ausgeklügelten Motion-Control-Funktionalität in den Maschinenverbund mit nach wie vor notwendigen zentralen Lösungen integrieren lässt.
Nicht nur die Performance muss stimmen
Der Antrieb des Slicers stellt dafür ein gutes Beispiel dar, weil er eine Leistung braucht, die sich dezentral nicht realisieren lässt. Dieser Aspekt macht deutlich, dass es nicht darum geht, die Antwort zu finden, welche Antriebe die Aufgabe von ihrer Performance her am besten bewältigen. Sie können es alle gut. Eine vornehmliche Aufgabe auf Herstellerseite besteht deshalb darin, Produkte unterschiedlicher Welt zu harmonisieren. Die Kollmorgen-Reihe AKD-N basiert zum Beispiel ganz bewusst auf der „zentralen“ AKD-Plattform. Es gilt Technik zu Einsatz zu bringen, die in puncto Performance zur Aufgabe passt, die aber auch übergreifend betrachtet gut mit anderen Akteuren kombinierbar ist. (ud)
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