Werkstoffe Formgedächtnis-Mikroventile in 3D-Drucktechnik

Redakteur: Jan Vollmuth

Ein Startup-Unternehmen hat Mikroventile entwickelt, die eine Folie aus einer Formgedächtnislegierung (FGL) als Aktorelement für die Ventilbetätigung verwenden.

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Stehen Parameter, Größe und Anordnung der fluidischen Verbindungen fest, werden mithilfe eines CAD-Systems die Aktoren gestaltet, die per Laser aus der FGL-Folie ausgeschnitten werden.
Stehen Parameter, Größe und Anordnung der fluidischen Verbindungen fest, werden mithilfe eines CAD-Systems die Aktoren gestaltet, die per Laser aus der FGL-Folie ausgeschnitten werden.
(Bild: Bild: SMActuators)

Formgedächtnislegierungen (FGL) eignen sich zur Realisierung von Ventilen beispielsweise für Lab-on-Chip-Anwendungen oder pneumatisch verstellbare Autositze. Ventile für pneumatisch verstellbare Autositze werden bereits in Großserie produziert, auf Grund ihrer Dimensionen sind sie im Bereich der Kleinstventile angesiedelt. Für Lab-on-Chip-Anwendungen werden dagegen Mikroventile benötigt, die aktuell noch nicht kommerziell erhältlich sind. Den Bedarf an Mikroventilen sehen Forscher nicht zuletzt in mobilen Analysegeräten für die Bereiche Bio-Analytik, Lebensmittel-Analytik und bei der medizintechnischen In-Vitro-Diagnose.

Mikroventile in mikrofluidische Systeme integriert

Dr. Christof Megnin vom Freiburger Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) ist zusammen mit seinen Ausgründungspartnern Dipl.-Ing. Hinnerk Oßmer und Dipl.-Ing. Marcel Gültig – beide vom Karlsruher KIT am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) – gelungen, mit ihrem Startup-Unternehmen SMActuators monostabile und bistabile Mikroventile zu entwickeln, die sich in mikrofluidische Systeme integrieren lassen.

Um bei ihren Mikroventilen einen kompakten Aufbau bei möglichst großer fluidischer Leistung zu erzielen, verwenden die Forscher eine strukturierte Folie aus einer Formgedächtnislegierung (FGL) als Aktorelement für die Ventilbetätigung. Um die Anzahl der Komponenten zu reduzieren und eine kostengünstige sowie schnelle Fertigung zu erreichen, werden die monostabilen Mikroventile mithilfe eines modularen Baukastens realisiert. Im Ruhezustand geöffnete oder geschlossene Mikroventile lassen sich damit schnell an geforderte Drücke und Durchflüsse anpassen.

Geringer Leistungsbedarf

Doch das ist nur einer der Vorteile der neuen Mikroventile. Der zweite betrifft die Tatsache, dass sich die Ventile optimal in fluidische und elektrische Anschlussplatten integrieren lassen – nicht zuletzt wegen ihres geringen Leistungsbedarfs von ca. 100 mW bei einer maximalen Spannung von 5 VDC. In Kombination mit Durchfluss- oder Drucksensoren können somit hochintegrierte fluidische Systeme realisiert werden.

Das Arbeitsprinzip der FGL-Aktoren ist einfach: Eine hauchdünne FGL-Folie sitzt bei der Normal-Offen-Version über einer kleinen Kugel. Wird der Aktor betätigt, erinnert er sich an seine zuvor eingeprägte Form und drückt innerhalb weniger Millisekunden die Kugel gegen eine Dichtungsmembran, die den Medienraum gegen den Aktor abdichtet und zugleich den Ventilsitz verschließt. Wird die Spannungsversorgung unterbrochen, kühlt der Aktor durch sein großes Oberflächen:Volumen-Verhältnis sehr schnell unter eine spezifische Umwandlungstemperatur und kann dabei leicht durch eine äußere Kraft verformt werden. In diesem Zustand kann der anliegende Systemdruck die Kugel anheben und das Medium frei durch das Ventil fließen lassen.

