Elektroantriebe EMV bei Kleinantrieben – Tipps für den praktischen Einsatz

Ein Gastbeitrag von Andreas Wagener |

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Elektrische und elektronische Komponenten müssen ohne Störungen neben- und miteinander funktionieren. Deshalb müssen Anwender bei der Arbeit mit geregelten Antrieben die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) im Blick behalten. Wie? Das zeigt Faulhaber.

Bei der Arbeit mit geregelten Antrieben gilt es immer die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) im Blick zu behalten.
Bei der Arbeit mit geregelten Antrieben gilt es immer die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) im Blick zu behalten.
(Bild: Faulhaber)

In den 1920er-Jahren war es der Konflikt zwischen der bereits etablierten elektrischen Antriebstechnik im städtischen Nahverkehr und der neu aufkommenden Telekommunikation, der zur Entwicklung der Funkentstörung – eines Teilkonzepts der EMV – führte. Elektrische Antriebe sind heute meist geregelt; neben der Energiewandlung enthalten sie also auch die für die Sensorik zur Datenübertragung nötigen Telekommunikationsbauteile. Wegen der Störaussendung der Energiewandlung muss deswegen die nötige Störfestigkeit der Sensorik und Telekommunikation gegeben sein – und das oft auf engstem Raum (Bild 2).

Bild 2: Frequenz- bereiche der unterschiedlichen Signale und Störungen im Umfeld eines geregelten Antriebs. Die Auswirkungen sind hier qualitativ  bewertet. Endstufen mit PWM sind zwar kompakt, brauchen aber viel Aufmerksamkeit.
Bild 2: Frequenz- bereiche der unterschiedlichen Signale und Störungen im Umfeld eines geregelten Antriebs. Die Auswirkungen sind hier qualitativ bewertet. Endstufen mit PWM sind zwar kompakt, brauchen aber viel Aufmerksamkeit.
(Bild: Faulhaber)

Zertifizierung in der Anwendung

Die Grenzwerte für geregelte elektrische Antriebe sowohl für die Störaussendung als auch für die Störfestigkeit sind heute in der EN 61800-3 festgelegt. Allerdings dient die Norm lediglich als Basis zur Bewertung eines betriebsfertig aufgebauten Antriebs. Wie sich dieser im Endgerät verhält, lässt sich nicht verbindlich vorhersehen. Hier ist der Anwender in der Pflicht, die für seine Applikation gültige Zertifizierung zu erreichen.

In Systemen mit elektrischen Kleinantrieben wird die elektrische Energie meist mehrfach umgeformt. Dabei treten elektrische Wechselgrößen als Spannungen und Ströme mit sehr unterschiedlichen Frequenzen auf, z.B. Schaltvorgänge in der Endstufe, (elektro)magnetische Störfelder beim dynamischen Betrieb oder auch Spannungsschwankungen (Ripple), wenn die Antriebe schalten (Bild 3).

Bild 3: Störpfade für Gleichtakt und Gegentaktstörungen vom geregelten Motor bis hin zum Netz.
Bild 3: Störpfade für Gleichtakt und Gegentaktstörungen vom geregelten Motor bis hin zum Netz.
(Bild: Faulhaber)

Während für Geräte auf dem europäischen Binnenmarkt die EMV-Richtline 2014/30/EU gilt, wird die konkrete Bewertung anhand der sogenannten harmonisierten Normen vorgenommen. Eine durch das CE-Zeichen erkennbare Konformität zur EMV-Richtline ist verpflichtend. Aber auch bei Geräten, die nicht im europäischen Binnenmarkt in den Verkehr gebracht werden oder für industrielle Weiterverwender bestimmt sind, ist oft ein Nachweis der Konformität erforderlich. Hier greifen die Fachgrundnormen EN 61000-4-x und EN 61000-6-x, je nachdem ob die Geräte für den Industrieeinsatz oder den Consumer-Bereich bestimmt sind.

