Getriebe Die Kunst, das (Zahn-)Rad neu zu erfinden
WEG stellt ein Getriebeprogramm vor, bestehend aus Stirnrad-, Flach- und Kegelstirnradgetrieben. Welche Herausforderungen es in der Entwicklung der WG20-Getriebemotoren zu meistern galt, erklärt der verantwortliche Chefentwickler Norbert Reisner im Interview.
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Warum ein neues Getriebeprogramm von WEG, wo doch Watt Drive bereits ein komplettes Portfolio anbietet?
Hierfür gab es mehrere Beweggründe. Zum einen war es WEG wichtig, als Lösungsanbieter für den gesamten Antriebsstrang ein komplett im eigenen Hause entwickeltes Getriebe-Portfolio anbieten zu können, das optimal mit den eigenen Motoren harmoniert. Zum anderen wollten wir im Sinne der weltweiten Austauschbarkeit ein Programm auflegen, das über marktübliche Anschlussmaße verfügt. Darüber hinaus sollten Getriebemotoren entstehen, die trotz Entwicklung und Fertigung in Österreich dem enormen Preisdruck am Markt, insbesondere was diese kleinen Baugrößen betrifft, standhalten können. Unsere bewährten Watt-Getriebe werden wir natürlich weiterhin fertigen, sowohl für Bestandskunden als auch für neue Anwendungen, insbesondere dort, wo Speziallösungen gefragt sind.
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Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben das neue Getriebemotorenprogramm WG20 in einem Zeitraum von rund zwei Jahren hier in Österreich in enger Zusammenarbeit mit dem Stammwerk von WEG in Brasilien entwickelt. Zu Beginn haben wir uns die Frage gestellt: Wie kann man in heutiger Zeit, wo das Rad schon erfunden ist, ein neues Getriebe entwickeln, das noch nennenswerte Verbesserungen bringt?
Zunächst haben wir deshalb die bestehende Getriebetechnik am Markt eingehend analysiert. Daraufhin kamen wir zu dem Schluss, die Getriebe bis 600 Nm im Aluminiumdruckgussverfahren zu fertigen, da in diesem Leistungsbereich die Eigenschaften des Materials besonders gut genutzt werden können. Die Analyse der Gehäuseteile wurde mithilfe der FE-Methode und umfangreichen Belastungstests durchgeführt, die Robustheit und Eignung der Gehäuse für die anvisierten Anwendungen bestätigt haben. In Sachen Aluminium-Druckguss haben wir von der jahrzehntelangen Erfahrung von WEG profitiert. So wurden beispielsweise die 3D-Daten mithilfe einer Guss-Simulationssoftware berechnet und optimiert. Die zweite entscheidende Erkenntnis der Analyse war, dass der Schlüssel zu einem effizienteren, präziseren und kosteneffizienteren Getriebe in der Konzeption des Motorritzels liegt.
Was waren für Sie und Ihr Team die größten Herausforderungen in der Entwicklung?
Die größte Herausforderung bestand darin, ein Übertragungskonzept zu entwerfen, das hohe Übersetzungsbereiche in einer zweistufigen Ausführung ermöglicht und sich trotz neu berechneter Zahnraddurchmesser und Achsabstände in die neu gestalteten Aluminiumdruckgussgehäuse integrieren lässt.
Ein weiterer Aspekt, auf den auch WEG in der Motorenentwicklung besonderen Wert legt, ist die Effizienz. Die hohen Wirkungsgrade der Motoren sollten auch in Kombination mit den Getrieben erreicht werden. Für uns bedeutete das, jeden noch so kleinen Verlust aufzuspüren und wenn möglich zu eliminieren.
Außerdem mussten wir sicherstellen, dass die neuen Getriebemotoren einfach weltweit eingesetzt und die Anwendungsmöglichkeiten für die Kunden gleichzeitig so flexibel wie möglich gestaltet werden können.
Wie haben Sie diese Herausforderungen gelöst?
Vor allem durch das neue Ritzel-Konzept. Das neu entwickelte Einsteckritzel sorgt zum einen für eine besonders präzise Kraftübertragung und zum anderen versetzt es uns in die Lage, mit den WG20-Getriebemotoren einen großen Übersetzungsbereich zweistufig abdecken zu können. Dadurch sind die Umfangsgeschwindigkeiten in der Eintriebsstufe geringer, die gemeinsam mit den verringerten Planschverlusten aufgrund der optimierten Schmierstoffmenge für hohe Wirkungsgrade sorgen.