Bei der Normal-Geschlossen-Version drückt eine Spiralfeder im stromlosen Zustand den FGL-Aktor mitsamt der Kugel gegen die Dichtungsmembran. Unter elektrischer Spannung überwindet der FGL-Aktor die Federkraft, wodurch sich die Dichtungsmembran aus dem Ventilsitz hebt und das Medium durch das Ventil fließen lässt.

Aktoren werden am CAD-System gestaltet

Um die Mikroventile optimal an den jeweiligen Bedarf und die fluidtechnische Peripherie anpassen zu können, nutzt das Forscherteam für die Auslegung der Komponenten gängige Softwaretools. Stehen die Parameter und auch die Größe und Anordnung der fluidischen Verbindungen fest, werden mithilfe eines CAD-Systems die Aktoren gestaltet, die per Laser aus der FGL-Folie ausgeschnitten werden. Ähnliches gilt für das Gehäuse, das mit den Schlauchanschlüssen direkt aus dem CAD-System heraus mit einem 3D-Drucker hergestellt wird. Die Gehäuse werden aus Methacrylat-basierten Lacken oder thermoplastischen Kunststoffen hergestellt, je nach geforderter Temperatur, Druck- und Medienbeständigkeit. Bereits wenige Stunden später sind somit alle Bauteile des Mikroventils fertig für die Endmontage.

Da vor allem die mobilen Analysegeräte meist über Akkus mit Strom versorgt werden, hat das Startup-Team auch bistabile Mikroventile entwickelt. Dr. Megnin: „Diese Ventile besitzen zwei strukturierte und gegeneinander vorgespannte FGL-Aktoren. Der Ventilstößel kann bei dieser Konstruktion in zwei Endlagen ohne Stromzufuhr von magnetostatischen Kräften festgehalten werden. Beide Schaltstellungen, „offen“ oder „geschlossen“ können so auch ohne ständige Stromzufuhr beibehalten werden. Da nur während des Schaltvorgangs elektrische Energie benötigt wird, eignen sich die bistabilen Mikroventile für fluidische Systeme mit geringen Schaltfrequenzen und somit einem geringen durchschnittlichen Leistungsverbrauch.“

Basisentwurf als Grundlage mehrerer Ventile

Auf der Grundlage des Basisentwurfs hat das Team sowohl Mehrwegeventile, wie z.B. 2/2- und 3/2-Wegeventile, entwickelt als auch nicht-proportional arbeitende Regelventile. „Die nicht gegebene Proportionalität“, erklärt Hinnerk Oßmer, „hängt mit der nichtlinearen Hysterese der FGL-Aktoren zusammen.“ Im Zeitalter der schnellen Mikroprozessoren sieht das Team darin allerdings kein großes Problem. Dr. Megnin: „Wir realisieren eine aus Mikroventil, Durchflusssensor und Mikroprozessor bestehende Regelung, mit der Dosieraufgaben oder ein druckunabhängiger Durchfluss ermöglicht werden.“

Natürlich stellt sich auch die Frage, welche Drücke die kleinen, oft unter der Größe einer Cent-Münze angesiedelten Mikroventile schalten können. Dazu Marcel Gültig: „Bei entsprechender Auslegung der FGL-Aktoren lassen sich bis zu 6 bar schalten, aber zu Beginn konzentrieren wir uns auf den Niederdruckbereich bis 1 bar, um die oben beschriebenen Anwendungsbereiche zu adressieren.“

Zu guter Letzt nennt er, mit Hinweis auf Piezo-Ventile, noch einen ganz anderen Vorteil der FGL-Mikroventile: „FGL-Aktoren sind vollständig bleifrei und bio-kompatibel.“ Doch die Schwermetall-Problematik lässt sich künftig auch beim Einsatz von Piezoaktoren entschärfen, wie weitere Vorträge auf der Fachmesse Actuator zeigen: durch die Kapselung der Stapelkeramiken und durch die Entwicklung neuer bleifreier Keramiken mit Piezoeffekt. (jv)

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