Formula Student Germany Der Verbrennermotor ist angezählt
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Insgesamt 2642 Studenten aus der ganzen Welt haben am Hockenheimring gezeigt, was sie können. Eine Woche lang mussten sie nicht nur schrauben und ihr Fahrzeug optimieren, sondern auch Business-Pläne erstellen und die ein oder andere Krise bewältigen. Der Verbrennermotor spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle. Ein Besuch vor Ort.

Die meisten kennen den Hockenheimring von den Rennen der Formel 1, wenn die Boliden mit über 300 Kilometer pro Stunde und einem höllischen Geräuschpegel an den Zuschauerrängen vorbei fahren. Wer sich in der vergangenen Augustwoche dem Ring näherte, hörte dagegen kaum etwas - obwohl es rund um den Ring und auf der Strecke selbst geschäftiges Treiben gab.
Die Formula Student Germany
Bei der Formula Student handelt es sich um einen Konstruktionswettbewerb. In verschiedenen Disziplinen werden dafür die Fahrzeuge der studentischen Teams geprüft und mit Punkten bewertet. Insgesamt können 1000 Punkte erreicht werden. Zu den Disziplinen gehören die Beschleunigung auf 75 Meter sowie das sogenannte Skid Pad, wo die Fahrer einen Parcours in Form einer Acht durchfahren müssen. Beim Autocross wird eine etwa ein Kilometer lange Strecke mit Kurven und Schikanen gefahren. Zu den Highlights gehört jedoch die Ausdauer-Disziplin: Über 22 Kilometer müssen sich die Rennwagen unter Dauerbelastung beweisen können. In dieser Disziplin allein können bis zu 250 Punkte erworben werden. Neben dem Fahren und dem Fahrzeug an sich müssen die Studenten außerdem ihren Business Plan für das Fahrzeug vorstellen. Die Präsentation, die Kosten für das Fahrzeug und das Design werden ebenfalls mit Punkten bewertet.
Vom 15. bis 21. August hat am Hockenheimring die diesjährige Formula Student stattgefunden. Studenten aus der ganzen Welt treten dabei gegeneinander mit ihrem eigens konstruierten Rennwagen in verschiedenen Disziplinen an. Die Wagen mit Verbrenner sind hierbei schon jetzt in der Unterzahl: 26 Teams sind für den Wettbewerb mit einem Verbrennermotor angetreten, 68 fahren dagegen elektrisch. Ein Trend, der sich laut den Organisatoren der Formula Student Germany fortsetzen soll: „Der Wettbewerb für die Verbrennermotoren wird nächstes Jahr das letzte Mal stattfinden“, sagt Sebastian Hoppe. Er gehört zu den vielen Köpfen hinter der Veranstaltung. „Die Formula Student soll Studenten die Möglichkeit geben, zukunftsorientierte Fähigkeiten zu erwerben. Da gehört der elektrische Antrieb definitiv dazu“, so Hoppe.
Wettbewerb braucht Emotionen
Eine weitere Neuerung ist das autonome Fahren. Um die volle Punktzahl im Wettbewerb zu erreichen, müssen die Teams einen fahrerlosen Rennwagen auf den Hockenheimring schicken können. „Das macht in diesem Jahr noch keinen großen Anteil der Punkte aus. Wir wollen den Studenten aber damit zu verstehen geben, dass dieses Thema in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird“, sagt Hoppe. Die Nachfrage nach Kenntnissen im autonomen Fahren in der Industrie nehme zu, weswegen auch die Formula Student sich anpassen müsse. „Natürlich vergessen wir dabei die Emotionen nicht. Die sind für so einen Wettbewerb sehr wichtig, weshalb die Fahrer auch weiterhin ein fester Bestandteil der Teams sein werden.“
Ein Besuch in den Boxengassen bei den Teams. Hier herrscht am Freitagnachmittag eine Mischung aus geschäftigem Treiben und ersten Ermüdungserscheinungen. Während manche Studenten noch an ihren Wagen schrauben und letzte Änderungen vor dem nächsten Einsatz vornehmen, sitzen andere schlafend auf ihren Campingstühlen vor ihrer Box. „Wir haben diese Woche eigentlich genug Schlaf bekommen“, sagt dagegen Thomas Uth. Der Student und sein Team treten für die University of Applied Sciences Mannheim mit einem elektrischen Rennwagen an. „Wir sind gut durch die Abnahme gekommen und haben jetzt nicht so viel Stress, wie andere Teams ihn vielleicht gerade haben“, so Uth. Gemeinsam mit seinen Team-Kollegen Fabian Lätzsch und Felix Bauer wartet er aktuell darauf, die Disziplin „Acceleration“ abschließen zu können. Dabei muss ihr Fahrzeug auf einer 75 Meter langen Gerade aus dem Stand beschleunigen. Die schnellsten Fahrzeuge können diese Aufgabe in unter vier Sekunden absolvieren und erreichen über 100 Kilometer pro Stunde. „Wir warten darauf, dass etwas Gummi auf die Strecke kommt, damit unsere Reifen besser haften können“, erklärt Uth.
