Virtuelle Realität Eine alltagstaugliche und dezente Datenbrille
Datenbrillen entsprechen bislang nicht unbedingt modischen Kriterien – sie sind groß und klobig. Eine neue Technologie von Fraunhofer-Forschern ermöglicht es, die Augengläser klein und unauffällig zu gestalten.
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Die pittoresken Straßen des Örtchens ziehen den Urlauber in ihren Bann. Doch die historischen Informationen zu den Gebäuden bleiben ihm zunächst verborgen – es sei denn, er zückt einen Reiseführer. Künftig könnten Besucher all die interessanten Angaben auf Anhieb sehen, eingeblendet in das Sichtfeld einer Datenbrille. Sie erblicken dann nicht nur die Gebäude, sondern jeweils daneben – ähnlich wie in Sprechblasen in einem Comic – die entsprechenden Informationen. Und sucht man den richtigen Weg in der fremden Stadt, könnte die Brille die Navigationsdaten aus dem Smartphone direkt in das Sichtfeld einblenden. Man spricht dabei von "see-through-Datenbrillen".
Klein und elegant
Die Datenbrille, die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena entwickelt haben, kann noch mehr als das: Sie könnte ein Problem lösen, mit denen Hersteller solcher Optiken bislang zu kämpfen haben. Denn die Gestelle sind nach wie vor groß und klobig. Im privaten Umfeld gibt es daher nur wenige Menschen, die sich die Datenbrille auf die Nase setzen. "Wir haben unsere Brille so gestaltet, dass sie einen kleinen, unauffälligen Aufbau erlaubt", sagt Dr. Peter Schreiber, Gruppenleiter in der Abteilung Mikrooptische Systeme am IOF.
Kurzer Aufbau durch Array-Anordnung
Übliche Modelle bestehen aus einem Mikrodisplay, das das Bild erzeugt, und einer Optik, die das Bild an die gewünschte Stelle projiziert. Beide Einheiten sind am Brillenbügel befestigt. Zwar ist das Mikrodisplay der neuen Brille mit 8 mal 15 Millimetern ähnlich groß wie herkömmliche Modelle. Die Optik dagegen ist mit fünf Millimetern nur etwa ein Fünftel so lang wie bisherige Ausführungen. Denn statt einer langen Optik setzen die Wissenschaftler viele kleine Optiken nebeneinander – Experten nennen dies Array. "Wir erreichen so mit einem sehr viel kürzeren Aufbau das gleiche Ergebnis", erläutert Schreiber.
Gitterstruktur projiziert Bild an gewünschte Stelle
Eine weitere Neuerung: Während handelsübliche Datenbrillen das Bild oft an den Rand des Sichtfelds projizieren – der Nutzer muss beispielsweise nach rechts oben schauen – sieht er die Infos beim neuen Modell genau dort, wo sie inhaltlich hinpassen, also etwa direkt neben dem Baudenkmal. Dazu bringen die Forscher eine – für das menschliche Auge unsichtbare – Gitterstruktur im Nanomaßstab auf die Brillengläser auf und funktionieren sie somit zum Lichtleiter um. Kurzum: Das Lichtbild wird durch ein Gitter in das Brillenglas eingekoppelt, bis zur gewünschten Stelle geleitet, dort ebenfalls durch ein Gitter ausgekoppelt und in das Sichtfeld des Trägers eingespiegelt. "Die entsprechenden Herstellungsverfahren sind massentauglich und werden in der Industrie bereits angewandt. Die Brille lässt sich einfach und kosteneffizient herstellen", sagt Schreiber.
Brille kompensiert Fehlsichtigkeit
Brauchen Menschen eine Lesebrille, hätten sie üblicherweise auch Schwierigkeiten, die eingeblendeten Informationen zu lesen. Deshalb gleicht die Brille Weitsichtigkeit aus. "Unser Multikanalansatz ermöglicht es, Weitsicht gänzlich ohne mechanisch bewegte Elemente wie beispielsweise am verstellbaren Okular eines Feldstechers auszugleichen und die Bildschärfe individuell rein elektronisch einzustellen", erklärt Schreiber.
Für den Nutzer heißt das: Auf seinem Smartphone, das via Bluetooth die entsprechenden Inhalte und Informationen an die Brille sendet, gibt er in der entsprechenden App die Werte seiner Fehlsichtigkeit ein. Alles weitere geschieht automatisch: Die Brille verzerrt die eingeblendeten Bilder so vor, dass sie dem Anwender scharf erscheinen. Auch andere Sehfehler wie Astigmatismus oder Kurzsichtigkeit kann die Brille teilweise kompensieren. (mz)
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