E-Mobilität E-Helicopter fliegt erstmals bemannt
Der bemannte Erstflug des einzigen zugelassenen Multicopters, dem Volocopter VC200, stellt einen großen Schritt in Richtung urbaner Mobilität dar. Das Karlsruher Unternehmen E-Volo will ab 2018 mit dem Volocopter den Traum vom Fliegen für jedermann möglich machen.
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Im Februar 2016 hatte der Volocopter von der zuständigen deutschen Luftfahrtbehörde die vorläufige Verkehrszulassung (VVZ) als Ultraleicht-Luftfahrtgerät erhalten. Im Rahmen des Erprobungsprogramms hat das Karlsruher Unternehmen nun damit begonnen, bemannte Flüge durchzuführen. Beim Erstflug im März 2016 saß Geschäftsführer Alexander Zosel an einem Flugplatz nahe Karlsruhe am Steuer.
„Ein Gefühl wie in der Schwerelosigkeit”
„Der Flug war total super”, sagte Zosel direkt nach seiner Landung. „Das Gerät war zuverlässig, es hat keine Vibrationen gehabt, es war gigantisch.” Den Flug beschreibt der Geschäftsführer als unglaublich. Nach kurzen Vorchecks wurde ihm die Flugfreigabe erteilt und Zosel hob mit dem Volocopter ab. „Es war wie ein schwereloses Schweben, es hat sich überhaupt nicht so angefühlt, als wären große Kräfte am Werk. Alles war leicht und jede Bewegung, die ich mit dem Joystick gemacht habe, hat er sofort umgesetzt.”
Volocopter fliegt emissionsfrei und leise
Das senkrecht startende Fluggerät soll wegen seiner Flugsteuerung leicht zu fliegen sein. Der Pilot steuert den Volocopter einhändig mit einem Joystick. Auch Zosel demonstrierte diese Eigenschaft, als er während dem Erstflug seine Hand vom Joystick nahm, um seinem Team zu applaudieren.
Ein Redundanzkonzept für alle kritischen Bauteile soll außerdem Ausfälle einzelner Komponenten kompensieren. So kann der Volocopter selbst beim Ausfall mehrerer Antriebe sicher landen. Die Entwickler demonstrierten für die Zulassung verschiedene Ausfallszenarien am Volocopter. Das Fluggerät ist zudem leise und durch den reinen Elektroantrieb mit einem schnell austauschbaren Wechselakkusystem emissionsfrei.
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E-Bike-Antrieb
Abnehmbarer Elektroantrieb gewinnt Red Dot Award
Der deutsche Drohnenhersteller Ascending Technologies, den vor kurzem der US-Chiphersteller Intel übernommen hat, unterstützte die Entwickler. „Intel gratuliert E-Volo für diese Leistung“, sagte Josh Walden, Senior Vice President und General Manager der New Technology Group bei Intel. „Die Technologie von Ascending Technologies assistiert in den Flugsteuerungen und der Motorelektronik. Wir freuen uns darauf, die Entwicklung weiterer bemannter und unbemannter Flugsysteme in Zukunft zu unterstützen.“
Einsatz als Lufttaxi und im Luftsportbereich
Das nächste Ziel von E-Volo ist es, die Musterzulassung zu erhalten und den Volocopter in Serie zu produzieren. In den kommenden zwei Jahren soll der Markteintritt im Luftsportbereich ähnlich den Tragschraubern und Helikoptern erfolgen.
In einem weiteren Entwicklungsschritt sollen Lufttaxis auf zunächst einzelnen vorgegebenen Strecken beispielsweise als Flughafenzubringer oder an sensiblen Verkehrsknotenpunkten wie Brücken etabliert werden. Mittelfristig könnten mit dem Volocopter neue, zunehmend autonome Mobilitätskonzepte angeboten werden, bei denen der öffentliche und individuelle Verkehr teilweise in die Luft verlagert wird.
Positive Auswirkungen auf Nahverkehr
Florian Reuter aus der E-Volo Geschäftsführung hat im März auf Einladung der NASA auf dem „On Demand Mobility“ Workshop in Washington Fachleuten aus Luft- und Raumfahrt die neusten Entwicklungen rund um den Volocopter vorgestellt. In dem Workshop haben die Fachleute auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen diskutiert, die international angepasst werden müssen, um individuellen Flugverkehr im urbanen Raum für jedermann zu ermöglichen. Die NASA hatte hierzu vorab eine Studie veröffentlicht, die den positiven Beitrag zur Behebung des täglichen Verkehrsproblems im Silicon Valley aufzeigt.