Autonomes Fahren ist Hürde für kleine Teams
Das Team aus Mannheim hat in seinem Wagen zwei Emrax 208 Elektromotoren verbaut, die jeweils bis zu 6000 Umdrehungen pro Minute schaffen. Mit Energie versorgt werden die Motoren von einer Lifepo 4s4p-Batterie. Für das autonome Fahren konnte sich die Studenten jedoch noch nicht vorbereiten. „Gerade für kleinere Teams ist es schwierig, da reinzukommen“, sagt Uth. Für dieses Jahr wurde vor allem die Aerodynamik des Wagens verbessert, indem der Heckflügel des Fahrzeugs angepasst wurde.
Ein paar Boxen weiter ist die Atmosphäre deutlich angespannter als bei den Mannheimern. Das israelische Team der Ben-Gurion-Universität des Negev hat sich um ihr Fahrzeug versammelt und diskutiert hektisch, wie es nun weitergeht. „Uns fehlt noch der Brems- und der Regentest“, erklärt Roee Yanai. Er ist der Chefingenieur des israelischen Teams. Hinzu kämen noch Probleme mit dem Dashboard des Wagens. Die beiden Tests werden für eine erfolgreiche Abnahme benötigt. Ohne sie darf das Team nicht auf die Strecke.
„Der Wettbewerb in Deutschland hat ein hohes Niveau“
Das Team der Ben-Gurion-Universität ist das Team in Israel, das am längsten in der Formula Student aktiv ist. Für ihr Fahrzeug setzen sie ebenfalls auf zwei elektrische Motoren vom Typ Emrax 208, die von Samsung 40T Batterien versorgt werden. Nicht nur die Technik ist dabei eine Herausforderung für die Studenten, sondern auch die Logistik: Sowohl das Fahrzeug als auch das aus 70 Studenten bestehende Team sowie die Ausrüstung müssen per Flugzeug nach Deutschland gebracht werden. „Finanziell machen das sowohl unsere Universität als auch unsere Sponsoren möglich“, erklärt Yanai. Autonome Funktionen habe das Team in diesem Jahr jedoch noch nicht einbauen können. „In unserem Team sind allerdings fünf Experten, die sich deshalb mit anderen Teams vernetzen wollen. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, 2024 auch mit einem autonomen Rennwagen anzutreten.“ Warum sie den langen Weg nach Deutschland auf sich genommen haben? „Der Wettbewerb in Deutschland hat ein hohes Niveau, für viele hier war es lange ein Traum, daran teilzunehmen. Vor allem nach der Corona-Pause haben sich alle sehr darauf gefreut, dass die Formula Student wieder losgeht“, erklärt Yanai lächelnd.
So haben die Teams abgeschnitten
Bei den Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb haben insgesamt 68 Teams teilgenommen. Teil des Wettbewerbs waren auch hier Disziplinen im autonomen Fahren, die jedoch nur einen kleinen Teil der Formula Student Germany ausmachten.
- 1. Platz: Universität Stuttgart
- 2. Platz: DHBW Stuttgart
- 3. Platz: TU Budapest
Das Team der Universität Mannheim erreichte den 40. Platz, das israelische Team Platz 49. Die gesamte Tabelle und die Ergebnisse des Wettbewerbs für Verbrenner sowie des Driverless Cups finden Sie auf der Homepage der Formula Student Germany.
Auch die Sponsoren der Formula Student sind in der Augustwoche vor Ort. Beim Stand von Schaeffler etwa bekommen die Teams Unterstützung beim Reifenwechsel. „Das haben die auch schon kräftig genutzt“, heißt es vor Ort. Auch nach Werkzeug, etwa zum Entlüften der Bremse, werde oft gefragt. Das bekommen sie dagegen beim Stand von Würth. „Schrauben, Kleber, Handschuhe und Schutzbrillen wurden bisher am meisten gebraucht“, sagt Würth-Mitarbeiter Marius Helmer. Als Sponsor und Unterstützer vor Ort ist das Unternehmen das erste Mal dabei. „Wir wollen die Teams dazu befähigen, den Wettbewerb durchzuhalten“, so Helmer weiter. „Da kann es auch schnell Mal scheitern, wenn lediglich eine einzelne Schraube fehlt. Die bekommen sie dann bei uns.“ Das Angebot werde auch regelmäßig genutzt, wobei man ins Gespräch kommt. „Natürlich sind wir immer auf der Suche nach jungen Talenten und informieren hier vor Ort auch über die Ausbildung oder Praktika bei Würth.“ Insgesamt ist der Sponsor zufrieden mit der Veranstaltung.
Auch die Organisatoren rund um die Formula Student Germany freuen sich über einen gelungenen Wettbewerb. „Nach der Corona-Pause schwingt auch immer etwas Unsicherheit mit, ob wir das alles noch können. Insgesamt sind wir aber sehr zufrieden“, sagt Sprecherin Theresa Stach. Erste Gespräche für die Formula Student Germany 2023 würden auch schon laufen, doch einen konkreten Termin könne Stach noch nicht nennen. „Aber wie heißt es so schön: nach dem Event ist vor dem Event“, so Stach.
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