Produktentwicklung Die Entwicklung technischer Bauteile neu denken
Produkte und Technologien verstehen, um ihr Potenzial zu maximieren – dies hat sich Mine&Make zum Ziel gesetzt. Wir haben mit Gauthier Boisdequin, Gründer und Geschäftsführer des Technologieunternehmens, über das Prinzip und das Potenzial der Plattform gesprochen.
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konstruktionspraxis: Herr Boisdequin, was macht für Sie als Ingenieur denn ein gutes Produkt aus?
Gauthier Boisdequin: Ein gutes Produkt ist für mich nicht nur hoch innovativ, sondern auch auf dem Markt und für seinen Anbieter erfolgreich. Dafür muss das gesamte Produktkonzept betrachtet werden.
konstruktionspraxis: Und aus dieser Motivation heraus haben Sie mit Mine& Make eine Plattform für KI-gestütztes Produktmanagement entwickelt, nehme ich an. Ganz kurz: Was steckt dahinter?
Gauthier Boisdequin: Mine&Make (Anmerk. der Red.: unternehmenseigene Schreibweise mine&make) ist ein Werkzeug für die Produktmanager und Konzeptentwickler technischer Produkte. Sie können damit ihre produktbezogenen, strategischen Ziele umsetzen. Sie erhalten ein konkretes Verständnis der Zukunft ihrer Produkte, können neue Geschäftsmöglichkeiten für ihre Produkte entdecken und diese neu auslegen.
konstruktionspraxis: Gab es einen konkreten Anlass für die Entwicklung der Plattform?
Gauthier Boisdequin: Die Idee kommt aus unserer Erfahrung in der Produktauslegung und im Produktmanagement bei Automobilzulieferern und -OEM. Im Produktmanagement und in der Konzeptentwicklung müssen sehr viele Fragen zu den unterschiedlichsten Themen konkret beantwortet werden, wie etwa: Wie kann ich den Mehrwert meines Produkts vor Kunden steigern? Was sind potenzielle Zusatzfunktionalitäten? Was gibt es für Technologien, um eine Produktfunktion zu realisieren? Was sind potenzialreiche Anwendungen für mein Produkt? Wer sind die Kunden? Was sind die anwendungsspezifischen Anforderungen? Diese Daten definieren, nach Aggregierung, das Konzept eines Produkts, das für seinen Mehrwert vor Kunden und für seinen Erfolg am Markt entscheidend ist.
konstruktionspraxis: Das klingt nach viel Arbeit?
Gauthier Boisdequin: Allerdings. Um diese Informationen zu erfassen und zusammenzufassen, haben die Großkonzerne aufwändige Prozesse aufgebaut, beispielsweise mit lokalen Teams für die Entwicklung neuer Applikationen und mit Innovation Hubs für die Erfassung der neuesten Technologien. Darüber hinaus verbringen die Produktmanager und Konzeptentwickler viel Zeit bei der Recherche nach konkreten Antworten für Ihr spezifisches Produkt.
Die Plattform Mine&Make liefert alle Daten, die erforderlich sind, um die Zukunft eines Produkts konkreter zu verstehen, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu entdecken und um die Produkte neu auszulegen.
konstruktionspraxis: Welche Herausforderungen gilt es denn aktuell in der Produktentwicklung zu lösen?
Gauthier Boisdequin: Hier fokussiere ich auf die Herausforderungen in der Konzeptauslegung für die Hersteller technischer Komponenten und sie sind geprägt von Komplexität, genauer gesagt von Markt-, Industrie- und Produktkomplexität. Aktuell wird viel über neue Geschäftsmodelle für Verbraucherprodukte gesprochen. Auch die Komponentenhersteller wollen und müssen neue Geschäftsmodelle wie ‚Function on Demand‘ oder Lebensdauerverlängerung für ihre Produkte umsetzen. Diese Geschäftsmodelle definieren zusätzliche Anforderungen an die Komponenten, die mit entsprechenden technischen Lösungen erfüllt werden müssen. Die Chancen und Risiken im Hinblick auf die Applikationen – und deshalb Märkte – für eine spezifische Komponente kommen aus den unterschiedlichsten Industrien, weltweit, und ändern sich mit der Zeit. Der Wettbewerb ist global und unübersichtlich, vor allem was das Substitutionsrisiko angeht. Und last but not least müssen Produkte heute mit unterschiedlichen Technologiestandards kompatibel sein, abhängig von den Anwendungen und von den Einsatzregionen. Wenn diese Standards sich ändern, müssen die Produkte neu ausgelegt werden.
Es gibt viele Produktideen, aber ihre Validierung im Hinblick auf Marktpotenzial und Machbarkeit kann mit den bestehenden, subjektiven Methoden unzuverlässig sein.
konstruktionspraxis: Was bedeutet das für Komponentenhersteller?