Startschuss für bemanntes Testflugprogramm
Der Erstflug von Zosel markiert den Beginn des Testflugprogramms mit dem Volocopter, das in drei Phasen durchgeführt wird. In der ersten Flugphase sind Flüge mit einer Geschwindigkeit von maximal 25 km/h bei niedriger Höhe vorgesehen. In der zweiten Testphase sollen Flugmanöver mit einer Fluggeschwindigkeit bis 50 km/h in mittlerer Höhe durchgeführt werden. Testflüge innerhalb der dritten Testphase dienen der Validierung des Systems in größeren Höhen und im vollständigen Geschwindigkeitsspektrum des VC200 bis 100 km/h.
Im Vorfeld der Zulassungserteilung hat das E-Volo-Team Erfahrungen mit über 100 unbemannten Testflügen gesammelt. Mithilfe einer Fernsteuerung führte das Team Belastungstests des Gesamtsystems, einzelner Baugruppen und einzelner Komponenten durch und schaltete u.a. Antriebsmotoren, Akkus sowie Flugsteuerungen im Flug aus. Auch speisten die Tester bei den Flügen Fehlinformationen von „defekten“ Sensoren ins Steuersystem ein. Und sie führten unbemannte Flüge bei turbulenten Wetterbedingungen durch.
Somit hat E-Volo schon vor Markteinführung gezeigt, dass die Fluggeräte weitgehend autonom fliegen könnten. Doch bis autonomes Fliegen zugelassen wird, müssen die internationalen Regularien noch weiter angepasst werden – ein Prozess, der in Politik und Behörden bereits angestoßen ist.
Wie ist der Volocopter aufgebaut?
Der Volocopter ist aus Faserverbundwerkstoffen in Leichtbauweise gefertigt und kann neben dem Reiseflug auch senkrecht starten und landen sowie auf der Stelle schweben. Das Fluggerät ist vollständig elektrisch angetrieben. Die Elektromotoren der 18 Antriebseinheiten werden von 9 unabhängigen Akkus versorgt. Der Leistungsbedarf des VC200 beträgt im Schwebezustand bei einem Abfluggewicht von 450 kg je nach Luftdruck und Temperatur etwa 50 kW.
Der Volocopter soll systemweit einen hohen Grad an Ausfallsicherheit durch redundante Auslegung erreichen. Dieses Prinzip ist in allen für einen sicheren Flugbetrieb nötigen Systemteilen und -komponenten zu finden. Die für den Auftrieb nötige Schubkraft erzeugen 18 unabhängig angetriebene Rotoren mit jeweils zwei feststehenden Blättern. Im Unterschied zum Hubschrauber kann beim VC200 der Anstellwinkel der einzelnen Rotorblätter nicht verstellt werden. Die Größe der erzeugten Schubkraft wird einzig durch die Drehzahlen der einzelnen Rotoren bestimmt.
Der Volocopter kann alle drei rotatorischen Freiheitsgrade (Nicken, Rollen, Gieren) und einen translatorischen Freiheitsgrad (vertikal, „nach oben/unten“) direkt beeinflussen, indem die Drehmomente um die Hochachse (Gieren) und senkrecht dazu (Nicken/Rollen) kombiniert wird sowie durch die Verändern des Gesamtschubes.
In Kombination mit dem Lagewinkel kann er zusätzlich Flugbewegungen auch horizontal („nach vorne/hinten“ und „nach rechts/links“) ausführen und soll damit alle sechs möglichen rotatorischen und translatorischen Freiheitsgrade beherrschen.
Flugsteuerung unterstützt den Piloten
Obwohl der Volocopter aufgrund seiner vielen Rotoren mit festem Blattanstellwinkel zunächst instabile Flugeigenschaften aufweist, sorgt sein mehrfach redundantes Steuerungssystem für eine exakte Fluglage- und Positionsstabilität. Im Vergleich zu herkömmlichen Luftfahrzeugen soll er sogar stabiler sein. So folgt er exakt den Pilotenvorgaben und gleicht äußere Einflüsse weitestgehend selbständig aus. Das entlastet den Piloten, der den Volocopter dadurch auch in schwierigen Umgebungsbedingungen sicher steuern kann.
Das Flugsteuerungssystem besteht aus mehreren unabhängigen Einheiten. Jede Flugsteuerungseinheit besitzt einen Satz Lagesensoren, bestehend aus Druckmesser, Gyroskop, Beschleunigungsmesser und Magnetfeldmesser für alle drei Raumachsen. Jede Flugsteuerungseinheit soll damit für sich alleine in der Lage sein, den VC200 zu kontrollieren. Dabei steuert der Pilot mit nur einer Hand alle Flug-Achsen intuitiv über Achs- und Drehbewegungen des Joysticks. Die Pilotenvorgaben zum Steigen und Sinken erfolgen mit einem Daumen-Höhenregler. Zur Landung drückt der Pilot den Höhenregler einfach komplett nach unten, bis der Volocopter am Boden steht. Die Steuerung verlangsamt in Bodennähe automatisch das Sinken und der Volocopter setzt sanft auf. (kj)
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