Grenzwerte für geregelte Antriebe

Für die Bewertung eines betriebsfertig aufgebauten Antriebs, bestehend aus Motor und direkt am Netz betriebenem Umrichter bzw. Motion Controller, bildet die EN 61800-3 die Basis. Sie definiert auch die Regeln für den Messaufbau. Dabei gelten unterschiedliche Quantifizierungen für die Störungen:

  • im Frequenzbereich von 150 kHz bis 30 MHz werden sie als Störspannung in dB (µV) definiert,
  • im Frequenzbereich von 30 bis 300 MHz als Störleistung in dB (pW) und
  • im Bereich von 30 MHz bis 6 GHz als Störfeldstärke in dB (µV/m).

Der Ansatz geht davon aus, dass niederfrequente Wechselgrößen vor allem als eine der Versorgung eines Netzteils überlagerten Störspannung beobachtet werden. Die pulsierenden Ströme eines geregelten Antriebs könnten dann z. B. den Betrieb einer parallel angeschlossenen SPS beeinträchtigen (Bild 4). Es wäre ebenso möglich, dass eine Spannungsspitze in der Versorgung während eines Bremsvorgangs parallel angeschlossene Geräte zur Schutzabschaltung veranlasst.

Störleistung und Störfeldstärke dagegen beschreiben die nicht an Leitungen gebundene Ausbreitung von elektromagnetischen Feldern.

Bild 4: Galvanische Kopplung mehrerer Teilnehmer im DC-Netzverbund. Durch rückgespeiste Energie könnten kritische Überspannungen entstehen.
Bild 4: Galvanische Kopplung mehrerer Teilnehmer im DC-Netzverbund. Durch rückgespeiste Energie könnten kritische Überspannungen entstehen.
(Bild: Faulhaber)

Störfeldstärke als Herausforderung

Während der Zulassung eines Geräts mit integriertem Kleinantrieb ist die Störfeldstärke oft die größere Herausforderung. Maßnahmen dagegen sind z. B. Filter an den Leistungsausgängen, um hochfrequente kapazitive Störströme zu unterbinden. Meist muss zudem jede Motorleitung vollständig geschirmt sein. Gleiches gilt für die – getrennt davon verlegte – Sensorleitung. Wichtig ist außerdem, alle leitfähigen Teile über eine sogenannte Funktionserdung (mit HF-Schirmverbindern) leitend zu verbinden. Auf dieser Funktionserdung aufbauend können dann beide Seiten des Schirms flächig aufgelegt werden. Eine reine PE-Schutzerdung genügt in den seltensten Fällen.

Während durch die Funktionserdung und die geschirmten Leitungen die Störfeldstärke wirkungsvoll gedämpft wird, steigt der in der Grundplatte zurückfließende Wechselstromanteil dadurch eher noch an. Fließen diese Wechselströme über das Netz bzw. das Netzteil zum Schaltwandler zurück, steigt unweigerlich der Wechselspannungsanteil auf der Versorgungsleitung und damit die Störspannung.

Daher wird oft in der Zuleitung ein zusätzlicher Filter nötig, der die Ausbreitung dieser Ströme begrenzt. Dem Gerätebauer ist freigestellt, ob er einen solchen Filter vor jedem einzelnen Antrieb verbaut (bei Kleinantrieben typischerweise in der 24-V- oder 48-V-Zuleitung) oder erst vor dem Netzteil auf der AC-Seite. Letzteres spart Kosten, funktioniert aber nur, wenn die Antriebe selbst so ausgelegt sind, dass sie sich nicht gegenseitig stören.

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Störfestigkeit in den Normprüfungen

Für die Störfestigkeit werden verschiedenste elektromagnetische Effekte in den Normprüfungen abgedeckt, wie beispielsweise

  • die Störfestigkeit gegen die Entladung statischer Elektrizität (ESD) sowie gegen hochfrequente elektromagnetische Felder von einem benachbarten Sender,
  • die Störfestigkeit gegen schnelle transiente elektrische Störgrößen (Burst),
  • Stoßspannungen (Surge), z. B. durch Blitzschlag,
  • oder gegen HF-Gleichtaktstörungen auf längeren Sensor- und Kommunikationsleitungen.