Gauthier Boisdequin: Der Integrationsgrad der Komponenten in den Kundensystemen nimmt zu. Das ist eine Herausforderung für die Komponentenlieferanten, die die Systeme verstehen müssen, um, zusammen mit den Kunden, die technischen Anforderungen an die Komponenten zu spezifizieren und die Schnittstellen auszulegen. Die Zulieferer müssen die Änderungen der Kundenprodukte und der Anforderungen an ihre eigenen Produkte vorausschauen können, um sie pünktlich anpassen oder neu entwickeln zu können. Aufgrund der Geschwindigkeit und Unübersichtlichkeit der technologischen Änderungen ist es eine Herausforderung für die traditionellen Produktmanagementmethoden.
konstruktionspraxis: Wie unterstützt die Plattform dabei?
Gauthier Boisdequin: Bei den oben genannten Herausforderungen werden Informationen benötigt, um die spezifischen Situationen konkret verstehen zu können, als Entscheidungsgrundlage, um neue Produktmöglichkeiten zu entdecken, und um die Produkte neu auszulegen. Dabei kann öffentliches Know-how helfen. Fachliteratur, Fachpresse, Patente, wissenschaftliche Veröffentlichungen und weitere Websites bieten konkrete Antworten auf viele Fragen der Konzeptentwicklung. Unsere Lösung erfasst diese Informationen und bereitet sie zielgerichtet auf.
konstruktionspraxis: Und hier kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel?
Gauthier Boisdequin: Unsere Lösung automatisiert die Erfassung der Daten und ermöglicht damit die Bearbeitung einer großen Datenmenge, aus unterschiedlichen Quellen, branchenübergreifend und weltweit. Dazu besteht die Data-Analytics aus einem Data-Miner, der NLP-Algorithmen für die Textanalyse verwendet, relationalen Datenbanken und einem Datenportal. Auf diese Weise liefert die Plattform alle Daten, die erforderlich sind, um die Zukunft eines Produkts konkreter zu verstehen, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu entdecken und um die Produkte neu auszulegen. Mit dem relationalen Ansatz werden die erfassten Daten so aggregiert, dass sie direkt in der Entwicklung und im Vertrieb genutzt werden können. Diese Daten sind auf einem für die einzelnen Kunden personalisierten Portal jederzeit abrufbar.
Die Plattform Mine&Make schafft im Hinblick auf Märkte und Technologien Transparenz, identifiziert neue Geschäftschancen wie etwa neue Anwendungen und liefert die notwendigen Daten für die Umsetzung.
konstruktionspraxis: Woher weiß die KI, was zu tun ist?
Gauthier Boisdequin: Jeder Kunde wird von einem Konzeptentwickler betreut. Unsere Konzeptentwickler arbeiten mit den Kunden zusammen, um die Eingangsdaten für die Data-Analytics zu definieren, um die Ergebnisse zu kommunizieren, und um sicherzustellen, dass die neuen Produktkonzepte und Applikationen für die Kunden machbar sind, im Hinblick auf ihre Produktstrategie, Kompetenzen und Ressourcen. Die KI nutzt einen Deep-Learning-Ansatz mit einem Transformer-Sprachenmodell. Mine&Make hat die Data-Analytics-gestützten Methoden und die entsprechenden KI-Werkzeuge entwickelt, mit Fokus auf die Bedürfnisse des Produktmanagements und der Konzeptauslegung technischer Produkte. Die KI wird nach einem Schema trainiert, das ebenfalls von Mine&Make für diese spezifischen Ziele entwickelt wurde.
konstruktionspraxis: Welche Vorteile entstehen durch den Einsatz der Plattform?
Gauthier Boisdequin: Unsere Kunden profitieren von der KI-gestützte Plattform für die Realisierung ihrer produktstrategischen Ziele. Die Plattform schafft Transparenz im Hinblick auf die Zukunft der Produkte, generiert neue Geschäftsmöglichkeiten und unterstützt bei der Umsetzung. Sie ist eine super-effiziente Ressource für das Produktmanagement, die Konzeptentwicklung und Teilfunktionen des Vertriebs.
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konstruktionspraxis: Für welche Unternehmen ist die Plattform geeignet?
Gauthier Boisdequin: Für die Hersteller und Anbieter technischer Produkte. Diese Produkte können technische Komponenten wie Sensoren, Mikrogetriebe, Prüfadapter oder Industriesteckverbinder oder aber spezialisierte Fertigungsverfahren sein. Die Plattform ist für die Produktmanager und Konzeptentwickler/Vorentwickler dieser Unternehmen gedacht.
konstruktionspraxis: Wie ist das Feedback aus dem Markt – können Sie ein Beispiel nennen?
Gauthier Boisdequin: Sehr gerne, sogar zwei: Mit dem Unternehmen IMS Connector Systems haben wir das hochinnovative Konzept eines Konnektorsystems mit integrierten Sensorfunktionalitäten entwickelt. Mit unserem Daten-gestützten Ansatz konnte das Marktpotenzial früh abgesichert werden und die Time-to-Market um sechs Monate reduziert werden.
Ein weiteres Beispiel: Für Prüfadapter zur elektrischen Funktionsprüfung von Tekon konnten 72 potenzielle Anwendungen in der Medizintechnik identifiziert werden. Für die potenzialreichsten Anwendungen wurde ebenfalls eine Liste potenzieller Kunden geliefert.
Vielen Dank, Herr Boisdequin.
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