Ressourceneffizienz Bionik als Lösungsansatz für material- und energiesparende Produkte

Autor / Redakteur: Katja Saulich* / Dipl.-Ing. Dorothee Quitter

Wollen Konstrukteure innovative Produkte entwickeln, können sie sich von der Natur inspirieren lassen und so den Material- und Energieverbrauch minimieren und Kosten eingesparen.

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Die Bionik gibt auf Grundlage der Biologie Inspirationen für Lösungsideen zur Entwicklung technischer Innovationen – der Lotus-Effekt ist eine von vielen.
Die Bionik gibt auf Grundlage der Biologie Inspirationen für Lösungsideen zur Entwicklung technischer Innovationen – der Lotus-Effekt ist eine von vielen.
(Bild: ©sensolux - stock.adobe.com)

Bionik ist eine Querschnittsdisziplin und verbindet Technik und Biologie. In der Richtlinie VDI 6220 Blatt 1 (2012) wird Bionik wie folgt erklärt: „Bionik verbindet in interdisziplinärer Zusammenarbeit Biologie und Technik mit dem Ziel, durch Abstraktion, Übertragung und Anwendung von Erkenntnissen, die an biologischen Vorbildern gewonnen werden, technische Fragestellungen zu lösen.“ Als biologische Vorbilder werden in diesem Zusammenhang beispielsweise biologische Prozesse, Materialien, Funktionen, Strukturen, Organsimen und Erfolgsprinzipien verstanden.

Wo Biologie und Technik zusammentreffen, ergeben sich viele neue Lösungsansätze. Die Bionik kann Unternehmen zum Beispiel dabei helfen, technische Innovationen zu entwickeln, um Ressourcen effizienter einzusetzen und Kosten zu sparen. Denn Ressourcen wie Material und Energie werden in der Natur effizient und zweckmäßig verwendet. Biologische Strategien bieten oft überraschende Lösungsansätze. Daraus lassen sich Ressourceneffizienzstrategien sowohl für den Entwicklungsprozess als auch für die Herstellung von Produkten ableiten [vgl. VDI 6220 Blatt 1 (2012)]: Ein Beispiel ist das Schließen natürlicher Kreisläufe, in denen nahezu jedes organische Material wiederverwendet bzw. recycelt wird. Auch ein effizienter Materialeinsatz hilft dabei, Material nur dort einzusetzen, wo es benötigt und an den Stellen abgebaut wird, an denen es überflüssig ist. Darüber hinaus sind zeitoptimierte Konstruktionen aus biologischem Material möglich, die der vorherbestimmten Lebensdauer angepasst werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die ressourcenschonende Materialherstellung, bei der biobasierte Materialien unter milden Reaktionsbedingungen synthetisiert werden (geringe Temperaturen und Drücke etc.).

Wie groß die Ressourceneffizienzpotenziale einer bionischen Lösung im Rahmen der Produktentwicklung sind, kann nur durch eine Lebensweganalyse bewertet werden. Dabei werden die Ressourcenverbräuche und Potenziale zur Ressourceneinsparung in jeder Lebenswegphase des Produktes analysiert und bewertet.

Werkzeug der Produktentwicklung

Im Produktentwicklungsprozess muss eine Vielzahl an Herausforderungen bewältigt werden. Dabei werden zahlreiche Entscheidungen über technische, ökonomische und ökologische Produkteigenschaften getroffen, die den Ressourcenaufwand im Produktlebensweg, den Fertigungsprozess, den Nutzungsaufwand, die Instandhaltungs- und Demontageeigenschaften, die Reparierbarkeit und die Recyclingfähigkeit beeinflussen. Bionik kann den Lösungsraum zur Bewältigung der Herausforderungen deutlich erweitern und innovative Denkansätze für das Produkt und dessen Herstellungsprozess beisteuern.

Der Prozess des bionischen Arbeitens gliedert sich zwischen der Ideenfindung und der Invention (Erfindung) in diverse Arbeitsstufen wie Analyse, Analogie/Abstraktion, Projekt-/Versuchsplanung, Experimente/Berechnungen, Prototypenbau/Herstellung, Anwendungstests und Gesamtbewertung. Der stufenweise Prozessverlauf des bionischen Arbeitens ist in der Regel iterativ. Interdisziplinarität unterstützt das Auffinden bionischer Lösungen. Interdisziplinäre Produktentwicklungsteams sind dafür prädestiniert, Ideen zu entwickeln, die ein biologisches Vorbild in eine technische Lösung umsetzen. Hierbei werden zwei Ansätze unterschieden: Beim sogenannten Biology Push sind Erkenntnisse aus der biologischen Forschung der Ausgangspunkt, aus denen eine oder auch mehrere technische Lösungen (z. B. Lotus-Effekt) entwickelt werden. Dagegen beschreibt der sogenannte Technology Pull eine technische Problemstellung, von der ausgehend mindestens eine biologische Lösung erarbeitet wird.

Beispiele für bionische Produkte

Aus dem bionischen Produktentwicklungsprozess geht ein bionisches Produkt hervor. Einige bionische Produkte haben sich bereits auf dem Markt etabliert – so wie jene bionischen Produkte, die den Lotus-Effekt als biologisches Vorbild aufweisen. Darunter fallen beispielsweise Fassadenfarben oder Dachziegel, die flüssigkeitsabweisende Oberflächeneigenschaften aufgrund von nano- oder mikrostrukturierten Oberflächen aufweisen. Die selbstreinigende Oberflächenwirkung führt in der Regel zu deutlich verlängerten Produktlebenszeiten.

Ein weiteres interessantes Entwicklungsbeispiel für eine bionische Lösung ist der Frac-Therm-Algorithmus, entwickelt vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Als biologisches Vorbild diente hier der Flüssigkeitstransport in Leitbündeln von Blättern oder Blutgefäßen in Organismen: Bei immer feiner werdenden Leitbündeln oder Blutbahnen bleiben Druck und Volumenstrom nahezu konstant. Der Frac-Therm-Algorithmus wurde für die Verbesserung von Wärmeübertragungsprozessen eingesetzt. Neben anderen bionischen Produkten wie die Entwicklung von Solarkollektoren wurde eine Formwerkzeugkühlung abgeleitet. Ein Entwicklerteam aus Forschung und Wirtschaft konstruierte ein 3D-Frac-Therm-Werkzeug, welches eine gleichmäßige Kühlung ohne lokale Temperaturmaxima während des Werkzeugeinsatzes gewährleistet. Aufgrund des erhöhten Kühlwirkungsgrads ist eine energieeffizientere Kühlung möglich. Dadurch verkürzt sich zum einen der Kühlvorgang, zum anderen verbessert sich die Qualität des Kühlergebnisses. Derzeit wird an einer marktfähigen Umsetzung gearbeitet. (qui)

Tipp: Anwendertreff Leichtbau Auf dem 3. Anwendertreff Leichtbau, der vom 4. bis 5. Dezember 2018 in Würzburg stattfindet, können sich Teilnehmer über den Konzept-, Struktur-, Material- und Fertigungsleichtbau informieren. Im Mittelpunkt stehen dieses Jahr die Bionik, die Verbundwerkstoffe, die Additive Fertigung und passende Fügetechnologien.
Mehr Informationen: Anwendertreff Leichtbau

* Dr.-Ing. Katja Saulich VDI Zentrum Ressourceneffizienz, Berlin

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