Eher für direkt am Netz betriebene Antriebe sind noch Prüfungen bezüglich kurzzeitiger Spannungseinbrüche definiert.

Die typischen Spannungsschwankungen von mehreren dynamischen Antrieben an einem DC-Netz dagegen sind nicht wirklich erfasst. Gerade beim Kleinantrieb können möglichst kurze Leitungen oder Schutzdioden auf der Versorgungsseite zusätzliche Entstörmaßnahmen sein. Außerdem sind Ferritfilter möglich, wie sie z. B. auch auf analogen PC-Monitor- oder Kommunikationsleitungen üblich sind (Bild 5)

Bild 5: Typische Schutzmaßnahmen, um die Störfestigkeit von Versorgungs-, Signal- und Kommunikationseingängen zu erhöhen.
Bild 5: Typische Schutzmaßnahmen, um die Störfestigkeit von Versorgungs-, Signal- und Kommunikationseingängen zu erhöhen.
(Bild: Faulhaber)

Bei kompakten Antrieben sind die Encoder die Hauptherausforderung für die Störfestigkeit der Komponenten. Sie müssen ebenfalls auf minimalem Bauraum untergebracht werden. Selbst in kleinen Encodern kann jedoch ein ausreichender Schutz gegen ESD durch kompakte Schutzelemente erreicht werden. Die für die Störfestigkeit angegebenen Feldstärken stellen in der Regel weder im HF- noch im Netzfrequenzbereich ein Problem dar. Störfestigkeit gegen Bursts, also schnelle Transienten, erfordert Filter sowohl auf den Versorgungsanschlüssen als auch auf den Signalleitungen. Das ist aber bereits auf den Versorgungsanschlüssen ein Problem, da die Versorgungsspannung typischerweise direkt an die im Encoder integrierten Schaltkreise angeschlossen ist. Ein wirksamer Schutz ist hier nur im Gesamtgerät möglich. Ein vollständiger Schutz direkt in den Encodern gegen Normstörgrößen ist in der Regel nicht nötig. Falls doch, könnte eine Schutzdiode beispielsweise in einer Adapterplatine verbaut werden.

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Das Prüfsignal für leitungsgeführte HF-Störungen nach IEC 61000-4-6 ist größer als das Nutzsignal typischer Encoder. Gleichtaktfilter in einem Encoder bei Motordurchmessern von lediglich noch 20 bis 22 mm sind jedoch nicht realisierbar. Hier muss auf Geräteebene bewertet werden, welche Störgrößen zu erwarten sind. Gegebenenfalls lässt sich die Störfestigkeit mit extern aufgebrachten Ferriten verbessern. Spannungseinbrüche an der Versorgung des Antriebssystems können zur Abschaltung des Systems führen. Abhängig vom Puffer der Encoderversorgung im Motion Controller kann dann bei Spannungseinbrüchen auch der Encoder unterversorgt sein. Inkrementale Encoder verlieren dabei die absolute Positionsinformation und müssen neu referenziert werden.

EMV-gerechte Auslegung und Dokumentation

EMV bei Kleinantrieben ist also für die Anwender keineswegs trivial. Die Antriebsspezialisten von Faulhaber haben sich deshalb eingehend mit dieser komplexen Thematik beschäftigt. Alle Motion Controller des breitgefächerten Produktportfolios entsprechen den aktuellen EMV-Vorschriften. Nicht nur die Hardware wurde entsprechend optimiert, sondern auch die Dokumentation neugestaltet, um den Anwender bei der Zertifizierung des eigenen Geräts bestmöglich zu unterstützen.

* Dr. Andreas Wagener ist Leiter System Engineering bei Faulhaber.

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