Beschichtung Haifischhaut-Lack verbessert Leistung von Windkraftanlagen

Redakteur: Juliana Pfeiffer

Wie sich die Aerodynamik von Windkraftblätter effizienter gestalten lässt, haben Wissenschaftler am Fraunhofer IFAM in einem realen Test herausgefunden. Mit ihrem entwickelten Haifischhaut-Lack wurde dabei eine aerodynamische Effizienzsteigerung von 10% erreicht.

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Scheinbar ohne großen Kraftaufwand gleiten Haie mit hoher Geschwindigkeit durch das Wasser. Mikroskopisch kleine Rillen auf ihrer Haut verhelfen ihnen zu dieser bemerkenswerten Geschwindigkeit.
Scheinbar ohne großen Kraftaufwand gleiten Haie mit hoher Geschwindigkeit durch das Wasser. Mikroskopisch kleine Rillen auf ihrer Haut verhelfen ihnen zu dieser bemerkenswerten Geschwindigkeit.
(Bild: Great White Shark / Elias Levy / CC BY-SA 2.0)

Scheinbar ohne großen Kraftaufwand gleiten Haie mit hoher Geschwindigkeit durch das Wasser. Mikroskopisch kleine Rillen auf ihrer Haut verhelfen ihnen zu dieser bemerkenswerten Geschwindigkeit. Dafür verantwortlich ist die reibungsminimierende Eigenschaft dieser Mikrostruktur, die die hydrodynamischen Eigenschaften des Fischkörpers optimiert. Die Wirkung beruht darauf, dass die turbulenten Wirbel, die quer zur Strömungsrichtung laufen, vermindert werden. Die Turbulenzreduzierung an der Grenzschicht führt zur Verringerung des Reibwiderstands. In der Strömungsmechanik macht man sich die Haifisch-Längsrillenstrukturen schon seit einigen Jahren in vielfältiger Weise zunutze.

Funktionsbeschichtung reduziert Strömungswiderstand im Wasser und in der Luft

Um das Prinzip der Haifischhaut auf technische Einsätze zu übertragen, wurden in den Anfängen vorwiegend geriefte Klebefolien für Versuchszwecke eingesetzt. Müssen allerdings gekrümmte Flächen beschichtet werden oder kommt es auf eine hohe Dauerhaftigkeit unter harschen Umweltbedingungen an, kommt die Klebefolie an ihre Grenzen. Mit der lacktechnischen Lösung vom Fraunhofer IFAM wird der Lack in einem einzigen Arbeitsschritt flüssig aufgetragen, entsprechend fein gerillt strukturiert und anschließend gehärtet. Der strömungstechnische Nutzen dieser Lackoberflächen wurde in der Vergangenheit vor allem für die Luftfahrt und für die Schifffahrt nachgewiesen. Doch wie verhält sich das System bei Windkraftanlagen und wie kann es zur Steigerung des Stromertrags sowohl bei Neuanlagen, als auch nachträglich an Bestandsanlagen aufgebracht werden?

Automatisierte Beschichtung des Riblet-Lacks auf Rotorblättern

Innerhalb des EU-Projekts „Riblet4Wind“ stellte sich ein Team aus sieben Projektpartnern der Herausforderung, die Aerodynamik von Windkraftblättern effizienter zu gestalten. Im ersten Schritt des Projekts wurden umfangreiche Windkanal-Testreihen an einem 2D-Profil mit Riblet-Strukturen durchgeführt. Es wurde eine signifikante aerodynamische Effizienzsteigerung von 10% gemessen. Auf Basis dieser Ergebnisse resultierte die Prognose, dass sich durch das Lacksystem des Fraunhofer IFAM die aerodynamische Qualität der Rotorblätter signifikant steigern lässt – und zwar ohne zusätzliche Lasten für die Konstruktion der Windenergieanlage, da die leistungssteigernde Funktion in das Lacksystem integriert ist.

Optimale Geometrie für die ausgewählte Windkraftanlage

Während der anschließenden Entwicklungsphasen innerhalb des Projekts hatte jeder Partner für die Anpassung des Riblet-Systems auf die Großstrukturen der Rotorblätter seine spezielle Aufgabe: Von der Bionic Surface Technologies GmbH wurde mittels Strömungssimulation und Windkanaltests die optimale Geometrie für die ausgewählte Windkraftanlage ermittelt, Ingenieure der Firma Mankiewicz haben das Lacksystem entwickelt, das Fraunhofer IFAM stellte den Lack-Applikator, der mit einer für die Rotorblattbeschichtung adaptierten Robotik der Firma Eltronic zu einem automatisierten Applikationssystem kombiniert wurde.

An einer bestehenden AN Bonus-Windenergieanlage mit einer Nennleistung von 450 kW und einem Rotordurchmesser von 37 m wurde die Technologie demonstriert. Diese Anlage und eine weitere Turbine des gleichen Typs stehen in Bremerhaven und werden von der Muehlhan Deutschland GmbH betrieben. E.ON Climate & Renewables war federführend bei der Erfassung der Leistungsdaten. Obwohl es sich bei den Anlagen um etwa 20 Jahre alte Turbinen mit entsprechenden Abnutzungserscheinungen handelte, die zudem keine Rotorblätter mit verstellbarem Anstellwinkel haben, konnte die Beschichtung die Leistungscharakteristik verbessern.

Direkter Vergleich der Rotorblätter mit und ohne Riblet-Lack

Um die Veränderungen der Leistungscharakteristik beurteilen zu können, wurden die Windkraftanlagen für einen Zeitraum von zwölf Wochen im Originalzustand betrieben und die entsprechenden Leistungsdaten ermittelt. Anschließend wurden die Rotorblätter einer Anlage demontiert und mit dem Riblet-Lack beschichtet. Hier konnte erstmals der automatisierte Auftrag des Riblet-Lacks auf ein Großbauteil demonstriert werden. Nach erfolgter Montage der behandelten Rotorblätter wurde die Leistungscharakteristik der Anlagen über fünf Monate nach einem standardisierten Verfahren gemessen. Weiterhin wurden Parameter wie Verschleiß und Verschmutzung ermittelt.

SEMINARTIPP Das Seminar „Systematische Werkstoffauswahl“ vermittelt die Beziehung zwischen Werkstoffherstellung, Werkstoffstruktur und den daraus resultierenden Materialeigenschaften. Ziel ist es, eine gesamtheitliche Darstellung des Werkstoffauswahlprozesses vorzustellen, ausgehend von der Erstellung eines Anforderungsprofils, der Vorauswahl bis hin zur Feinauswahl und Risikobetrachtung.
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Flächendeckende Anwendung von Riblet-strukturierter Beschichtung

Das Projekt „Riblet4Wind“ hat bewiesen, dass eine Riblet-strukturierte Beschichtung automatisiert auf Windenergie-Rotorblätter aufgebracht werden kann und die Leistungscharakteristik verbessert. In den nächsten Jahren soll diese Technologie zur industriellen Reife gebracht werden und eine flächendeckende Anwendung finden. Um das wirtschaftliche Potenzial dieser Technologie weiter quantifizieren zu können, wäre die Demonstration auf einer dem heutigen Standard entsprechenden Anlage (> 2MW Leistung mit verstellbaren Rotorblättern).

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