150 Jahre COG Die Herren der O-Ringe: So machen sich Dichtungsexperten fit für die Zukunft

Autor / Redakteur: Dominik Stephan* / M.A. Bernhard Richter

Sie halten dicht: Elastomerdichtungen aus Kautschuk. In Europa hat niemand mehr davon auf Lager als die Firma COG aus Pinneberg bei Hamburg. Doch zwischen der richtigen Gummi­mischung, dem Pressen der Dichtungsringe und der Montage in der Anlage gibt es zahlreiche Fallstricke. Jetzt feiern die „Herren der O-Ringe“ das 150-jährige Firmen­jubiläum – und stellen die Weichen in die Zukunft.

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Die Entwickler des Dichtungswerkstoffs Vi 840 von C. Otto Gehrckens durften sich über die beliebte Glastrophäe freuen. Die Elastomer-Innovation ist ein normkonformer FKM-Dichtungswerkstoff nach DIN EN 14141 und bedient damit erstmals eine zentrale Branchenanforderung. Der kälteflexible FKM-Compound kann bis –46 °C eingesetzt werden.
Die Entwickler des Dichtungswerkstoffs Vi 840 von C. Otto Gehrckens durften sich über die beliebte Glastrophäe freuen. Die Elastomer-Innovation ist ein normkonformer FKM-Dichtungswerkstoff nach DIN EN 14141 und bedient damit erstmals eine zentrale Branchenanforderung. Der kälteflexible FKM-Compound kann bis –46 °C eingesetzt werden.
(Bild: COG)

Unscheinbar sieht er aus: Ganz in Schwarz oder einheitlich eingefärbt, wenige Millimeter klein oder einen halben Meter durchmessend, mehr oder weniger flexibel – aber immer ein perfekter Kreis aus Kunststoff. Der O-Ring. Ein scheinbar einfaches Teil – aber von immenser Bedeutung. Ob die Produktion stillsteht oder gefährliche Medien austreten, hängt auch von diesem Gummiring ab.

Wer das Geheimnis des O-Rings enträtseln will, braucht keine Hobbits oder Zauberer – auch wenn das Expertenwissen der Hersteller über Gummimischungen oder Temperaturbeständigkeit zuweilen an Hexerei erinnert. Die „Herren der O-Ringe“ sitzen auch nicht in Mittelerde, sondern zum Beispiel bei der Firma C. Otto Gehrckens (COG) in dem Hamburger Vorort Pinneberg. Und das schon seit 150 Jahren.

Das schaffen die Wenigsten: Tatsächlich sind lediglich 0,3 % der deutschen Unternehmen über 150 Jahre alt, bekräftigten die COG-Geschäftsführer Jan und Ingo Metzger. Grund zum Feiern für den als Familienunternehmen in der fünften Generation geführten Dichtungshersteller – „aber nicht rückwärtsgewandt, sondern immer mit klarem Blick nach vorn“, so die COG-Geschäftsführer.

1867 als Lederfabrik gegründet, begann das zweite Leben des Unternehmens 1957, als die damalige Geschäftsführung in die Fertigung von Gummi-Keilriemen und Elastomer-Dichtungen für das Wirtschaftswunder einstieg. Mit ledernen Antriebsriemen hatte man in Pinneberg zwar schon Erfahrung – doch mit einem anderen Material betratet COG Neuland: Kautschuk statt Leder lautete nun die Devise. Seit 1998 gilt das nur noch für Dichtungen, nachdem die Antriebssparte komplett verkauft werden konnte.

Anfang der 2000er wurde der Stammsitz des Unternehmens an der Koppelstraße zu klein: Ab 2002 zogen Vertrieb, Lager und Verwaltung in ein neues Logistikzentrum mit modernster Lagertechnik in Gehrstücken/Pinneberg. Ab 2007 entstand dort auf über 6000 m2 eine neue Fertigung, die seit 2009 auch die Expressfertigung für besonders eilige Spezialaufträge ermöglicht.

Heute fertigt COG rund um die Uhr Dichtungen und Rohlinge in einem aufwändigen, mehrstufigen Verfahren von der Mischung des Materials aus Polymeren und diversen Hilf-, Füll- und Zuschlagstoffen über die Extrusion, das Zuschneiden der Kautschukstränge und das Pressen der Ringe – was pro Millimeter Schnurstärke etwa eine Minute dauerte – bis zum Entgraten und Waschen. Der Lohn der Mühe sind maßgeschneiderte O-Ringlösungen für Kunden von Chemie bis Pharma. Das Geschäft mit Standard-Dichtungen zum Budget-Preis überlassen die Pinneberger anderen.

Auch nach der Fertigung ist die Arbeit der O-Ring-Experten nicht getan: Um das Einsatzspektrum zu erweitern, sind verschiedenste Verfahren von der Behandlung mit Polysiloxan, dem Talkumieren, Silikonisieren oder Molykotieren zur Montageerleichterung über die Aufhebung der Klebeneigung der Ringe mittels Graphit oder Molybdändisulfid bis zur Verbesserung der Gleiteigenschaften durch eine Gleitlackbeschichtung denkbar.

Vier Beanspruchungen machen O-Ringen das Leben schwer: Zu den physikalischen Beanspruchungen gehört das Quellen (so quillt z.B. EPDM durch Mineralöl), welches zunächst nicht gefährlich ist, bei einer Ausdehnung über 15 bis 20 % jedoch zur Zerstörung des Rings führen kann, aber auch Schrumpfungen durch das Auslösen des Weichmachers.

Chemische Beanspruchungen können zur Zerstörung des intermolekularen Netzwerkes und zur Versprödung des Gummis führen – wie etwa durch die Hydrolyse mit Wasserdampf. Steigt die Temperatur über den Kristallübergang, zersetzt sich das Dichtungsmaterial irreversibel, was zu Hitzerissen führt. Schließlich können mechanische Beanspruchungen durch Druck, eine Überfüllung der Fräsnut, Abrieb, unsachgemäße Montage oder explosionsartige Druckstöße zu Schäden am Ring führen.

Daher müssen die Eigenschaften des Dichtungswerkstoffes zum Prozess passen – es gibt nicht einen richtigen O-Ring für alle Fälle, erklärt Thomas Lucht aus der Abteilung Anwendungstechnik bei COG. Der Dichtungsexperte empfiehlt, im Zweifelsfall immer auf eine höhere Werkstoffklasse zurückzugreifen. Die Zusatzkosten durch den teureren Ring seien nichts im Verhältnis zu den Folgekosten eines möglichen Schadens.

Über 45 000 verschiedene Dichtungen und Komponenten haben die O-Ring-Spezialisten auf Lager. Das macht über 180 Millionen Einzelteile – ein Spitzenwert in Europa. So können Bestellungen innerhalb eines Tages bearbeitet werden. Warum das so sein muss, wird spätestens klar, wenn man sich die immense Bedeutung der Gummiringe für Maschinen und Anlagen in der Produktion ansieht. Wenn die Anlage still steht, ist keine Zeit, auf Ersatzteile zu warten.

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Auch zum Jubiläum gönnen sich die Dichtungs-Experten keine Pause: Derzeit plant man in Pinneberg den vierten Bauabschnitt des neuen Standortes, der weitere 2000 m2 für Produktion und Technik erschließen soll. Und auch für die Zukunft bietet der Standort in Gehrstücken jede Menge Platz für zukünftige Erweiterungen.

Der Artikel wurde zuerst in unserem Schwesternmagazin process veröffentlicht.

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