Schraube Direktverschraubungen richtig auslegen
Grundsätzlich ist die VDI 2230 der rechnerische Betriebsfestigkeitsnachweis einer metrischen Schraubverbindung. Sie gilt allerdings nicht für gewindefurchende Schrauben. Doch was gibt es bei der Auslegung von Direktverschraubungen zu beachten?
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Leichtbau gewinnt in fast jeder Branche an Bedeutung, denn nicht nur Unternehmen aus dem Mobilitätssektor, unabhängig von neuartigen Antrieben oder konventioneller Technik, sind gezwungen ihre Produkte leichter und effizienter zu konstruieren. Der steigende Anteil an leichten High-Tech-Materialien erfordert immer neue Innovationen aus der Verbindungstechnik, die das Gesamtgewicht der Baugruppen verringern, gleichzeitig aber eine langanhaltende und sichere Verbindung der Bauteile schaffen. Hierbei haben sich Direktverschraubungen bewährt, denn sie bringen neben der Gewichtsreduzierung weitere positive Aspekte mit sich. So lassen sich Materialien einsparen, Wandungsdicken der Bauteile reduzieren und damit auch die Produktionszyklen beschleunigen.
Arbeitsschritt Gewindeformen entfällt – Prozesskosten reduzieren sich
Bei Direktverschraubungen handelt es sich um gewindefurchende Schrauben, die ihr Muttergewinde selbsttätig bei der Montage durch Umformen des Mutterwerkstoff erzeugen. Damit ist es mit Direktverschraubungen in Bauteile ohne vorhandenes Muttergewinde vielfach möglich, die Gesamtkosten der mechanischen Verbindungen zu senken. Bei der Direktverschraubung entfällt der Arbeitsschritt Gewindeschneiden beziehungsweise -formen. Damit fallen auch keine störenden Späne an – die Prozesskosten reduzieren sich. Die Schrauben werden direkt in gestanzte, gebohrte, gegossene oder gelaserte Löcher eingesetzt. Es müssen, wie bei metrischen Gewinden üblich, keine Aufnahmegewinde erzeugt oder Mutternelemente und Gewindeeinsätze verwendet werden. Ein weiterer Vorteil von Direktverschraubungen: Das Aufnahmegewinde wird von der Schraube in das Einschraubmaterial geformt. Durch das sogenannte Furchen werden die im Material liegenden Faserverläufe umgelenkt. Das Material verfestigt sich damit partiell - das Mutterngewinde ist somit höher belastbar.
Mutterwerkstoffe mit ausreichender Duktilität
Geeignete Mutterwerkstoffe für Direktverschraubungen sind alle Metalle und Kunststoffe mit ausreichender Duktilität und einer Festigkeit bis etwa 950 MPa. Dabei gilt es zu beachten, dass bei Metallen, insbesondere Stahl, eine große Härte der Schraube im Bereich der Furchzone erforderlich ist. Bei Kunststoffen hingegen sind schlanke, weit eindringende Flanken mit vergrößerter Steigung vorteilhaft.
VDI 2230 gilt nicht bei gewindefurchenden Schrauben
Allerdings ist Schraubverbindung nicht gleich Schraubverbindung. Was ist also bei der Auslegung grundsätzlich zu beachten? „Wichtig ist, die Anforderungen an die Verbindung zu kennen. Eine gut durchdachte Schraubverbindung bereitet dem Anwender über die gesamte Lebensdauer keine Probleme und ist günstig herzustellen“, erklärt Sebastian Schlegel, der mit seinem Unternehmen Technische Beratung Verbindungstechnik freiberuflich für die Conti Fasteners AG als technischer Berater tätig ist. Grundsätzlich ist die VDI 2230 der rechnerische Betriebsfestigkeitsnachweis einer metrischen Schraubverbindung. Sie gilt allerdings nicht für gewindefurchende Schrauben. „Aber wir können uns der Systematik bedienen“, beruhigt Schlegel. So sollen die Anforderungen bei Metalldirektverschraubungen aus Sicht der Industrie mit einer metrischen Verbindung kompatibel sein. „In diesen Fällen soll eine gewindefurchende Schraube die gleiche Performance liefern hinsichtlich Anziehdrehmoment, Montagevorspannkraft, Ausreißverhalten und Sicherheit gegen selbsttäges Lockern und Lösen, bei gleicher Ausgangsbasis wie gleicher Durchmesser, gleiche Wärmebehandlung der Schraube etc.“, erklärt Schlegel. Sobald die Parameter abweichen, werden andere Gewindedesigns angewandt, z.B. wenn der Mutterwerkstoff aus Kunststoff oder Dünnblech besteht. Hierfür kommen dann andere Berechnungsgrundlagen zum Einsatz, die in vielen Fällen nicht genormt sind und auf die Erfahrung der Anwender und Hersteller beruhen.