Eine Gewichtsreduktion erreichten wir durch die mithilfe moderner FE-Methoden entwickelten Getriebegehäuse aus Aluminiumdruckguss. Die Verwendung von Aluminium hat nicht nur den Vorteil einer glatten Oberfläche, die auch für hygienisch anspruchsvolle Anwendungen geeignet ist, sondern besitzt auch eine hohe Wärmeleitfähigkeit und eine deutlich höhere Prozesssicherheit in der Fertigung als Grauguss.
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Getriebe
Getriebe auf Weltraummission
Meinen Sie, es ist Ihnen gelungen, das Rad der Getriebetechnik neu zu erfinden?
Neu zu erfinden vielleicht nicht, aber in vielen Punkten deutlich zu optimieren. Neben den Standard-Anschlussmaßen weisen die neuen Getriebemotoren beispielsweise hohe Wirkungsgrade auf. Wir haben die ohnehin gute Leitfähigkeit des Aluminium-Gehäuses zusätzlich durch die Art der Gehäusegestaltung verstärkt. Das führt zu kühleren Gehäuseoberflächen, was sich positiv auf Effizienz und Lebensdauer der Getriebe auswirkt.
Auch die Verzahnungsgeometrie haben wir verfeinert. Mithilfe der Finite-Elemente-Berechnung gelang die Optimierung der Verzahnungssicherheit speziell im Zahnfußbereich. Hohe Qualitätsstandards im Fertigungsprozess der Zahnräder sorgen für einen stabilen und gleichmäßigen Betrieb bei gleichzeitig erhöhter Lebensdauer.
Das kompakte Gesamtdesign wirkt sich auch auf die verwendete Schmierstoffmenge aus. Aufgrund der Anordnung der Verzahnungsteile und des optimierten Gehäuseinnenraumes sind nur geringe Ölstände im Getriebe notwendig. Zudem konnten wir die Anzahl der Getriebebauteile um ca. 30 % reduzieren.
Die Verwendung von qualitativ hochwertigen Getriebe-Komponenten, die größtenteils in Markt Piesting gefertigt werden und optimal ineinander greifen, ermöglicht einen von Grund auf geräuschärmeren Betrieb. Zur Geräuschreduktion tragen auch die geringeren Umfangsgeschwindigkeiten in der Eintriebsstufe bei, um nur einige Punkte zu nennen.
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Getriebe
Die Welt der Getriebe im Überblick
Was hat der Anwender von alledem?
WG20 kombiniert die Entwicklungs- und Fertigungskompetenz von Watt Drive mit dem Motor-Know-how und dem globalen Vertriebs- und Servicenetzwerk von WEG. Das heißt, der Kunde erhält eine komplette Antriebslösung aus einer Hand, mit optimal aufeinander abgestimmten Komponenten. Durch die globale Präsenz von WEG profitieren Anwender zudem von gesicherten Service-Wegen und kurzen Lieferzeiten.
Dank der marktüblichen Anschlussmaße lassen sich die Getriebemotoren weltweit einfach und kosteneffizient einsetzen, sowohl in neu entwickelte als auch in bestehende Anlagen. Der modulare Getriebeanbaumotor erleichtert zusätzlich die weltweite Austauschbarkeit, da er dank motorinterner Spannungsumschaltung nahezu alle Weltspannungen abdeckt. Für den Maschinen- oder Anlagenbauer bedeutet das, dass er mit einem Antrieb eine sehr große Bandbreite an Anwendungen abdecken kann.
Die große Übersetzung in zweistufiger Ausführung führt dazu, dass die in den Energieeffizienzklassen bis IE3 erhältlichen Getriebemotoren einen weiten Drehzahlbereich abdecken und einen hohen Wirkungsgrad bieten. Der energiesparende Betrieb trägt dazu bei, dass die Energiekosten auf Seiten der Anwender sinken.
Die Verwendung hochwertiger Schmierstoffe und Dichtungen sorgt für einen zuverlässigen, wartungsarmen Betrieb. Aufgrund der geringen Verluste und daraus resultierenden niedrigen Temperaturen kommen die Getriebe bis 600 Nm ohne Entlüftung aus und sind unter normalen Einsatzbedingungen lebensdauergeschmiert. Betreiber profitieren von insgesamt deutlich verringerten Service- und Lebenszykluskosten aufgrund verlängerter Serviceintervalle.
Die strengen Qualitätsstandards in der Fertigung am Standort Markt Piesting in Österreich und die ausschließliche Verwendung hochwertiger Bauteile garantieren eine hohe Prozesssicherheit. Das Ergebnis sind Getriebemotoren mit erhöhter Laufruhe und Leistungsdichte sowie verlängerter Lebensdauer.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Getriebe
Zykloid- und Planetengetriebe im Vergleich
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