Drive-by-Wire Ein Auto, das sich per Kopfbewegung lenken lässt
Ein ehemaliger US-Indy-Car-Fahrer nimmt trotz schwerer Querschnittslähmung wieder Platz am Steuer eines modifizierten Rennwagens. Mithilfe von Kopfbewegungen kann er den Wagen lenken, per Atemzug bremsen. Paravan und Arrow Electronics ermöglichten die Konstruktion.
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Eine Corvette ZR06 steuern über Kopfbewegungen – ist das möglich? Sam Schmidt, ehemaliger Indy-Car-Fahrer und seit einem schweren Rennunfall querschnittgelähmt, sagt Ja. Moderne Technik aus den USA und Deutschland machen es tatsächlich möglich. In einem Kooperationsprojekt des US-Elektronikentwicklers Arrow Electronics und des schwäbischen Drive-by-Wire-Spezialisten Paravan GmbH wurde eine Corvette ZR06 so umgerüstet und aufgebaut, dass Sam Schmidt mit kleinsten Kopfbewegungen das 650 PS starke Auto sicher über eine Rennstrecke steuern kann.
Kamerasensoren und Infrarot-Messpunkte wandeln Bewegungen um
Wie funktioniert das? Mehrere Kamerasensoren im Cockpit und speziell angebrachte Infrarot-Messpunkte an Schmidts Kopf digitalisieren jede Kopfbewegung nach links oder rechts und geben die Daten in Echtzeit an eine von Arrow integrierte Steuerzentrale, ein sogenanntes Motion-Tracking-System, weiter. Hier werden die Signale mittels einer speziellen Software mit den Fahrzeugdaten verarbeitet und an das Paravan-Space-Drive-II-Headmodul weitergeleitet. Von dieser zweiten Recheneinheit werden die Signale anschließend mit mehrfacher Redundanz an Lenkmotoren geschickt, um die entsprechenden Lenkbefehle auszuführen.
Gas geben und bremsen funktioniert über ein speziell entwickeltes Mundstück mit integriertem Drucksensor. Dieser Sensor registriert, ob Schmidt Luft durch das Mundstück ansaugt – das Auto bremst – oder Luft hindurch bläst, vergleichbar mit einer Trillerpfeife – das Fahrzeug beschleunigt. Die Druckveränderungen werden ebenfalls an die verbauten Recheneinheiten gesendet, umgerechnet und über das Headmodul an Servomotoren, die sich an Gas und Bremse befinden, geschickt.
100 % Sicherheit selbst bei hohen Geschwindigkeiten
Damit selbst bei Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h nichts passieren kann, ist das Paravan System nach dem höchsten weltweiten Sicherheitsstandard ISO 26262 ASIL D zertifiziert. Auch bei der Herstellung will Paravan kein Risiko eingehen und lässt das System nach dem Qualitätsstandard IPC 600 A fertigen – vergleichbar mit der Herstellung eines Herzschrittmachers. Das Ziel soll 100 % Ausfallsicherheit sein.
Die Sensorik und deren Verarbeitung wurden in den USA von Arrow Electronics entwickelt. Den Einbau der Sensorik sowie die Verknüpfung der Arrow-Technik mit dem Fahr- und Lenksystem Space Drive II übernahmen die Konstrukteure aus dem schwäbischen Aichelau.
Zwischenzeitlich wird die Paravan-Space-Drive-Technologie von vielen internationalen Fahrzeugherstellern als ausfallsichere und straßenzugelassene Drive-by-Wire-Plattform für das autonome und teilautonome Fahren genutzt.
244 km/h auf der Premiere
Seine öffentliche Premiere feierte das Fahrzeug im Rahmen der diesjährigen Indy 500 in Indianapolis am 29. Mai 2016. Dabei erreichte das modifizierte Fahrzeug aus dem Stand einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf dem Oval von 152 mph (244 km/h). Weitere Showtermine sind unter anderem der Detroit Grand Prix vom 3. bis 5. Juni 2016 und das traditionelle Bergrennen Pikes Peak International am 23. bis 26. Juni 2016. Nach Deutschland kommt das Fahrzeug im Oktober und November mit Präsentationsterminen in Hockenheim und der Messe Electronica in München. (kj)
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