Versuch macht kluch
Doch wo liegen die Unterschiede bei der Auslegung einer Direktverschraubung verglichen mit der metrischen Verschraubung? „Zunächst müssen wir wissen, welches Ziel die Verbindung verfolgt, wo die Einsatzgrenzen sind und in welchen Mutterwerkstoff gefurcht wird“, zählt Schlegel auf. Dabei können Berechnungen und Simulation hilfreich sein. Sie ersetzen allerdings keine Versuche am idealerweise Serienbauteil. „Aufgrund der vielen Einflüsse auf die Wunschparameter der Schraubverbindung sind die Grenzen dieser Vorhersagen schnell erreicht“, gibt Schlegel zu Bedenken. Eine Simulation bzw. Berechnung sei zwar hilfreich, jedoch kommt diese schnell an ihre Grenzen, weil mit Ersatzmodellen gerechnet wird. Daher empfiehlt Schlegel: „Versuch macht kluch.“ Hierbei sollten Funktion und Verschraubungsparameter grundsätzlich im Versuch ermittelt werden. „Aus unserer langjährigen Erfahrung können wir mit Startparametern für unsere Gewindedesigns und nahezu alle Mutterwerkstoffe unterstützen“, sagt Schlegel. Die Herstellung und somit die Einflüsse eben dieser Bauteile können jedoch nicht beeinflusst werden. „Daher ist bei der Auslegung der frühzeitige Dialog zwischen Anwender, Schraubenhersteller und uns sehr hilfreich“, sagt Schlegel abschließend.
Konstruktive Hinweise
Bei der Auslegung der Bauteilgeometrie sollten bei Direktverschraubungen einige konstruktive Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, um die prozesssichere Verschraubung sicherzustellen:
- 1. Entlastungsbohrungen bei Kunststoffen: Die Entlastungsbohrung ist bei Kunststoffdirektverschraubungen ein wichtiges Merkmal, welches sicherstellt, dass das Material beim Einschrauben ausreichend Platz hat, um in den Übergang zum Klemmmaterial zu fließen. Damit ist die Kopfauflage bündig und die Radialspannung am Randbereich der Bohrung wird reduziert.
- 2. Kernlochdurchmesser: Die Wahl des Kernlochdurchmessers ist entscheidend, um eine Kraft im Bauteil übertragen zu können, aber auch gleichzeitig die Montageparameter zu kontrollieren. Es steht aber im Gegensatz zu den Faktoren des eingesetzten Materials, des Montageprozesses, der forderlichen Klemmkraft und des Turbusdurchmessers ab.
- 3. Lochtiefenzugabe: Diese stellt sicher, dass die Schraube nicht mit der Gewindespitze aufsetzt, bevor die Kopfauflage erreicht ist und damit die Vorspannkraft aufgebaut wird. Eine Lochtiefenzugabe ermöglicht zudem auch bei spanenden oder spanmehlgenerierenden Verschraubungen eine Art Auffangbecken, in dem sich das abgetragene Material sammeln kann, ohne den Schraubprozess zu behindern.
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