Normensteckbrief EN ISO 13851 Zweihandschaltungen ersetzt EN 574:1996+A1:2008
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Die Europa-Norm für Zweihandschaltungen, EN 574, wurde kürzlich durch die internationale Nachfolgefassung EN ISO 13851:2019 ersetzt.

Ersetzte Norm(en): EN 574 aus 1996 + A1:2008
Kategorie: B2, Sicherheitsfachgrundnorm für Schutzeinrichtungen
- Maßnahmentyp:: steuerungstechnisch, nicht-trennend
- Sicherheitskonzept: Zustimmen zur Gefährdung
Kurzübersicht
Diese Norm enthält Vorgaben für die Funktion von Zweihandschaltungen sowie die Platzierung und Konstruktion der Betätigungselemente. Sie fordert Maßnahmen zur Verhinderung von versehentlicher Betätigung und absichtlichem Umgehen.
Was jeder Konstrukteur wissen sollte
- Eine Zweihandschaltung löst nicht nur einen gefährlichen Vorgang aus, sondern zwingt eine Person, an einem festgelegten Ort zu bleiben, bis die Gefahr nicht mehr besteht (kein „Zweihand-Start“). Man bezeichnet sie daher auch als „Steuerungseinrichtung mit Ortsbindung“.
- Weitere Personen sind nicht geschützt, es sei denn für jede Person wird eine Zweihand-Einrichtung bereitgestellt und diese werden in Reihe geschaltet (der Letzte löst aus). Daher muss der Zugriffsbereich zur Gefahrenstelle möglichst klein sein. Andere Schutzeinrichtungen sind an den Seiten erforderlich, die nicht Bedienseite sind, um andere Personen zu schützen.
- Zweihandschaltungen sollten nicht eingesetzt werden, wenn Teile herausgeschleudert können (Werkzeug oder Werkstück).
- Der Bediener muss Direktsicht auf den Gefahrenbereich haben, damit er niemanden versehentlich gefährdet.
- Die Zweihandschaltung ist eine Sicherheitsfunktion. Ihre Zuverlässigkeit muss in der Risikobeurteilung festgelegt und durch Berechnung nachgewiesen werden (geforderter PL erreicht).
Kern-Anforderungen
1. Der Sicherheitsabstand der Zweihandschaltung zur Gefahrenstelle muss berechnet und so festgelegt werden, dass nach dem Loslassen eines der Betätigungselemente die Gefahr noch beendet werden kann, bevor die Person sie erreichen kann. Diese Berechnung wird nach EN ISO 13855 vorgenommen mit der Formel
S = (K x T) + C
S: Sicherheitsabstand
K: Annäherungsgeschwindigkeit es menschlichen Körperteils 1600 mm/s
T: Zeit vom Loslassen eines der Betätigungselemente bis zum Stillstand (abschätzen und durch Test verifizieren)
C: Zuschlag als Sicherheitsmarge 250 mm. C darf auf 0 reduziert werden, wenn man beim Betätigen der Betätigungselemente nicht mit den Händen in den Gefahrenbereich kommen kann (abgedeckte Betätigungselemente).
somit S = (1600 x T) + 250 mm
Bei T = 0,5 wären das schon 1050 mm (!)
Ungeachtet der Berechnung beträgt der Mindestsicherheitsabstand 100 mm.
2. Die Norm definiert drei Typen von Zweihandschaltungen, jedoch wird in der Praxis heute im Allgemeinen nur Typ 3 eingesetzt (mit synchroner Betätigung innerhalb von 0,5 s sowie der Forderung vor einer erneuten Auslösung erst beide Betätigungselemente loszulassen.
3. Die Zweihandschaltung ist eine nicht-trennende Schutzeinrichtung und damit als Sicherheitsfunktion nach EN ISO 13849-1 zu betrachten. Der minimal zulässige Performance Level ist „c“. Die tatsächliche Anforderung an die Zuverlässigkeit muss durch eine Risikoeinschätzung ermittelt werden.
4. Durch die Gestaltung der Betätigungselemente und der Anordnung zur Maschine müssen versehentliche Betätigung und das absichtliche Umgehen verhindert werden. Die Norm enthält dazu detaillierte Vorgaben in Kapitel 7 und 8. Allerdings wird man für die Praxis empfehlen nur geprüfte Zweihandmodule und -tafeln zu verwenden, statt die Betätigungselemente selbst auszulegen.
5. Zweihandschaltungen und deren Funktion müssen sorgfältig dokumentiert geprüft werden. Kapitel 9 der Norm enthält dazu eine Vorgabe in Form einer Checkliste. Die Anhänge enthalten dazu Details bezüglich Maßangaben (z. B. Abstand zwischen Betätigungselementen).
* Matthias Schulz ist Geschäftsführer der HiQ text GmbH und unabhängiger Berater für Maschinensicherheit
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